Mediation statt Druckkündigung?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das ernstliche Verlangen der Mitarbeiter, die unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordern, auch dann einen Grund zur Kündigung bilden, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung fehlt1. Allerdings unterliegt eine solche „echte“ Druckkündigung – unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung als betriebsbedingte2 oder personenbedingte Kündigung3 – strengen Anforderungen.

Mediation statt Druckkündigung?

Insbesondere darf der Arbeitgeber einem Kündigungsverlangen seitens der Belegschaft oder eines Teils der Mitarbeiter nicht ohne Weiteres nachgeben. Er hat sich vielmehr schützend vor den Betroffenen zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn trotz solcher Bemühungen die Verwirklichung der Drohung in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Ob und unter welchen Voraussetzungen die Möglichkeiten einer Mediation für die materielle Rechtfertigung einer Druckkündigung Bedeutung gewinnen können, hat das Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden.

Im Schrifttum4 und vereinzelt von Instanzgerichten5 wird – teils ohne nähere Begründung – die Auffassung vertreten, jedenfalls das Angebot zur Durchführung einer Mediation sei zu den Bemühungen zu rechnen, die der Arbeitgeber im Einzelfall ergreifen müsse, um einem unberechtigten Kündigungsverlangen Dritter entgegenzutreten.

Dafür spricht im Ausgangspunkt der Ausnahmecharakter der echten Druckkündigung. Gerechtfertigt ist diese nur, wenn sie sich als „letzter Ausweg“ zur Abwendung eines dem Arbeitgeber andernfalls drohenden massiven Schadens darstellt. Dies folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der das gesamte Kündigungsrecht beherrscht6. Die Anforderung an den Arbeitgeber, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen, beruht auf dessen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen der jeweils anderen Vertragspartei (§ 241 Abs. 2 BGB). Die auf dieser Grundlage gebotenen Maßnahmen lassen sich – schon wegen der Vielzahl denkbarer Ursachen, auf denen das Kündigungsverlangen eines Dritten beruhen kann – nicht für alle Sachverhalte abschließend beschreiben. Es ist jedenfalls nicht generell auszuschließen, dass zu diesen Initiativen im Einzelfall auch das Angebot einer Mediation rechnen kann.

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Nach § 1 MediationsG ist die Mediation ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Nach § 1 Abs. 2 MediationsG ist der Mediator eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt. Insbesondere bei Streitigkeiten von Arbeitnehmern untereinander, die der Arbeitgeber allein durch Ausübung seines Weisungsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) nicht zu lösen vermag, kann anerkanntermaßen in der Mediation eine Möglichkeit liegen, selbstbestimmt zufriedenstellende, bisher nicht erkannte Lösungen zur Beilegung des Konflikts zu entwickeln7.

Allerdings ist ein an die Konfliktparteien gerichtetes Angebot auf Durchführung einer Mediation, das jedenfalls nicht ohne Weiteres den Grundsatz der Freiwilligkeit verletzt8, dem Arbeitgeber vor einer Druckkündigung nur dann zumutbar, wenn keine objektiven, im Konflikt selbst begründeten Hindernisse vorliegen, die einem solchen Verfahren entgegenstehen. So wird eine Durchführung regelmäßig ausscheiden, wenn die Ursachen für das Kündigungsverlangen in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften der Konfliktparteien und damit in Umständen liegen, die diese nicht steuern können. Entsprechendes gilt, wenn ihnen die für das Verfahren unverzichtbare Offenheit fehlt, bisher nicht erkannte Lösungen zu finden9. Im Hinblick hierauf kann das Unterlassen des Angebots zur Mediation jedenfalls dann nicht zur Unwirksamkeit einer Druckkündigung führen, wenn der Arbeitgeber aufgrund der ihm im Kündigungszeitpunkt bekannten Umstände annehmen durfte, eine der Konfliktparteien würde sich der freiwilligen Teilnahme an einem Mediationsverfahren ohnehin verschließen.

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Die Pflicht, sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen, verlangt vom Arbeitgeber ein aktives Handeln, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren. Dafür reicht es nicht aus, dass er überhaupt Gespräche mit den die Drohung aussprechenden Arbeitnehmern führt und gegebenenfalls gemeinsame Beratungen zwischen diesen und dem betroffenen Arbeitnehmer moderiert. Er muss vielmehr argumentativ deutlich machen, dass aus seiner Sicht ein objektiver Anlass für eine Kündigung nicht besteht. Ob er mit diesem Standpunkt letztlich durchdringen kann, ist unbeachtlich10. Liegen die Ursachen für das Kündigungsverlangen in Konflikten, die sich auf die Zusammenarbeit im Betrieb beziehen, kann der Arbeitgeber überdies gehalten sein, durch Ausübung seines Weisungsrechts auf die involvierten Arbeitnehmer einzuwirken. Das widerspricht nicht seiner Schutzpflicht gegenüber dem von dem Kündigungsverlangen betroffenen Arbeitnehmer, sondern kann durch diese – je nach den Umständen – sogar geboten sein. Eine mögliche Ausübung des Direktionsrechts zur Auflösung von Streitigkeiten der Arbeitnehmer untereinander liegt im Übrigen typischerweise im originären wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers und kann grundsätzlich nicht als Parteinahme für die eine oder andere Konfliktpartei verstanden werden.

Dagegen ist es nicht Aufgabe des betroffenen Arbeitnehmers ist, dem auf den Arbeitgeber ausgeübten Druck entgegenzutreten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Juli 2016 – 2 AZR 637/15

  1. BAG 18.07.2013 – 6 AZR 420/12, Rn. 38[]
  2. so zuletzt BAG 18.07.2013 – 6 AZR 420/12, Rn. 44; Bergwitz/Vollstädt DB 2015, 2635[]
  3. zB Kerwer in Boecken/Düwell/Diller/Hanau Gesamtes Arbeitsrecht § 1 KSchG Rn. 589; APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 521; Krause in vHH/L KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 346; ErfK/Oetker 16. Aufl. § 1 KSchG Rn. 184[]
  4. KDZ/Däubler 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 171; Henkel AuA 2016, 274; Husemann jM 2016, 240; Settekorn ArbRAktuell 2015, 66, 67[]
  5. LAG Schleswig-Holstein 20.03.2012 – 2 Sa 331/11, Rn. 30[]
  6. BAG 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, Rn. 15[]
  7. Henkel/Göhler AuA 2014, 703, 704; Hunold AuA 2015, 216, 217; Ponschab/Dendorfer BB Beilage 2001 Nr. 2, S. 1, 4; Nink Mediation im Arbeitsrecht S. 143; beispielhaft für eine Mediation im Fall einer innerbetrieblichen Drucksituation: Pilartz Mediation im Arbeitsrecht Rn. 395 ff.[]
  8. bspw. Husemann jM 2016, 240[]
  9. dazu Nink Mediation im Arbeitsrecht S. 75[]
  10. BAG 19.06.1986 – 2 AZR 563/85, zu B II 2 b bb der Gründe[]
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