Eine Nichtverlängerungsmitteilung kann aufgrund einer unzureichenden Anhörung des Bühnenbeschäftigten vor ihrem Ausspruch nach § 61 Abs. 5 Satz 2 iVm. Abs. 4 des Normalvertrags Bühne vom 15.10.2002 (hier: in der bis zum 31.07.2019 geltenden Fassung des 10. Änderungstarifvertrags vom 22.09.2017; NV Bühne) unwirksam sein.

Nach § 61 Abs. 5 Satz 2 NV Bühne ist eine Nichtverlängerungsmitteilung unwirksam, wenn es der Arbeitgeber unterlässt, das Solomitglied fristgerecht zu hören. Diese Rechtsfolge tritt nicht nur ein, wenn der Arbeitgeber eine Anhörung vollständig unterlässt. Die Nichtverlängerungsmitteilung ist vielmehr auch dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber die tariflich vorgesehene Anhörung nicht ordnungsgemäß durchführt1. Ordnungsgemäß ist eine Anhörung des Solomitglieds nur, wenn der Arbeitgeber hierbei den nach dem NV Bühne bestehenden Obliegenheiten nachkommt. Der Arbeitgeber hat daher insbesondere die Regelungen in § 61 Abs. 4 bis 6 NV Bühne zu beachten2.
Nach § 61 Abs. 4 Satz 1 NV Bühne hat der Arbeitgeber das Solomitglied zu hören, bevor er eine Nichtverlängerungsmitteilung ausspricht. Dem Anzuhörenden sind die Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerungsmitteilung zur Kenntnis zu geben, um ihm eine sachliche Stellungnahme hierzu zu ermöglichen. Die Anhörung darf sich nicht auf eine pauschale, schlagwort- oder stichwortartige Bezeichnung der Gründe beschränken. Es bedarf vielmehr einer auf die Person des betroffenen Bühnenmitglieds konkret bezogenen und nachvollziehbaren Begründung für die beabsichtigte Nichtverlängerung, damit der Arbeitnehmer bei der Darlegung seines Standpunkts auf sie eingehen kann3. Ausreichend ist es, dass der Intendant seine subjektive Motivation für die Nichtverlängerung des Vertrags offenlegt. Da ein wirksam befristetes Arbeitsverhältnis allein aufgrund der vereinbarten Befristung endet und die Tarifvertragsparteien auf die Festlegung materieller Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung verzichtet haben, ist die Nichtverlängerungsmitteilung nicht darauf zu überprüfen, ob sie durch das Vorliegen objektiver Gründe gerechtfertigt ist4.
Zu einer ordnungsgemäßen Anhörung gehört, dass diese durch die beim Arbeitgeber entscheidungsbefugte(n) Person(en) oder entsprechend der maßgeblichen Vertretungsregelung erfolgt5. Im Übrigen ist das Solomitglied nach § 61 Abs. 4 Satz 2 NV Bühne fünf Tage vor der Anhörung schriftlich hierzu zu laden. Die Ladung muss erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die Anhörung den beabsichtigten Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung betreffen soll. Im Ladungsschreiben müssen die Gründe für die Nichtverlängerung allerdings noch nicht mitgeteilt werden6.
Die Anhörung im Anhörungstermin beginnt mit der Mitteilung der Gründe durch den Arbeitgeber7. Das schließt zwar nicht kategorisch aus, dass sich der Arbeitgeber hierbei auf bereits zuvor – etwa mit der Ladung zum Anhörungstermin – mitgeteilte Gründe beziehen kann. Diese Annahme vermag aber als Ausnahme nur zu greifen, wenn die (nochmalige) Angabe von Gründen im Anhörungsgespräch eine bloße Förmelei darstellen würde. Sie verbietet sich von vornherein bei einer Bezugnahme auf Gründe, die Gegenstand von – und sei es zeitnah – vor der förmlichen Einladung zur Anhörung geführten Gesprächen waren. Das geben die Maßgaben des tarifvertraglichen Anhörungserfordernisses als Folge einer an dessen Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Systematik orientierten Auslegung vor8.
