Mitnahme eines im Betrieb ausgesonderten Gegenstandes

Es reicht zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung nicht automatisch aus, dass die Mitnahme eines im Betrieb ausgesonderten Gegenstandes nicht erlaubt war. Es ist immer eine konkrete Einzelfallprüfung mit Interessenabwägung vorzunehmen. Im konkreten Einzelfall kann sich ein Eingriff in das Eigentum des Arbeitgebers auch als nur abzumahnende Eigenmächtigkeit erweisen. Nicht aus jedem unkorrekten, eigentumsrechtlich relevanten Verhalten eines Arbeitnehmers kann darauf geschlossen werden, dass ihm eine an Korrektheit und Ehrlichkeit ausgerichtete Grundhaltung fehlt. Dies urteilte jetzt das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in einem Kündigungsschutzprozess, in dem es um ein Werkbankteil ging, und bestätigte damit ein gleichlautendes Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn1.

Mitnahme eines im Betrieb ausgesonderten Gegenstandes

Für eine Kündigung aus Anlass eines bestimmten Verhaltens eines Arbeitnehmers gilt das sogenannte Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose2. Die Abmahnung ist zugleich aber auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt, der durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren hat, ist auch bei Störungen des Vertrauensbereichs zu beachten. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist3. Selbst bei Störungen des Vertrauensbereiches durch Eigentums- und Vermögensdelikte kann es danach Fälle geben, in denen eine Abmahnung nicht ohne weiteres entbehrlich erscheint. Dies gilt etwa, wenn dem Arbeitnehmer zwar die Verbotswidrigkeit seines Verhaltens hinreichend klar ist, er aber Grund zu der Annahme haben durfte, der Arbeitgeber würde dieses nicht als ein so erhebliches Fehlverhalten werten, dass dadurch der Bestand des Arbeitsverhältnisses auf dem Spiel stünde4.

Weiterlesen:
Prüfungsmaßstab des Integrationsamtes bei der Schwerbehinderten-Kündigung

Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen. Zunächst kommt der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen beanstandungsfreiem Bestand ein besonderes Gewicht zu. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist auch zu berücksichtigen, wenn eine Kündigung auf ein Vermögensdelikt zu Lasten des Arbeitgebers gestützt wird5. Ferner können das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, das Maß der dem Arbeitgeber entstandenen Schädigung und auch die Frage in Betracht kommen, ob dem Verhalten des Arbeitnehmers eine besondere Verwerflichkeit innewohnt. Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können – je nach Lage des Falles – Bedeutung gewinnen6.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 13. Januar 2010 – 3 Sa 324/09

  1. ArbG Elmshorn, Urteil vom 17.07.2009 – 2 Ca 723 c/09[]
  2. BAG, 23.06.2009 – 2 AZR 103/08, m. w. N.[]
  3. BAG, 15.11.2007 – 2 AZR 605/00; BAG, 23.06.2009 – 2 AZR 103/08[]
  4. BAG 23.06.2009, a.a.O.[]
  5. BAG 27.04.2006 – 2 AZR 415/05[]
  6. BAG, 27.04.2006, a.a.O.[]