Das Widerspruchsrecht bezüglich des Übergangs des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang ist zwar in der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.03.2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen1 nicht ausdrücklich geregelt, jedoch in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt2.

Der Inhalt jenes Rechts ist unionsrechtlich nicht ausgestaltet; die Rechtsfolgen eines Widerspruchs für das Arbeitsverhältnis richten sich nach nationalem Recht3. Für die Voraussetzungen des Widerspruchsrechts ergibt sich nichts anderes. Zudem verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten schon nicht, die Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses mit dem Veräußerer für den Fall vorzusehen, dass der Arbeitnehmer sich frei dafür entscheidet, den Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erwerber fortzusetzen4.
Nach dem Wortlaut des § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB ist der Widerspruch gegenüber zwei Personen möglich: gegenüber dem „bisherigen Arbeitgeber“ oder dem „neuen Inhaber“. Ein Widerspruchsrecht gegenüber einem ehemaligen Arbeitgeber ist danach nicht gegeben5. „Bisheriger“ Arbeitgeber in der Situation, in der sich der Kläger im November 2011 nach zwei Betriebsübergängen befand, wäre im Sinne des Gesetzes die V gewesen. „Bisher/ig“ bedeutet: „bis jetzt“6; „von einem unbestimmten Zeitpunkt an bis zum heutigen Tag“7; „bislang/bis jetzt/bis heute/bis dato/bis zum heutigen Tage/bis zur jetzigen Stunde“8.
Bezogen auf einen Betriebsübergang ist der „bisherige Arbeitgeber“ derjenige, der vor dem aktuellen Arbeitgeber den Betrieb innehatte. Zu einem früheren Betriebsinhaber steht der Arbeitnehmer nicht mehr in einer, auch nicht in einer durch § 613a Abs. 6 BGB vermittelten arbeitsrechtlichen oder sonstigen vertragsrechtlichen Beziehung.
Der frühere Betriebsinhaber ist nicht mehr der „bisherige“ Arbeitgeber, er hat diese Eigenschaft bereits durch den früheren Betriebsübergang verloren. Der ihm gegenüber erklärte Widerspruch ging damit ins Leere.
Auch systematische Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass der Widerspruch nur gegenüber dem „bisherigen“ Arbeitgeber oder „dem neuen Inhaber“, den letzten Übergang des Arbeitsverhältnisses betreffend, erklärt werden kann9.
Dies entspricht der Gesetzesbegründung10 für das Widerspruchsrecht. Mit der Würde des Menschen, dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und dem Recht auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 1, 2 und 12 GG) wäre es unvereinbar, wenn ein Arbeitnehmer verpflichtet würde, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt hat11.
Ist „das“ Arbeitsverhältnis (es handelt sich im Rahmen des § 613a BGB immer um das eine, nicht um mehrere Arbeitsverhältnisse) zwischenzeitlich vom Ersterwerber (bisheriger Arbeitgeber) auf einen Zweiterwerber (neuer Inhaber) übergegangen und dagegen ein Widerspruch nicht erhoben worden, stellt sich die Frage einer Verpflichtung, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, der nicht frei gewählt worden ist, nur noch in Bezug auf den Zweiterwerber (neuer Inhaber).
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 8 AZR 696/13
- ABl. EG L 82 vom 22.03.2001 S. 16[↩]
- ua. EuGH 16.12 1992 – C-132/91, – C-138/91 und – C-139/91 – [Katsikas ua.] Rn. 30 ff. mwN, Slg. 1992, I-6577[↩]
- ua. EuGH 16.12 1992 – C-132/91, – C-138/91 und – C-139/91 – [Katsikas ua.] Rn. 37, aaO[↩]
- EuGH 16.12 1992 – C-132/91, – C-138/91 und – C-139/91 – [Katsikas ua.] Rn. 35, aaO[↩]
- vgl. auch BAG 24.04.2014 – 8 AZR 369/13[↩]
- Brockhaus-Wahrig Deutsches Wörterbuch S. 703 [1980][↩]
- Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. S. 607[↩]
- Knaurs Lexikon der sinnverwandten Wörter S. 116[↩]
- näher BAG 24.04.2014 – 8 AZR 369/13, Rn.19 ff.[↩]
- BT-Drs. 14/7760 S.20[↩]
- BAG 22.04.1993 – 2 AZR 50/92; ebenso zu der Richtlinie 2001/23/EG: EuGH 16.12 1992 – C-132/91, – C-138/91 und – C-139/91 – [Katsikas ua.] Rn. 32, Slg. 1992, I-6577; vgl. auch Art. 1 und Art. 15 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union[↩]