Dem Betriebsrat steht grundsätzlich ein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu, wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 BetrVG verletzt. Dieser Anspruch setzt grundsätzlich auch keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG voraus [1].

Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber diese aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verbleiben. Dadurch soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen des Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Eine näher ausgestaltbare Rahmenvorschrift liegt vor, wenn die gesetzliche Regelung Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes erfordert, diese aber nicht selbst im Einzelnen beschreibt, sondern dem Arbeitgeber lediglich ein zu erreichendes Schutzziel vorgibt. Ob die Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz unmittelbar oder mittelbar dient, ist dabei unerheblich. Ebenso wenig kommt es auf eine subjektive Regelungsbereitschaft des Arbeitgebers an. Der Begriff des Gesundheitsschutzes in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG stimmt mit dem des Arbeitsschutzgesetzes überein. Erfasst werden Maßnahmen, die dazu dienen, die psychische und physische Integrität des Arbeitnehmers zu erhalten, der arbeitsbedingten Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, die zu medizinisch feststellbaren Verletzungen oder Erkrankungen führen oder führen können. Erfasst werden auch vorbeugende Maßnahmen. Des Weiteren ist Voraussetzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, dass die Anwendung der Rahmenvorschrift eine betriebliche Regelung notwendig macht, in der Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam festlegen, in welcher Weise das vorgegebene Schutzziel erreicht werden soll. Eine solche Regelung muss sich auf einen kollektiven Tatbestand beziehen, für den eine abstrakt-generelle Lösung erforderlich ist. Keine Regelung ist notwendig, wenn der Arbeitgeber nach den gesetzlichen Rahmenregelungen Einzelmaßnahmen zu treffen hat. Diese werden vom Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht erfasst [2].
Bei der geplanten Mitarbeiterbefragung 2015 handelt es sich im hier entschiedenen Fall um eine Maßnahme zum Gesundheitsschutz mit kollektivem Bezug. Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 1 ArbSchG verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Weiterhin hat der Arbeitgeber die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls den geänderten Gegebenheiten anzupassen. Nach § 5 Abs. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Nach der Systematik des ArbSchG kann der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG ermitteln und ergreifen, ohne zuvor eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG durchgeführt zu haben. Auch aufgrund von Erkenntnissen, die z.B. aus einer Mitarbeiterbefragung gewonnen werden, hat der Arbeitgeber die nach § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG erforderlichen Maßnahmen einzuleiten [3]. Insofern fängt die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht erst dann an, wenn der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG durchführt. Vielmehr greift die Mitbestimmung auch bei sonstigen Maßnahmen des Gesundheitsschutzes, wobei es ausreichend ist, dass die vom Arbeitgeber zu treffende Maßnahme lediglich mittelbar dem Gesundheitsschutz dient [4]. Dies ist bei der Bestandsaufnahme und Analyse der Gefährdung der Fall, da sich diese im gesundheitsnahmen Bereich befinden [5]
Die Mitarbeiterbefragung dient der Verbesserung des Gesundheitsschutzes im Rahmen der Regelungen der §§ 3, 5 ArbSchG. Insofern ist es zwar zutreffend, dass das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht bei jeder Maßnahme ausgelöst wird, die Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter hat. Insofern ist ein subjektives Element, mithin eine entsprechende Zwecksetzung erforderlich [6]. Diese Voraussetzung ist vorliegend jedoch gegeben. Auf der Grundlage der Mitarbeiterbefragung sollen etwaige Maßnahmen des Gesundheitsschutzes identifiziert werden. Insofern hat die Arbeitgeberin das „betriebliche Gesundheitsmanagement“ als Zielsetzung der Mitarbeiterbefragung 2015 angegeben. Auch sollen die auf der Grundlage der Mitarbeiterbefragung 2012 getroffenen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz überprüft werden. Insofern soll nach der Überzeugung des Arbeitsgerichts Hamburg mit einer generellen Regelung – nämlich den unternehmensübergreifenden einheitlichen Fragebogen – die Rahmenvorschrift des § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG ausgefüllt werden.
