Ein Bauträger, der Gebäude im eigenen Namen und auf eigene Rechnung errichten lässt, um sie während oder nach der Bauphase zu veräußern, ist Unternehmer im Sinne von § 1a AEntG aF.

Nach § 14 Abs. 1 BGB ist Unternehmer jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Darunter fallen auch Freiberufler, Handwerker, Landwirte und Kleingewerbetreibende. Danach ist der Bauträger Unternehmer; denn er erstellt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf eigene Rechnung und im eigenen Namen Wohnhäuser und Geschäftsgebäude, um sie anschließend zu veräußern.
Der Begriff „Unternehmer“ in § 1a AEntG aF ist allerdings entsprechend dem vom Gesetzgeber verfolgten Sinn und Zweck der Bürgenhaftung einschränkend auszulegen1.
Nach der Gesetzesbegründung sollte mit § 1a AEntG aF eine Haftung des Generalunternehmers eingeführt werden. Dieser soll darauf achten, dass seine Subunternehmer die nach dem AEntG zwingenden Arbeitsbedingungen einhalten2. Dabei sollten alle Bauaufträge im Rahmen der Geschäftstätigkeit erfasst werden, eine Ausdehnung der Durchgriffshaftung auf Privatleute war demgegenüber nicht beabsichtigt3. Die Generalunternehmer würden in Zukunft wieder verstärkt Aufträge an zuverlässige kleine und mittlere Unternehmen vergeben, von denen sie wüssten, dass sie die gesetzlichen Bestimmungen einhalten. Eine Belastung kleiner und mittlerer Betriebe sei daher nicht zu befürchten4.
Der Gesetzgeber wollte damit nicht jeden Unternehmer im Sinne von § 14 Abs. 1 BGB, der eine Bauleistung in Auftrag gibt, in den Geltungsbereich des § 1a AEntG aF einbeziehen. Sinn des Gesetzes war vielmehr, Bauunternehmen, die sich verpflichtet haben, ein Bauwerk zu errichten, und dies nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigen, sondern sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmen bedienen, als Bürgen haften zu lassen, damit sie letztlich im eigenen Interesse verstärkt darauf achten, dass die Nachunternehmer die nach § 1 AEntG aF zwingenden Arbeitsbedingungen einhalten. Da diesen Bauunternehmen der wirtschaftliche Vorteil der Beauftragung von Nachunternehmern zugutekommt, sollen sie für die Lohnforderungen der dort beschäftigten Arbeitnehmer nach § 1a AEntG aF einstehen5.
Dementsprechend treffen diese Ziele des ArbeitnehmerEntsendegesetzes nicht auf Privatleute oder Unternehmer zu, die lediglich als Bauherren eine Bauleistung in Auftrag geben. Sie beschäftigen keine eigenen Bauarbeitnehmer und beauftragen keine Subunternehmen, die für sie eigene Leistungspflichten erfüllen. Sie fallen daher nicht in den Geltungsbereich des § 1a AEntG aF6.
Bauträger sind nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung als Unternehmen iSd. § 1a AEntG aF und nicht als bloße Bauherren anzusehen7.
Wesentlicher Inhalt der Bauträgertätigkeit ist, dass der Bauträger sich zur Errichtung eines Bauwerks auf einem eigenen oder von ihm noch zu beschaffenden Grundstück verpflichtet und dem Erwerber das Eigentum am Grundstück und dem darauf erstellten Gebäude verschafft. Der Bauträger tritt im Regelfall im eigenen Namen auf, sodass Vertragspartner des Bauunternehmers der Bauträger selbst und nicht der Erwerber wird8.
