Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt.

Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Für Zeiten ohne Arbeitsleistung begründet das Mindestlohngesetz keine Ansprüche.
In die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbare Entgelttarifverträge greift das Mindestlohngesetz nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch.
Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält.
Dabei sind alle im Synallagma stehenden Entgeltleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Erfüllungswirkung fehlt solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhen1.
Dies bedeutet:
- Einem Nachtarbeitszuschlag kommt hinsichtlich des Mindestlohns keine Erfüllungswirkung zu.
- Bei den Zahlungen für einen Feiertag bzw. beim „Urlaubslohn“ handelt es sich um Vergütungszahlungen, die gerade nicht als Gegenleistung für geleistete Arbeit erfolgt sind, sondern für Zeiten ohne Arbeitsleistung. Mindestlohnansprüche können dadurch nicht erfüllt werden.
- Gleiches gilt im Hinblick auf die als „Urlaubsgeld“ geleistete Zahlung. Nach dem im vorliegenden Fall kraft Nachwirkung geltenden Tarifvertrag bemisst sich das „Urlaubsentgelt“ nach dem 1, 5-fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienst. Dieser Anspruch wird nur dann durch die geleisteten Zahlungen der Arbeitgeberin (weitgehend) erfüllt, wenn die Positionen „Urlaubslohn“ und „Urlaubsgeld“ zusammengerechnet werden. Dabei kann hier dahinstehen, ob es sich bei dem tariflichen Anspruch insgesamt um Urlaubsentgelt iSv. § 11 BUrlG handelt oder ob der den regelmäßigen Vergütungsanspruch übersteigende Teil entgegen seiner Benennung der Sache nach eine neben dem Urlaubsentgelt gewährte zusätzliche Leistung für den Urlaub darstellt. Von einem solchen Verständnis scheint die Arbeitgeberin nach der Bezeichnung in der Lohn-/Gehaltsabrechnung ausgegangen zu sein. In beiden Fällen kommt einer derartigen Leistung keine Erfüllungswirkung hinsichtlich des gesetzlichen Mindestlohns zu, unabhängig davon, dass dann der tarifliche Anspruch seinerseits nicht erfüllt wäre. Handelt es sich um Urlaubsentgelt, stellt dieses keine Gegenleistung für geleistete Arbeit dar. Handelt es sich hingegen um Urlaubsgeld, das – wie hier – tariflich akzessorisch an das Entstehen des Anspruchs auf Erholungsurlaub anknüpft und entsprechend pro Urlaubstag gezahlt wird, verfolgt es denselben arbeitsleistungsunabhängigen Zweck und dient nicht der Vergütung für geleistete Arbeit2.
Dass die Arbeitsvertragsparteien insoweit eine von der nachwirkenden tarifvertraglichen Bestimmung abweichende Vereinbarung iSv. § 4 Abs. 5 TVG getroffen hätten3, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Im Übrigen hat auch die Arbeitgeberin nicht behauptet, es sei eine Urlaubsgeldzahlung vereinbart worden, die unabhängig von der Urlaubsgewährung und vorbehaltlos als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung erfolgen sollte4.
Ein Anspruch auf eine Bruttovergütung von 8, 50 Euro für die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfallenden Arbeitsstunden ergibt sich allerdings nicht aus dem Mindestlohngesetz. Für Zeiten ohne Arbeitsleistung begründet das Mindestlohngesetz keine unmittelbaren Ansprüche5. Die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs ergibt sich vielmehr für Feiertage aus § 2 Abs. 1 EFZG. Danach hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Hiervon darf gemäß § 12 EFZG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Das hiernach maßgebliche Entgeltausfallprinzip verlangt, den Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG als Geldfaktor in die Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs einzustellen6, soweit nicht aus anderen Rechtsgründen ein höherer Vergütungsanspruch besteht. Eine von § 2 EFZG abweichende Regelung trifft das Mindestlohngesetz nicht.
Ein Anspruch auf einen bestimmten Nachtarbeitszuschlag ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Mindeslohngesetz. Dieses lässt arbeits- bzw. tarifvertragliche Vergütungsansprüche unberührt und legt grundsätzlich keine bestimmte Höhe von Sonderzahlungen oder Zuschlägen fest7.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. September 2017 – 10 AZR 171/16
- grundsätzlich dazu BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, BAGE 155, 202; vgl. zur Erfüllungswirkung umfassend auch BAG 21.12 2016 – 5 AZR 374/16, BAGE 157, 356[↩]
- vgl. dazu BAG 22.07.2014 – 9 AZR 981/12, Rn. 24 ff.[↩]
- vgl. dazu zB BAG 22.10.2008 – 4 AZR 789/07, Rn. 27, BAGE 128, 175[↩]
- vgl. zu diesem Erfordernis BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, Rn. 33, BAGE 155, 202[↩]
- BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, Rn.19, BAGE 155, 202[↩]
- vgl. BAG 13.05.2015 – 10 AZR 495/14, Rn. 29 f., BAGE 151, 331 [zum TV Mindestlohn für pädagogisches Personal][↩]
- BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, Rn. 34, BAGE 155, 202[↩]