Ein Tarifvertrag, der für die Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen nur die tatsächlich gearbeiteten Stunden berücksichtigt und nicht auch die Stunden, in denen der Arbeitnehmer seinen bezahlten Mindestjahresurlaub in Anspruch nimmt, könnte gegen Unionsrecht verstoßen. Das Bundesarbeitsgericht hat daher zur Klärung dieser Frage ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet.

Zwischen den Parteien des derzeit beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Rechtsstreits besteht seit Januar 2017 ein Arbeitsverhältnis. Sie waren im streitigen Zeitraum an den Manteltarifvertrag für die Zeitarbeit in der Fassung vom 17. September 2013 gebunden. Der Tarifvertrag regelt, dass Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 25 % für Zeiten gezahlt werden, die im jeweiligen Kalendermonat über eine bestimmte Zahl geleisteter Stunden hinausgehen. Der Arbeitnehmer macht Mehrarbeitszuschläge für August 2017 geltend, in dem er 121,75 Stunden tatsächlich gearbeitet hat. Daneben hat er in diesem Monat in der Fünftagewoche für zehn Arbeitstage Erholungsurlaub in Anspruch genommen. Die Arbeitgeberin hat dafür 84,7 Stunden abgerechnet. Die tarifvertragliche Schwelle, die überschritten werden muss, damit in diesem Monat Mehrarbeitszuschläge zu leisten sind, liegt bei 184 Stunden. Der Arbeitnehmer meint, ihm stünden Mehrarbeitszuschläge zu, weil auch die für den Urlaub abgerechneten Stunden einzubeziehen seien.
In den Vorinstanzen haben sowohl das Arbeitsgericht wie auch in der Berufungsinstanz das Landesarbeitsgericht Hamm1 die Klage abgewiesen.
Das Bundesarbeitsgericht hat nun den Gerichtshof der Europäischen Union ersucht zu klären, ob die tarifliche Regelung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vereinbar ist. Die Auslegung des Tarifvertrags lasse es nicht zu, Urlaubszeiten bei der Berechnung der Mehrarbeitszuschläge zu berücksichtigen. Klärungsbedürftig ist daher nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, ob der Tarifvertrag damit einen unionsrechtlich unzulässigen Anreiz begründet, auf Urlaub zu verzichten.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17. Juni 2020 – 10 AZR 210/19 (A)
- LAG Hamm, 14.12.2018 – 13 Sa 589/18[↩]