Eine entsprechende Konkretisierung der Anhörungspflicht ist dem Wortlaut von § 61 Abs. 4 Satz 1 NV Bühne zwar nicht unmittelbar zu entnehmen. Danach hat der Arbeitgeber das Solomitglied vor dem Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung schlicht „zu hören“. Allerdings spricht bereits der allgemeine und insbesondere der juristische Sprachgebrauch, der unter „zu hören“ nicht lediglich ein stummes, reaktionsloses Abwarten des Anhörenden versteht, eher dafür, dass dem Anzuhörenden zuvor der konkrete Sachverhalt, zu dem er gehört werden soll, bekannt gegeben sein muss. Für das Bühnenmitglied ist daher die Kenntnis der Gründe für die in Aussicht genommene Nichtverlängerungsmitteilung erforderlich, um dazu Stellung nehmen und seine Gegenargumente vorbringen zu können9. Dieses Wortlautverständnis erfordert eine Ausgestaltung der Anhörungspflicht des Arbeitgebers, die Unklarheiten auf Seiten des Bühnenmitglieds über den genauen Inhalt der Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerungsmitteilung so weit wie möglich ausschließt.
Ausgehend hiervon streiten insbesondere Sinn und Zweck von § 61 Abs. 4 NV Bühne gegen die Annahme, der Verpflichtung zur Mitteilung von Gründen für die beabsichtigte Nichtverlängerung des Vertrags sei durch eine Bezugnahme auf Gespräche, die vor der förmlichen Einladung zur Anhörung stattgefunden haben, genügt. Die Anhörung soll dem Bühnenmitglied Gelegenheit geben, zu den mitgeteilten Gründen für die Nichtverlängerung Stellung zu nehmen und die aus seiner Sicht für die Vertragsverlängerung sprechenden Umstände anzugeben, so dass der Arbeitgeber seine Entscheidung zum Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung unter Berücksichtigung der von dem Bühnenmitglied vorgetragenen Gegenargumente überdenken und überprüfen kann10. Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn sichergestellt ist, dass das Bühnenmitglied in der Anhörung hinsichtlich der genauen Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerungsmitteilung keinen Zweifeln unterliegt. Der zweckgebotenen Eindeutigkeit und Unmissverständlichkeit genügt die Darstellung der Gründe durch eine Bezugnahme auf mündliche Gespräche, die vor Beginn des förmlichen Anhörungsverfahrens stattfanden, nicht. Die Einladung des Solomitglieds zur Anhörung, die nach § 61 Abs. 4 Satz 2 NV Bühne schriftlich und fünf Tage vor der Anhörung zu erfolgen hat, markiert den Beginn des Anhörungsverfahrens. Dem Bühnenmitglied ist förmlich und mit einem zeitlichen Mindestabstand zum Anhörungstermin zur Kenntnis zu geben, dass nun der Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung droht. Frühestens mit Zugang der Ladung zur Anhörung ist sichergestellt, dass das Bühnenmitglied etwaigen vom Arbeitgeber benannten Gründen für eine auszusprechende Nichtverlängerungsmitteilung die nötige Ernsthaftigkeit zuerkennt. Mündlichen Ausführungen des Arbeitgebers in Gesprächen vor Beginn des förmlichen Anhörungsverfahrens hingegen muss das Bühnenmitglied noch keine ernsthafte Relevanz für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses beimessen. Vielmehr besteht in dieser Situation bei generalisierender Betrachtung die Gefahr, dass dem Bühnenmitglied Inhalte von Äußerungen des Arbeitgebers bei der späteren Anhörung nicht mehr derart präsent sind, dass es ihm möglich wäre, hierauf einzugehen. Auch wäre das Bühnenmitglied dann darauf angewiesen, gleichsam auf Verdacht Argumente gegen die Nichtverlängerung seines Arbeitsvertrags vorzutragen, die aus Sicht des Arbeitgebers diese ggf. gar nicht – oder nicht ausschlaggebend – tragen sollen.
