Mehrarbeitszuschläge für Werksfeuerwehrmann

Aus § 6 Nr. 1.07. Mantelrahmentarifvertrag vom 23.08.2018 für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland (MRTV) ergibt sich, dass die regelmäßige monatliche Arbeitszeit deines Werksfeuerwehrmanns, der in 24-Stundenschichten eingesetzt ist, 288 Stunden beträgt. Dabei handelt es sich um die Regelarbeitszeit im Sinne des § 6 Nr. 1.01. MRTV. Mehrarbeitszuschläge sind ab der 289. Stunde zu zahlen.

Mehrarbeitszuschläge für Werksfeuerwehrmann

Nach § 6 Nr. 1.07. Satz 7 MRTV kann im 24 – Stunden – Schichtdienst die regelmäßige monatliche Arbeitszeit auf bis zu 12 Schichten im Werksfeuerwehrdienst ausgedehnt werden, wenn die Voraussetzungen nach § 6 Nr. 1.07. Satz 2 bis 4 MRTV vorliegen. Das ist hier der Fall. Soweit der Feuerwehrmann beanstandet, dass er gelegentlich während der Ruhezeit ausrücken musste, stellt das die Einhaltung der tariflichen Voraussetzungen nicht infrage. Es ist gerade das Wesen einer solchen Ruhezeit, die der Sache nach Bereitschaftsdienst darstellt, dass der Arbeitnehmer im Ausnahmefall auch zu Einsätzen herangezogen werden kann. Andernfalls bräuchte er nicht auf der Feuerwache zu übernachten.

Dass es sich bei der so möglichen verlängerten Arbeitszeit um die Regelarbeitszeit im Sinne des § 6 Nr. 1.01. MRTV handelt, ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Nr. 1.07. MRTV. In Satz 1 spricht er von einer Abweichung von den Nummern 1.01. und 1.04., die die tägliche bzw. monatliche Arbeitszeit zum Gegenstand haben. Nr. 1.07. Satz 7 spricht zudem ausdrücklich von einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 12 Schichten zu je 24 Std. im Werksfeuerwehrdienst.

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Ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag besteht (erst) ab der 289. Stunde. 

Das ergibt für das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg die Auslegung des insoweit einschlägigen § 2 Nr. 1 des für allgemeinverbindlich erklärten; vom Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e. V. in Baden-Württemberg  und der Vereinigten Dienstleistungsgesellschaft (ver.di) am 9.02.2006 geschlossenen Mantelergänzungstarifvertrag (METV):

Zwar nimmt § 2 Nr. 1 METV BW auf die „tägliche“ Arbeitszeit Bezug, während § 6 Nr. 1.07. MRTV von einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit des Feuerwehrmanns spricht. Eine tägliche Arbeitszeit des Feuerwehrmanns ist jedoch auch hier normiert. Sie beträgt 24 Stunden, wie sich aus der Art der Arbeitszeitregelung, nämlich 12 Schichten zu je 24 Stunden, ergibt.

Vor allem aber zeigt § 2 Nr. 4 – 6 METV BW, dass die Tarifvertragsparteien sehr wohl Mehrarbeitszuschläge nicht ohne Rücksicht auf die jeweiligen arbeitszeitrechtlichen Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsverhältnisses anordnen. So haben sie für Mitarbeiter im Separatwachdienst die Zuschlagspflicht von Mehrarbeit erst ab der 233. Stunde festgelegt. Diese Arbeitsverhältnisse haben mit dem des Feuerwehrmanns gemein, dass auch hier in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft anfällt, was die Tarifvertragsparteien zu einer Verlängerung der Regelarbeitszeit und einer entsprechenden Heraufsetzung der Grenze für zuschlagspflichtige Mehrarbeit veranlasst haben dürfte.

Dazu würde es bereits im Widerspruch stehen, wenn Mitarbeiter von Werkfeuerwehren, deren Arbeitszeit nach § 6 Nr. 1.07. MRTV ebenfalls durch umfangreiche Zeiten der Arbeitsbereitschaft und durch Bereitschaftsdienst gekennzeichnet ist, zu einem früheren Zeitpunkt bereits Mehrarbeitszuschläge erhalten sollten.

