Wenn der Arbeitgeber, anstatt die Arbeitszeiten der aufstockungswilligen Teilzeitbeschäftigten zu verlängern, weitere Teilzeitarbeitsplätze ohne höhere Arbeitszeit einrichtet, müssen für diese Entscheidung arbeitsplatzbezogene Sachgründe bestehen1. Ansonsten steht dem Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG zu.

Ein erhöhter Organisationsaufwand in Vertretungsfällen wie Urlaub und Krankheit ist hinzunehmen. Höhere Krankenstände und eine größere Zahl von Betriebsunfällen in Doppelschichten sind nicht zwingend auf die höhere Arbeitszeit zurückzuführen. Eine Einschränkung der Flexibilisierung des Personaleinsatzes durch Mehrarbeit ist im Falle der Arbeitszeitverlängerung nicht erkennbar.
Hat ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer den Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitszeit nach § 9 TzBfG geltend gemacht und beabsichtigt der Arbeitgeber, den entsprechenden freien Arbeitsplatz mit einem anderen Arbeitnehmer zu besetzen, steht dem Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG zu. Bei einer anderweitigen Besetzung des freien Arbeitsplatzes könnte der an einer Aufstockung seiner Arbeitszeit interessierte Teilzeitarbeitnehmer den Nachteil erleiden, seinen Rechtsanspruch nach § 9 TzBfG nicht mehr durchsetzen zu können. Denn die Erfüllung des Anspruchs eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers aus § 9 TzBfG ist rechtlich unmöglich iSv. §§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 281 Abs. 2, § 283 Satz 1 BGB, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz endgültig mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt. Der Arbeitnehmer hat dann wegen der unterbliebenen Verlängerung der Arbeitszeit einen Schadensersatzanspruch2.
§ 9 TzBfG verpflichtet den Arbeitgeber, einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer dem entgegenstehen. Die Vorschrift begründet einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Verlängerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Ein angezeigter Verlängerungswunsch verpflichtet den Arbeitgeber nicht schon dazu, dem Arbeitnehmer bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einen Vertragsantrag iSv. § 145 BGB auf Abschluss eines Arbeitsvertrags mit erhöhter Arbeitszeit zu unterbreiten. Vielmehr löst die Anzeige des Arbeitnehmers die in § 7 Abs. 2 TzBfG bestimmten Pflichten des Arbeitgebers aus. Er hat den Arbeitnehmer über den freien Arbeitsplatz zu informieren. Es ist dann der Entscheidung des Arbeitnehmers überlassen, ob er seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu dem vom Arbeitgeber vorgesehenen Termin und im entsprechenden Umfang erhöhen will. Ist das der Fall, so hat er ein hierauf bezogenes Vertragsangebot an den Arbeitgeber zu richten3.
Der Anspruch nach § 9 TzBfG setzt voraus, dass ein entsprechender freier Arbeitsplatz zu besetzen ist. Dazu muss zumindest ein freier und nach dem Willen des Arbeitgebers zu besetzender Arbeitsplatz vorhanden sein. Der Arbeitnehmer hat regelmäßig keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber einzurichtende und zu besetzende Arbeitsplätze nach den Arbeitszeitwünschen des Arbeitnehmers schafft, zuschneidet oder ihm die für einen anderen (Teilzeit-) Arbeitsplatz vorgesehene Arbeitszeit ganz oder teilweise zuteilt. Die Organisationsfreiheit des Arbeitgebers darf jedoch nicht zur Umgehung des § 9 TzBfG genutzt werden. Wenn der Arbeitgeber, anstatt die Arbeitszeiten der aufstockungswilligen Teilzeitbeschäftigten zu verlängern, weitere Teilzeitarbeitsplätze ohne höhere Arbeitszeit einrichtet, müssen für diese Entscheidung arbeitsplatzbezogene Sachgründe bestehen4. Dem Arbeitgeber ist es nicht überlassen, ob er generell nur Teilzeitstellen oder nur Vollzeitstellen einrichtet. Vielmehr ist hierfür das Vorliegen arbeitsplatzbezogener Gesichtspunkte unerlässlich. Der gesetzlich eingeräumte Anspruch auf Berücksichtigung von Verlängerungswünschen kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass ohne Rücksicht auf arbeitsplatzbezogene Erfordernisse ausschließlich Teilzeitstellen mit einem ganz bestimmten Stundenmaß eingerichtet werden5.