Hinzu kommt, dass die Tarifvertragsparteien auf die Festlegung materieller Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung verzichtet haben. Die Nichtverlängerungsmitteilung ist demnach nicht darauf zu überprüfen, ob sie durch das Vorliegen objektiver Gründe gerechtfertigt ist. Der Sicherung des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes dient allein die tarifvertraglich vorgeschriebene Anhörung. Dieser formelle, in der Notwendigkeit eines Gesprächs bestehende Schutz darf nicht dadurch entwertet werden, dass sich der Entscheidungsträger einer direkten inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem betroffenen Arbeitnehmer entzieht. Nur dann, wenn der Arbeitgeber gezwungen wird, im Rahmen der Anhörung die Gründe für seine Entscheidung dem Bühnenmitglied im Einzelnen offenzulegen, wird er wirklich veranlasst sein, seine Entscheidung unter Berücksichtigung der vom Bühnenmitglied vorgetragenen Gegenargumente zu überdenken bzw. zu überprüfen11. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem anzuhörenden Bühnenmitglied durch die entscheidungsbefugte Person des Arbeitgebers ist nur gewährleistet, wenn dessen Darstellung der Gründe in der Anhörung mit der erforderlichen inhaltlichen Klarheit erfolgt.
Dieses Verständnis der tarifvertraglichen Anhörungsverpflichtung des Arbeitgebers wird durch normsystematische Erwägungen gestützt. Das Bühnenmitglied hat das Recht, zu der Anhörung eine Person seines Vertrauens hinzuzuziehen, soweit durch deren Teilnahme der Zweck des Gesprächs nicht gefährdet wird bzw. berechtigte Interessen des Arbeitgebers nicht entgegenstehen12. Dieser Anspruch bedingt es, dass der Arbeitgeber hinsichtlich der Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung im Anhörungstermin nicht allein auf vorherige, außerhalb des förmlichen Anhörungsverfahrens mit dem Bühnenmitglied geführte Gespräche Bezug nehmen kann. Anderenfalls ergäbe sich für die Vertrauensperson nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit, über welche Nichtverlängerungsgründe überhaupt gesprochen wird, was dem Zweck des Hinzuziehungsanspruchs – dem Ausgleich einer potentiellen Unterlegenheit des Bühnenmitglieds in einer den Bestand seines Arbeitsverhältnisses anbelangenden Gesprächssituation13 – nicht gerecht würde. Dieses Defizit ließe sich auch nicht dadurch ausgleichen, dass ggf. das Bühnenmitglied der hinzugezogenen Vertrauensperson (mögliche) Gründe, die der Arbeitgeber in vorangegangenen Gesprächen angeführt hat, schildern kann. Denn das Bühnenmitglied hat vor dem förmlichen Anhörungsverfahren im Allgemeinen keine Veranlassung, Ausführungen des Arbeitgebers als solche zu verstehen, die die Verlängerung des Arbeitsvertrags in Frage stellen. Entsprechend soll nach der tarifvertraglichen Regelvorstellung die Mitteilung der Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung gerade im Anhörungstermin – und damit in Anwesenheit der Vertrauensperson – erfolgen.
Der hiergegen angeführte Verweis auf die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG vor einer Kündigung verfängt nicht.
Zwar kann der Arbeitgeber seiner Pflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG – den Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören und ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen – dadurch genügen, dass er auf Kündigungsgründe Bezug nimmt, über die er den Betriebsrat bereits vor Beginn des Anhörungsverfahrens erschöpfend unterrichtet hat14. Diese Wertung ist aber nicht auf § 61 Abs. 4 NV Bühne übertragbar. Anders als bei dem formfreien Beteiligungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG, in dem der Betriebsrat als Gremium fristgebunden durch Beschlussfassung über seine Stellungnahme zu einer beabsichtigten Kündigung unter Vorgabe der in § 102 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG geregelten Reaktionsmöglichkeiten entscheidet, erfolgt die Anhörung des Bühnenmitglieds nach § 61 Abs. 4 NV Bühne vor Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung im Rahmen eines persönlichen Gesprächs. Dieses soll dem Bühnenmitglied eine argumentative Auseinandersetzung mit den Beweggründen des Arbeitgebers ermöglichen, um die Nichtverlängerungsmitteilung ggf. abzuwenden. Eine unmittelbare Darstellung der Gründe für die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsvertrags in der Aussprachesituation ist daher prinzipiell unverzichtbar. Sie erschöpfte sich nur dann in einer unnötigen Förmelei, wenn bei generalisierender Betrachtung eine Unsicherheit der Gesprächsteilnehmer über die vom Arbeitgeber angeführten Gründe für den Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung ebenso ausgeschlossen ist wie die Gefahr, dass sich der Arbeitgeber im Anhörungsgespräch einer direkten Aussprache mit dem betroffenen Bühnenmitglied entzieht. Eine solche Konstellation liegt bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber im Anhörungsgespräch lediglich pauschal auf Inhalte von Gesprächen Bezug nimmt, die vor Beginn des förmlichen Anhörungsverfahrens geführt wurden.