Das Bauträgerunternehmen fungiert damit gerade nicht als bloßer „Bauherr“ oder „Letztbesteller“, der lediglich einen Eigenbedarf befriedigt9. Vielmehr ist die Beauftragung von Bauleistungen wesentlicher, unmittelbarer Gegenstand des Unternehmens10. Der Bauträger baut nicht aus privaten Gründen oder um durch den Bau anderen eigenen gewerblichen Zwecken zu dienen, sondern um die errichteten Gebäude vor, während oder spätestens nach Abschluss der Bauarbeiten gewinnbringend zu veräußern. Dabei erfüllt er mit der Bautätigkeit eine, ggf. vorweggenommene, eigene Leistungspflicht gegenüber dem Erwerber, die sich bei einem Erwerb während der Bauphase in eine unmittelbare Leistungspflicht umwandelt. Diese Leistungspflicht kann er entweder durch eigenes Personal erfüllen oder – typischerweise – an ein anderes Unternehmen weitergeben. Damit kommt auch dem Bauträger der wirtschaftliche Vorteil der Beauftragung von Nachunternehmen zugute, er nutzt den Vorteil von Subunternehmerketten für seine gewerbsmäßige Tätigkeit11. Der präventive Zweck des § 1a AEntG aF, nämlich den Hauptunternehmer zu veranlassen, bei der Vergabe von Aufträgen an Nachunternehmer auf deren Zuverlässigkeit zu achten12, greift auch bei Bauträgerunternehmen ein. Hierzu ist der Bauträger aufgrund der mit seiner Tätigkeit verbundenen Marktkenntnis typischerweise in der Lage. Damit ist seine Situation derjenigen des Generalunternehmers13, der in der Regel ebenfalls sämtliche Bauleistungen für die Errichtung eines Bauwerks zu erbringen hat, deutlich angenähert. Der wesentliche Unterschied liegt lediglich darin, dass der Generalunternehmer regelmäßig auf einem Grundstück baut, das dem Auftraggeber gehört, während der Bauträger noch Eigentümer des Grundstücks ist. Ziel der Tätigkeit ist aber dessen Veräußerung, im Regelfall noch während der Bauphase.
Dabei spielt es keine Rolle, ob der Bauträger zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe bereits Vertragspflichten gegenüber den zukünftigen Erwerbern übernommen hatte. Es kann nicht darauf ankommen, ob sich das Unternehmen bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung des Nachunternehmers zur Errichtung des Gebäudes verpflichtet hat oder ob es dies mit dem Wissen und der Absicht tut, das Gebäude während oder nach der Errichtung zu verkaufen. Für eine solche Differenzierung gibt es unter dem Blickwinkel des Sinns und Zwecks der Haftung keinen Grund14. Die Zielrichtung der Eingehung solcher Vertragspflichten ist mit der Geschäftstätigkeit eines Bauträgerunternehmens notwendigerweise verbunden. Im Übrigen trägt der Bauträger lediglich vor, er führe „in der Regel“ erst nach Rohbaubeginn und vor Beginn der Ausbauphase Verkaufsgespräche mit Interessenten. Dies zeigt, dass in der Praxis des Bauträgergeschäfts die Eingehung von Verpflichtungen gegenüber den Erwerbern in verschiedenen Phasen erfolgt, sodass dieser Zeitpunkt kein geeignetes Abgrenzungskriterium darstellt; zudem wird regelmäßig zumindest die Verpflichtung zum Ausbau an Subunternehmen weitergegeben.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Mai 2012 – 10 AZR 190/11
- BAG 28.03.2007 – 10 AZR 76/06, Rn. 12 ff., EzA AEntG § 1a Nr. 5; 12.01.2005 – 5 AZR 617/01 – zu III 2 b der Gründe mwN, BAGE 113, 149[↩]
- BT-Drucks. 14/45 S. 17 f.[↩]
- BT-Drucks. 14/45 S. 26[↩]
- Plenarprotokoll 14/14 Verhandlung des Deutschen Bundestages vom 10.12.1998 S. 868 D[↩]
- BAG 12.01.2005 – 5 AZR 617/01 – zu III 2 b bb der Gründe, BAGE 113, 149; Franzen SAE 2003, 190, 192[↩]
- BAG 28.03.2007 – 10 AZR 76/06, Rn. 14, EzA AEntG § 1a Nr. 5[↩]
- ebenso Koberski/Asshoff/Hold AEntG 2. Aufl. § 1a Rn. 11; Koberski/Asshoff/Enstrüp/Winkler AEntG 3. Aufl. § 14 Rn. 18[↩]
- Werner/Pastor/Müller Baurecht von AZ 6. Aufl. Stichwort: Bauträger[↩]
- vgl. zu diesem Aspekt bei der Beschäftigung eigener Arbeitnehmer: BAG 14.12.2005 – 10 AZR 180/05, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 280 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 126[↩]
- vgl. BSG 27.05.2008 – B 2 U 11/07 R, Rn.20, BSGE 100, 243[↩]
- BAG 28.03.2007 – 10 AZR 76/06, Rn. 16, EzA AEntG § 1a Nr. 5[↩]
- vgl. BAG 8.12.2010 – 5 AZR 95/10, Rn.20, AP AEntG § 1a Nr. 4 = EzA AEntG § 1a Nr. 7[↩]
- Werner/Pastor/Müller Baurecht von AZ 6. Aufl. Stichwort: Generalunternehmer[↩]
- BSG 27.05.2008 – B 2 U 11/07 R, Rn. 22, BSGE 100, 243[↩]