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Allerdings fehlt im METV eine Sonderregelung für die Mitarbeiter von Werksfeuerwehren, die angesichts der Regelungssystematik angezeigt wäre. Dieser Umstand ist aber nicht maßgeblich, denn er beruht darauf, dass Werksfeuerwehren, die nicht aus Betriebsangehörigen bestehen, in Baden-Württemberg erst durch das Gesetz zur Änderung des Feuerwehrgesetzes vom 10.11.20091 in § 19 Abs. 2 Satz 3 FeuerwG möglich sind. Es bestand also zur Zeit der Vereinbarung des METV BW im Jahr 2006 kein Anlass, Regelungen für Mitarbeiter von (externen) Werksfeuerwehren zu treffen, weil es diese zu diesem Zeitpunkt nicht gab. § 2.01. METV BW ist daher dahingehend auszulegen, dass der Feuerwehrmann bei Überschreiten seiner durch § 6 Nr. 1.07. MRTV geregelten Arbeitszeit von 12 Schichten zu je 24 Stunden einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung hat.

Dafür ist nicht Voraussetzung, dass der Feuerwehrmann „Arbeit“ im engeren arbeitszeitrechtlichen Sinne geleistet hat, sondern es genügt, dass die Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 6 Nr. 1.07. MRTV durch eine der möglichen Formen von Arbeit im Sinne von § 3 ArbZG, also Arbeit, Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst erfolgt ist. Die Auffassung, bei Ableisten einer weiteren 24-Stundenschicht nach § 6 Nr. 1.07. MRTV würde die darin enthaltene Zeit von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst (Ruhezeit im Sinne des Sprachgebrauchs des Tarifvertrages) keine zuschlagspflichtige Mehrarbeit darstellen, teilt das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg nicht.

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Zunächst findet sich in § 2 METV BW kein Anhaltspunkt dafür, dass nur Arbeit im engeren Sinne ohne Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst Mehrarbeitszuschläge auslösen kann. Im Gegenteil zeigt § 2 Nr. 4 METV BW für den Separatwachdienst, dass gerade auch Arbeitsbereitschaft – ohne die die derartig verlängerten Arbeitszeiten gar nicht zulässig wären – zu Mehrarbeitszuschlägen führen kann.

Der Begriff der geleisteten „Arbeit“ in § 2 Nr. 1 METV BW ist als Arbeit im Sinne des ArbZG zu verstehen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG zählt zur „Arbeitszeit“ auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst und nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit; sie umfasst daher auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Aus § 2 METV BW ergibt sich nicht, dass die Tarifvertragsparteien ein anderes Verständnis von „Arbeit“ haben. Zwar spricht § 2 Nr. 1 METV BW von „geleisteter“ Arbeit. Dem kommt aber keine abweichende Bedeutung zu. Der Arbeitnehmer, der sich im Zustand der Arbeitsbereitschaft befindet wie auch der Arbeitnehmer im Bereitschaftsdienst „leisten“ diese Formen der Arbeit, in dem sie sich fremdnützig im Interesse des Arbeitgebers und dessen Anweisung auf diese Weise für Einsätze bereithalten.

Auch der Umstand, dass bei der Zahlung der Grundvergütung nicht nach der Arbeitsleistung unterschieden wird, spricht dafür, diese auch bei der Frage der Mehrarbeitsvergütung gleich zu behandeln.

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Es wäre auch widersinnig, hier eine Differenzierung vorzunehmen. Das würde dazu führen, dass gerade die Arbeitnehmer, die durch die besonders umfangreiche Ausdehnung der Pflicht, sich dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen, nur eingeschränkt für die Überschreitungen ihrer Regelarbeitszeit zusätzliche Vergütung erhalten. Gleichgültig, ob der Zweck der Mehrarbeitszuschläge die Vermeidung von Mehrarbeit aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Ausgleich der eingeschränkten Disposition über die Freizeit ist, besteht gerade ein Anlass, Arbeitnehmern in (ausgedehnten) Arbeitszeitformen nach § 6 Nr. 1.07. MRTV bei Überschreiten der Grenze von 288 Stunden Mehrarbeitszuschläge zu zahlen.

Dieser Auslegung steht auch nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.06.20082 entgegen. Hier ging es um die Frage, ob auch Zeiten des Urlaubs „geleistete Arbeit“ im Sinne der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen sind. Das hier geforderte „aktive Tun“3 liegt im vorliegenden Fall darin, dass sich der Feuerwehrmann in der Feuerwache aufhält und selbst dann, wenn er schläft, schnellstmöglich die Arbeit im Alarmfall aufnehmen muss. Bereitschaftsdienst ist mit Urlaub nicht zu vergleichen.

Daraus folgt, dass der Feuerwehrmann Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Zeiten der Arbeitsleistung ab der 289. Stunde – und nicht wie im vorliegenden von der Arbeitgeberin gezahlt – erst ab der 313. Stunde hat.

Landesarbeitsgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 23. August 2021 – 9 Sa 15/21

  1. GBl BW 2009, S 633f[]
  2. BAG 11.06.2008 – 5 AZR 389/07[]
  3. BAG 11.06.2008 – 5 AZR 389/07, Rn. 14[]
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