Ne ultra petita – und die Formulierung des Unterlassungsantrags

Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Umgekehrt darf die beklagte Partei nicht zu etwas anderem verurteilt werden als zu dem, worauf sie ihre Verteidigung einrichten musste. Das ist Ausdruck der den Zivilprozess beherrschenden Dispositionsmaxime. Das Gericht darf der klagenden Partei weder quantitativ mehr noch qualitativ etwas anderes zuerkennen. Ein in den Vorinstanzen erfolgter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten1.

Ne ultra petita – und die Formulierung des Unterlassungsantrags

Entscheidend für die Beurteilung der Frage, welchen Streitgegenstand ein Kläger mit einem Antrag zur Entscheidung gestellt und über welchen Streitgegenstand das Gericht entschieden hat, ist nicht allein der Wortlaut von Antrag und Urteilsausspruch. Es kommt vielmehr auf deren – ggf. durch Auslegung zu ermittelnden – streitgegenständlichen Inhalte an. Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet2. Nach diesem „zweigliedrigen Streitgegenstand“ im Zivilprozess kennzeichnet allein das Klageziel den Streitgegenstand nicht. Zum Streitgegenstand zählen vielmehr alle Tatsachen, die bei einer natürlichen; vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, der zur Stützung des Rechtsschutzbegehrens unterbreitet wird3. Der Streitgegenstand wird ausschließlich vom Kläger mit seinem Klagebegehren bestimmt. Das Vorbringen des Beklagten oder Verteidigungsvorbringen des Klägers gegenüber dem Beklagtenvortrag verändert den vom Kläger mit seinem Antrag und seinem Klagevorbringen festgelegten Streitgegenstand nicht4. Er ändert sich iSv. § 263 ZPO jedoch dann, wenn zwar nicht der gestellte Antrag als solcher, aber der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist5.

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Bei einem Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot einer bestimmten – als rechtswidrig angegriffenen – Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag sowie seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat und mit dem Antrag abstrahierend beschreiben muss. Die Verletzungshandlung stellt den Klagegrund dar, durch den der Streitgegenstand der Unterlassungsklage neben dem Klageziel bestimmt wird6. Die umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt den Inhalt des Klagebegehrens.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. November 2014 – 1 AZR 257/13

  1. BAG 28.02.2006 – 1 AZR 460/04, Rn. 10 mwN, BAGE 117, 137[]
  2. vgl. zB BAG 26.06.2013 – 5 AZR 428/12, Rn. 16 mwN[]
  3. vgl. BAG 15.05.2013 – 7 AZR 665/11, Rn. 23, BAGE 145, 142; 11.10.2011 – 3 AZR 795/09, Rn. 17 mwN; vgl. zum identischen Streitgegenstandsbegriff im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zB BAG 5.03.2013 – 1 ABR 75/11, Rn. 13[]
  4. BAG 25.09.2013 – 10 AZR 454/12, Rn. 17, BAGE 146, 123; BGH 23.07.2008 – XII ZR 158/06, Rn.20[]
  5. BAG 2.10.2007 – 1 ABR 79/06, Rn. 18[]
  6. vgl. BAG 19.01.2010 – 1 ABR 55/08, Rn. 16 mwN, BAGE 133, 75[]