Der vorliegende Fragebogen zur Mitarbeiterbefragung enthält zahlreiche Fragen, die sich direkt oder indirekt auf gesundheitsrelevante Faktoren an den konkreten Arbeitsplätzen beziehen. Dies gilt insbesondere für die Fragen nach der Lärmbelastung oder der Frischluftzufuhr. Aber auch die Fragen zur Arbeitsbelastung, den Überstunden, der Kommunikation mit Vorgesetzten sowie Kollegen betreffen den Stress am Arbeitsplatz, mithin psychische Belastungsfaktoren, die ebenfalls gesundheitsrelevant sind.
Dass die Beteiligten der Mitarbeiterbefragung einen Gesundheitsbezug beimessen und sie auf der Grundlage der gewonnenen Daten entsprechende Maßnahmen ergreifen, wird aus den Maßnahmen deutlich, die nach der Mitarbeiterbefragung 2012 eingeleitet wurden.
Mit der Mitarbeiterbefragung 2015 möchte die Arbeitgeberin herausfinden, ob sich die Zufriedenheit der Mitarbeiter verbessert hat. Das bedeutet aber zugleich, dass die Arbeitgeberin damit die Effektivität und den Erfolg der von ihr begonnenen konkreten Maßnahmen, wie z.B. den Lärmschutz oder die Reduktion von psychischen Belastungsfaktoren, überprüfen. Damit hat die Mitarbeiterbefragung zwangsläufig den Gesundheitsschutz zum Ziel. Je nach dem Ergebnis der Mitarbeiterbefragung erhält die Arbeitgeberin Daten für weitere Maßnahmen. Aus diesem Grund ist die Mitarbeiterbefragung 2015 nicht von den Maßnahmen des Gesundheitsschutzes, die in der Vergangenheit auf Basis der Mitarbeiterbefragung 2012 ergriffen wurden, zu trennen. Damit unterfällt die Mitarbeiterbefragung § 3 Abs. 1 S. 2 ArbSchG, nach dem der Arbeitgeber die Maßnahmen des Arbeitsschutzes auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen hat. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 ArbSchG für eine geeignete Organisation zu sorgen. Maßnahmen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG unterliegen – wie auch Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG [7] – der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG [8]. Entsprechendes gilt für die Wirksamkeitskontrolle nach § 3 Abs. 1 S. 2 ArbSchG, die dem Arbeitgeber eine Pflicht zur Optimierung des Schutzes auferlegt und einen weiten Handlungsspielraum eröffnet, bei dessen Ausfüllung der Betriebsrat zu beteiligen ist [9].
Da durch die Mitarbeiterbefragung systematisch und bezogen auf alle Arbeitsplätze bei der Arbeitgeberin gesundheitsrelevante Belastungsfaktoren ermittelt werden sollen, ist ein kollektiver Bezug gegeben [10].
Zusammenfassend bezweckt die Arbeitgeberin sowohl die Ermittlung gesundheitsrelevanter Daten als auch die Wirksamkeitskontrolle von Maßnahmen des Gesundheitsschutzes, die auf der Grundlage der Mitarbeiterbefragung 2012 eingeleitet wurden. Soweit solche Maßnahme in Bezug von der Arbeitgeberin nicht eingeleitet wurden und damit auch nicht überprüft werden sollen, verbleibt gleichwohl das erstgenannte Ziel.
Der Verfügungsanspruch des Betriebsrats besteht, obwohl die Mitarbeiterbefragung nicht von der Arbeitgeberin durchgeführt wird. Die Arbeitgeberin kann sich dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht dadurch entziehen, dass ein anderes Unternehmen mit Mitarbeiterdaten, die ihm, zu einem anderen Zweck – überlassenen wurden, eine Befragung durchführt [11]. Zudem kann auch die Arbeitgeberin auf die Auswertung der Mitarbeiterbefragung zugreifen und über konkrete Maßnahmen des Gesundheitsschutzes entscheiden. Wird die Befragung durch Dritte durchgeführt, muss der Arbeitgeber abhängig von den Umständen des Einzelfalls durch eine entsprechende Vertragsgestaltung sicherstellen, dass die ordnungsgemäße Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts gewährleistet ist [12]. Das ist letztlich dadurch geschehen, dass in dem Vertrag mit dem P. Institut in Ziff. 6 geregelt ist, dass das Einverständnis des Betriebsrats einzuholen ist. Soweit das BAG entschieden hat, dass die Auswahl einer zuverlässigen und fachkundigen Person zur Wahrnehmung der Aufgaben nach dem ArbSchG nach § 13 Abs. 2 ArbSchG als Einzelmaßnahme nicht der Mitbestimmung unterliegt [13], gilt dies jedoch nicht, wenn der Arbeitgeber weitere Regelung zur Ausfüllung seiner Verpflichtung nach § 3 Abs. 1 ArbSchG trifft [14]. Dies ist vorliegend der Fall, da es nicht um die Entscheidung zur Übertragung von Aufgaben auf das P. Institut geht, sondern um Regelungen zu Inhalt und Durchführung der Mitarbeiterbefragung.
