Ein Nichtigkeitsantrag im Wiederaufnahmeverfahren ist auch statthaft, wenn die Entscheidung, die er sich wendet, kein Urteil, sondern ein Beschluss ist.

Zwar setzt § 578 Abs. 1 ZPO voraus, dass das Verfahren, das wieder aufgenommen werden soll, durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossen wurde. Über den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus ist die Wiederaufnahme des Verfahrens jedoch auch dann statthaft, wenn die letzte Entscheidung ein urteilsvertretender Beschluss war, etwa eine Entscheidung nach § 522 Abs. 1 ZPO oder § 552 ZPO, durch den die Berufung oder Revision als unzulässig verworfen worden ist [1]. Gleiches gilt auch für einen Beschluss, durch den – wie im vorliegenden Fall – eine Nichtzulassungsbeschwerde verworfen wird. Auch durch einen solchen Beschluss wird das Verfahren beendet [2], da nach § 72a Abs. 5 Satz 6 ArbGG mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig wird. Zu entscheiden ist in diesem Fall nicht aufgrund einer „Nichtigkeitsklage“, sondern aufgrund eines Antrags durch Beschluss, der entsprechend § 72a Abs. 5 ArbGG ergehen kann, wobei die mündliche Verhandlung freigestellt ist [3].
Richtet sich ein Nichtigkeitsantrag gegen einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers verworfen oder zurückgewiesen worden ist, muss der Antragsteller darlegen, dass gerade dieser Beschluss auf einem Nichtigkeitsgrund (§ 579 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 ZPO) beruht [4].
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf [5]. Ihr fehlt es an dem ein Rechtsmittel kennzeichnenden Devolutiveffekt. Der Rechtsstreit fällt nicht als solcher beim Bundesarbeitsgericht an. Es geht nicht um die Überprüfung der Sachentscheidung des Landesarbeitsgerichts, sondern um die Frage, ob das Rechtsmittel gegen diese Sachentscheidung überhaupt erst zugelassen werden kann [6]. Dabei ist das Revisionsgericht auf die Tatbestände des § 72a ArbGG beschränkt.
Eine Wiederaufnahme des Zulassungsverfahrens ist deshalb nur möglich, wenn die Wiederaufnahmegründe entweder die Tatbestände des § 72a ArbGG oder das Zulassungsverfahren selbst betreffen [7]. Wiederaufnahmegründe, die den Rechtsstreit im Übrigen betreffen, sind bei dem Gericht anzubringen, das den Rechtsstreit in der Sache entschieden hat.
Die Tatsachen, aus denen der Antragsteller einen Wiederaufnahmegrund ableitet, müssen schlüssig vorgetragen werden. Schlüssiges Behaupten erfordert, dass bei Unterstellung, die tatsächlichen Behauptungen träfen zu, ein Wiederaufnahmegrund gegeben wäre [8].
Danach sind Nichtigkeitsgründe im vorliegenden Fall nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht schlüssig dargelegt:
Das gilt zunächst für den Nichtigkeitsgrund nach § 79 Satz 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war und damit die Besetzung der Richterbank bei der Entscheidung fehlerhaft war [9]. Ein Nichtigkeitsgrund liegt nicht schon dann vor, wenn die Besetzung auf einer irrigen Gesetzesauslegung oder irrtümlichen Abweichung von Festsetzungen des Geschäftsverteilungsplanes beruht, es muss sich vielmehr um eine klar zutage liegende Gesetzesverletzung handeln, die auf einer nicht mehr hinnehmbaren Rechtsansicht und damit auf objektiver Willkür beruht [10].
Die Klägerin macht geltend, das Bundesarbeitsgerichtsvorsitzende (gemeint ist offensichtlich die damalige Vorsitzende des Dritten Senats, Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl) sei befangen gewesen und hätte deshalb an der Beschlussfassung nicht mitwirken dürfen. Dieser Vortrag genügt jedoch nicht für die schlüssige Darlegung der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Bundesarbeitsgerichts bei der Beschlussfassung. Die Begründung der Nichtigkeitsklage bezieht sich einzig darauf, dass die Bundesarbeitsgerichtsvorsitzende befangen gewesen sei, weil sie vor der Entscheidung ihre Hinweispflicht verletzt habe. Damit zeigt die Klägerin keinen Nichtigkeitsgrund iSv. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf [11]. Eine angebliche Befangenheit eines Mitglieds des Gerichts betrifft nur den Nichtigkeitsgrund nach § 79 Satz 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
Der Nichtigkeitsgrund nach § 79 Satz 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt.
Nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war. Da es nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht ausreicht, wenn nur die Möglichkeit einer Ablehnung bestand oder der Richter sich selbst hätte ablehnen müssen, genügt es nicht, wenn direkt aus dem angegriffenen Berufungsurteil hervorgeht, dass objektiv die Besorgnis der Befangenheit bestanden hat und eine Ablehnung erfolgreich gewesen wäre [12]. Ob angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach auch ein Verstoß gegen § 48 ZPO die Aufhebung eines Urteils durch das Rechtsmittel der Revision rechtfertigen kann [13], an diesem am Wortlaut orientierten Verständnis von § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO festzuhalten ist, bedarf keiner Entscheidung. Die Klägerin hat keinen nach § 48 ZPO anzeigepflichtigen Sachverhalt behauptet, sondern ausschließlich geltend gemacht, dass sie die Vorsitzende wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Hinweispflicht abgelehnt hätte. Nach dem Rechtsgedanken des § 579 Abs. 2 ZPO geht bei einem angeblichen Verstoß gegen die Hinweispflicht zudem das Verfahren nach § 78a ArbGG dem Nichtigkeitsantrag vor.
Schließlich hat die Klägerin den Nichtigkeitsgrund nach § 79 Abs. 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht schlüssig dargelegt.
Nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Zwar war lange Zeit umstritten, ob auch bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in analoger Anwendung von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine Nichtigkeitsklage zulässig ist [14]. Spätestens mit der Einführung von § 321a ZPO und § 78a ArbGG ist das Bedürfnis für eine solche Analogie jedoch entfallen. Gegen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs kann und muss nunmehr eine Anhörungsrüge erhoben werden. Daher fehlt es nach Einführung dieses speziellen Rechtsbehelfs an einer für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.
Danach hat die Klägerin auch keinen Nichtigkeitsgrund nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO dargelegt. Sie macht nicht geltend, ihre Vertretung sei nicht nach dem Gesetz erfolgt; vielmehr rügt sie lediglich einen vermeintlichen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Dies genügt jedoch nicht für eine Darlegung des Nichtigkeitsgrundes nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Juli 2015 – 6 AZR 687/14
- BAG 11.01.1995 – 4 AS 24/94, zu II 1 der Gründe; 20.01.1955 – 2 AZR 300/54, zu I der Gründe, BAGE 1, 228[↩]
- BAG 18.10.1990 – 8 AS 1/90, zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 66, 140[↩]
- vgl. BAG 12.09.2012 – 5 AZN 1743/12 (F), Rn. 3; 11.01.1995 – 4 AS 24/94 – aaO; 18.10.1990 – 8 AS 1/90 – aaO; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 79 Rn. 1[↩]
- BAG 12.09.2012 – 5 AZN 1743/12 (F), Rn. 4[↩]
- BAG 1.04.1980 – 4 AZN 77/80, BAGE 33, 79[↩]
- BAG 8.06.2010 – 6 AZN 163/10; 9.07.2003 – 5 AZN 316/03[↩]
- vgl. BAG 18.10.1990 – 8 AS 1/90, BAGE 66, 140 zur nicht ordnungsgemäßen Vertretung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren[↩]
- BAG 12.09.2012 – 5 AZN 1743/12 (F), Rn. 7[↩]
- vgl. Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 579 Rn. 2[↩]
- BGH 22.11.1994 – X ZR 51/92, zu II 5 der Gründe[↩]
- vgl. dazu im Einzelnen Stein/Jonas/Jacobs 22. Aufl. § 547 Rn. 8 ff.[↩]
- vgl. BGH 9.11.1992 – II ZR 230/91, zu 1 der Gründe, BGHZ 120, 141; vgl. Wieczorek/Schütze/Prütting 3. Aufl. § 547 ZPO Rn. 27[↩]
- vgl. hierzu BGH 15.12 1994 – I ZR 121/92, zu II 2 c der Gründe[↩]
- dagegen: BGH 11.12 2002 – XII ZR 51/00, zu 2 und 3 der Gründe, BGHZ 153, 189; BAG 21.07.1993 – 7 ABR 25/92, zu B I 3 der Gründe, BAGE 73, 378[↩]