Eine Parallelwertung von § 102 Abs. 1 BetrVG und § 61 Abs. 4 NV Bühne ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb angezeigt, weil der Zweite Bundesarbeitsgericht des Bundesarbeitsgerichts bei der Auslegung der Anhörungspflicht der mit § 61 Abs. 4 NV Bühne vergleichbaren Regelung in § 2 Abs. 5 des Tarifvertrags über die Mitteilungspflicht vom 23.11.1977 neben anderen Gesichtspunkten den „Grundsatz der Systemkonformität“ – im Sinn einer wortgleichen Verwendung des Ausdrucks „zu hören“ sowohl in der Tarifregelung als auch in § 102 Abs. 1 BetrVG (bzw. § 66 Abs. 1 BetrVG 1952) – herangezogen hat15. Dieser Auslegungsaspekt betraf die Frage, ob im Rahmen der Anhörung des Bühnenmitglieds überhaupt eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung anzugeben. Auch nach dieser Rechtsprechung ist jedoch das Anhörungsrecht des Bühnenmitglieds nach § 61 Abs. 4 NV Bühne und das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht in allen Einzelheiten identisch ausgestaltet.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 7 AZR 448/21
- st. Rspr., vgl. zuletzt zu § 69 Abs. 5 NV Bühne BAG 13.12.2017 – 7 AZR 369/16, Rn. 49 mwN, BAGE 161, 179[↩]
- vgl. zu § 69 Abs. 4 bis 6 NV Bühne BAG 13.12.2017 – 7 AZR 369/16 – aaO; 15.05.2013 – 7 AZR 665/11, Rn. 42, BAGE 145, 142[↩]
- vgl. BAG 13.12.2017 – 7 AZR 369/16, Rn. 50, BAGE 161, 179; 28.09.2016 – 7 AZR 128/14, Rn. 55, BAGE 157, 44; 18.04.1986 – 7 AZR 114/85, zu I 3 b der Gründe, BAGE 51, 375[↩]
- BAG 13.12.2017 – 7 AZR 369/16 – aaO mwN[↩]
- vgl. zu den Einzelheiten BAG 13.12.2017 – 7 AZR 369/16, Rn. 51 mwN, BAGE 161, 179[↩]
- vgl. zu § 69 Abs. 4 Satz 2 NV Bühne BAG 13.12.2017 – 7 AZR 369/16, Rn. 53 mwN, aaO[↩]
- vgl. BAG 13.12.2017 – 7 AZR 369/16, Rn. 53, BAGE 161, 179[↩]
- vgl. zu den Grundsätzen der Tarifauslegung die st. Rspr., zB BAG 13.10.2021 – 4 AZR 365/20, Rn. 21 mwN[↩]
- vgl. zur nahezu wortgleichen Regelung in § 2 Abs. 5 des Tarifvertrags über die Mitteilungspflicht vom 23.11.1977 BAG 11.03.1982 – 2 AZR 233/81, zu III 2 der Gründe, BAGE 39, 1[↩]
- vgl. BAG 13.12.2017 – 7 AZR 369/16, Rn. 53, BAGE 161, 179; 15.05.2013 – 7 AZR 665/11, Rn. 45, BAGE 145, 142[↩]
- BAG 15.05.2013 – 7 AZR 665/11, Rn. 45, BAGE 145, 142; 11.03.1982 – 2 AZR 233/81, zu III 4 der Gründe, BAGE 39, 1[↩]
- vgl. BAG 15.05.2013 – 7 AZR 665/11, Rn. 46, BAGE 145, 142[↩]
- vgl. BAG 15.05.2013 – 7 AZR 665/11 – aaO[↩]
- so BAG 19.05.1993 – 2 AZR 584/92, zu III 1 der Gründe, BAGE 73, 151[↩]
- vgl. BAG 11.03.1982 – 2 AZR 233/81, zu III 3 der Gründe, BAGE 39, 1; 23.01.1986 – 2 AZR 111/85, zu IV 3 der Gründe[↩]