Dem Verfügungsanspruch steht nicht entgegen, dass einzelne Fragen in dem Fragebogen keinen Gesundheitsbezug haben. Zwar gilt der Grundsatz, dass eine einzelne mitbestimmungspflichtige Regelung nicht dazu führt, dass ein Gesamtwerk insgesamt der Mitbestimmungspflicht unterliegen würde [15]. Begehrt der Betriebsrat die Feststellung, dass ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich eines Gesamtwerks besteht, kann einem solchen Antrag nur insgesamt entsprochen werden oder er muss insgesamt zurückgewiesen werden [16]. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn es sich um ein unauflösbares Gesamtwerk handelt.
Maßgeblich ist vorliegend, dass der Fragebogen von der Arbeitgeberin als Einheit angesehen wird, insofern also nicht einzelne Fragen aus dem Gesamtkontext herausgelöst werden können. Aus diesem Grund geht es vorliegend um die Frage, ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich des Fragebogens in der Gestalt hat, wie ihn die Arbeitgeberin vorgelegt haben. Dies ist der Fall, da die Fragen überwiegend einen Bezug zur Arbeitsplatzgestaltung und zu psychischen Belastungen am Arbeitsplatz haben. Der Fragebogen in seiner Gesamtheit unterliegt damit der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.
Arbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 23. Dezember 2014 – 27 BVerwaltungsgerichta 4/14
- BAG v. 27.01.2004 – 1 ABR 7/03, juris; v. 03.05.1994 – 1 ABR 24/93, juris; Fitting, BetrVG, 26. Aufl.2012, § 87 Rn. 596 und § 23 Rn. 99 ff. m. w. N.[↩]
- BAG v. 18.03.2014 – 1 ABR 73/12 18 f. m.w.N.[↩]
- HK-ArbSchR/Blume/Faber, 2014, § 3 ArbSchG Rn. 15[↩]
- vgl. BAG v. 08.06.2004 – 1 ABR 4/03 25[↩]
- BAG v. 12.08.2008 – 9 AZR 1117/06 23[↩]
- vgl. Wiese/Gutzeit, in: GK BetrVG, Bd. II, 10. Aufl.2014, § 87 Rn. 59, unter Verweis auf BVerwG v. 25.08.1986 – 6 P 16/8419; in diesem Sinne wohl auch Hessisches LAG v. 29.08.2002 – 5 TaBVGa 91/02 26[↩]
- vgl. BAG v. 06.12.1983 – 1 ABR 43/81[↩]
- BAG v. 18.03.2014 – 1 ABR 73/12 24[↩]
- vgl. HK-ArbSchR/Nitsche, 2014, § 87 BetrVG Rn. 31[↩]
- vgl. Hessisches LAG v. 29.08.20002 – 5 TaBVGa 91/02 27[↩]
- vgl. Hessisches LAG v. 11.02.1999 – 5 TaBV 29/98 31[↩]
- BAG v. 18.04.2000 – 1 ABR 22/99 26[↩]
- BAG v. 18.08.2009 – 1 ABR 43/08[↩]
- vgl. zu Regelungen der Organisation des Arbeitsschutzes BAG v. 18.03.2014 – 1 ABR 73/12 14, 27[↩]
- BAG v. 22.07.2008 – 1 ABR 40/07 41, 45[↩]
- BAG v. 22.07.2008, 1 ABR 40/07 37[↩]