Im vorliegend vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschiedenen Fall liegen die allgemeinen Voraussetzungen für das Verlängerungsbegehren der 15 namentlich genannten Mitarbeiter vor. Die Arbeitgeberin besetzt permanent freiwerdende Arbeitsplätze. Die gleiche Eignung der bereits im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer mit den neu einzustellenden Arbeitnehmern ist nicht streitig. Dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, die entgegenstehen könnten, sind nicht vorgetragen. Damit reduziert sich der Fall auf die Rechtmäßigkeit der Organisationsentscheidung der Arbeitgeberin. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts anerkennt die Kammer die von der Arbeitgeberin vorgebrachten Gründe für ihre behauptete Organisationsentscheidung, grundsätzlich keine Doppelschichtarbeitsplätze einzurichten, nicht.
Die Einschränkung der Flexibilisierung durch Mehrarbeit bei Doppelschichten kann die Kammer nicht erkennen. Nach § 6 der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit kann die Arbeitgeberin mit Zustimmung des Betriebsrats bei einer Arbeitszeit in der Doppelschicht von 34 Stunden pro Woche und 6 Stunden und 48 Minuten pro Tag Mehrarbeit im Umfang von 3 Stunden und 12 Minuten pro Tag und 16 Stunden in der Woche anordnen. Ein weitergehender Bedarf der Arbeitgeberin ist schon deshalb nicht erkennbar, weil sie zwischen zwei Schichten 30 – 45 Minuten Umrüstzeit benötigt und daher eine Schicht nicht unbegrenzt verlängern kann. Soweit die Arbeitgeberin geltend macht, sie setze die Arbeitnehmer gestaffelt ein, ist sie darauf hinzuweisen, dass sie dann immer noch die Möglichkeit hat, die in Doppelschicht tätigen Arbeitnehmer später beginnen zu lassen, so dass der Zeitrahmen für die Mehrarbeit ausreicht. Soweit die Arbeitgeberin geltend gemacht hat, in Doppelschicht tätige Arbeitnehmer seien regelmäßig nicht bereit, Mehrarbeit zu leisten, hat der Betriebsrat unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die Arbeitnehmer dazu in den Arbeitsverträgen verpflichtet seien und dass die Arbeitgeberin die Möglichkeit habe, diese Mehrarbeit mit Zustimmung des Betriebsrats anzuordnen. Die Kammer hält daher die vorgebrachten Erschwernisse bei der Arbeitszeiteinteilung für zumutbar und für keinen sachlichen Grund zur Rechtfertigung des behaupteten Organisationmodells.
Auch die behaupteten Erschwernisse bei Krankheits- und Urlaubsvertretung sind nach Auffassung der Kammer keine ausreichenden sachlichen Gründe. Es ist richtig, dass die Arbeitgeberin einen in Doppelschicht tätigen Arbeitnehmer im Zweifel durch zwei in Einzelschicht tätige Arbeitnehmer ersetzen muss. Diesen Aufwand hält die Kammer für zumutbar und nicht geeignet, den Verlängerungswunsch nach § 9 TzBfG zu verweigern. Ausfallzeiten durch Urlaub und Krankheit sind dem Betriebsablauf immanent und haben deshalb außer Betracht zu bleiben6.
Die Pausen zwischen den Schichten bewegen sich zwischen 30 – 45 Minuten und 2,5 Stunden. Eine Regelung mit dem Betriebsrat zur Beschränkung der Pausen ist bislang nicht getroffen. Eine unzumutbare Einschränkung der Flexibilität der Beklagten bei ihrer Personaleinsatzplanung ist daher auch diesbezüglich nicht anzuerkennen.
Schließlich ist auch der behauptete höhere Krankenstand und die höhere Zahl von Arbeitsunfällen bei den in Doppelschicht tätigen Arbeitnehmern kein ausreichender Sachgrund. Der Betriebsrat hat unwidersprochen vorgetragen, in den Einzelschichten seien vorwiegend Mitarbeiter mit Probezeit oder befristeten Verträgen tätig. Auch hieraus könne die niedrigere Krankenquote erfolgen. Dagegen seien in den Doppelschichten vorwiegend ältere Mitarbeiter tätig. Die Kammer hält insoweit die Argumentation der Arbeitgeberin, sie müsse Gesundheitsgefahren für die Mitarbeiter abwehren, für vorgeschoben, um ihre Organisationsentscheidung, nur Arbeitsplätze in einer Schicht anzubieten, durchzusetzen.
Der Betriebsrat hat daher seine Zustimmung zu den streitgegenständlichen Einstellungen und der einen Versetzung zu Recht verweigert. Die Anträge der Arbeitgeberin auf Zustimmungsersetzung, Feststellung der sachlichen Rechtfertigung der vorläufigen Maßnahme und Feststellung des Nichtbestehens eines Mitbestimmungsrechts sind als unbegründet zurückzuweisen.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. März 2013 – 6 TaBV 9/12