Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde eine Divergenz iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG die Entscheidung bezeichnen, von der die anzufechtende Entscheidung abweicht.

Eine Abweichung iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG setzt voraus, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts zu einer Rechtsfrage einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem abstrakten Rechtssatz abweicht, den eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG abschließend genannten Gerichte zu der gleichen Rechtsfrage aufgestellt hat. Ein Rechtssatz ist aufgestellt, wenn das Gericht seiner Subsumtion einen Obersatz vorangestellt hat, der über den Einzelfall hinaus für vergleichbare Sachverhalte Geltung beansprucht.
Der abstrakte Rechtssatz muss vom Landesarbeitsgericht nicht ausdrücklich formuliert sein, sondern kann sich als „verdeckter Rechtssatz“ auch aus fallbezogenen Ausführungen ergeben. Sofern dies nicht offensichtlich ist, muss der Beschwerdeführer, der sich hierauf berufen will, konkret begründen, warum den fallbezogenen Ausführungen ein bestimmter abstrakter Rechtssatz zugrunde liegt. Eine lediglich fehlerhafte oder den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht genügende Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht vermag eine Divergenz nicht zu begründen.
Die anzufechtende Entscheidung muss außerdem auf der Divergenz beruhen. Dies ist dann der Fall, wenn das Landesarbeitsgericht bei Anwendung des Rechtssatzes aus der angezogenen Entscheidung möglicherweise eine andere, dem Beschwerdeführer günstigere Entscheidung getroffen hätte. Beruht die anzufechtende Entscheidung auf mehreren jeweils selbstständig tragenden Begründungen, ist die Revision nur zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt1.
Nach § 72a Abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt2.
Entscheidungserheblich ist eine Rechtsfrage, wenn sich das Landesarbeitsgericht in der anzufechtenden Entscheidung mit ihr befasst und sie beantwortet hat und bei einer anderen Beantwortung möglicherweise eine für den Beschwerdeführer günstige Entscheidung getroffen hätte3. Der Beschwerdeführer hat die nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG von ihm darzulegende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung regelmäßig so konkret zu formulieren, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann. Dies schließt im Einzelfall zwar eine differenzierte Formulierung nicht aus; unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und damit auf die Antwort „Kann sein“ hinausläuft4. Darüber hinaus sind die Klärungsbedürftigkeit, die Entscheidungserheblichkeit und die allgemeine Bedeutung der Rechtsfrage darzulegen.
Um eine Rechtsfrage iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG handelt es sich bei einer Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat5.
Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Für die Gehörsrüge gelten die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO gestellt werden6. Deshalb sind die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes so substantiiert vorzutragen, dass allein anhand der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung der Revision geprüft werden kann7.
Wird gerügt, es sei Vortrag übergangen worden, muss daher im Einzelnen dargestellt werden, wo der übergangene Vortrag zu finden ist. Der Beschwerdeführer muss unter Angabe des Schriftsatzes nach Datum und bei entsprechendem Umfang nach Seitenzahl konkret vortragen, welcher Vortrag übergangen sein soll8. Ob das übergangene Vorbringen entscheidungserheblich ist, richtet sich grundsätzlich nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und seinen rechtlichen Ausführungen. Es genügt, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, dass das Berufungsgericht bei richtigem Verfahren möglicherweise anders entschieden hätte.
GG verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen9. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die vom Fachgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben10. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu behandeln11. Deshalb müssen, um eine Verletzung des rechtlichen Gehörs feststellen zu können, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Prozessbeteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht12.
Wird gerügt, es sei ein Beweisangebot nicht beachtet worden, muss genau angegeben werden, über welches Thema Beweis hätte erhoben werden müssen, in welchem Schriftsatz das entsprechende Beweisangebot gemacht worden ist, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und weshalb das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensfehler beruhen kann13. Ferner muss dargelegt werden, dass die Unterlassung der Beweiserhebung kausal für die Entscheidung gewesen ist14. Der angeblich übergangene Beweisantritt muss zudem zulässig sein.
Wird ein Beweis angeboten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt, und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist der Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Ein Beweisantritt kann nicht den Vortrag von Tatsachen ersetzen oder ergänzen. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben15. Auf die von einer Partei beantragte Beweiserhebung darf regelmäßig nur verzichtet werden, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, die umstrittene Tatsache zugunsten des Beweisführers als wahr unterstellt werden kann, das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder absolut untauglich ist16.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 3 AZN 822/16
- vgl. BAG 27.03.2012 – 3 AZN 1389/11, Rn. 6 mwN[↩]
- vgl. BAG 28.06.2011 – 3 AZN 146/11, Rn. 10, BAGE 138, 180; 14.04.2005 – 1 AZN 840/04, zu 2 c aa der Gründe, BAGE 114, 200; 26.09.2000 – 3 AZN 181/00, zu II 2 der Gründe, BAGE 95, 372[↩]
- vgl. BAG 15.10.2012 – 5 AZN 1958/12, Rn. 15 mwN[↩]
- vgl. etwa BAG 23.01.2007 – 9 AZN 792/06, Rn. 6, BAGE 121, 52[↩]
- vgl. etwa BAG 22.05.2012 – 1 ABN 27/12, Rn. 8 mwN[↩]
- vgl. BAG 10.05.2005 – 9 AZN 195/05, zu II 2 der Gründe, BAGE 114, 295[↩]
- vgl. BAG 20.01.2005 – 2 AZN 941/04, BAGE 113, 195[↩]
- vgl. BAG 6.01.2004 – 9 AZR 680/02, zu II 3 d aa der Gründe, BAGE 109, 145 für die Verfahrensrüge[↩]
- st. Rspr. seit BVerfG 14.06.1960 – 2 BvR 96/60 – BVerfGE 11, 218[↩]
- BVerfG 20.04.1982 – 1 BvR 1242/81, zu B der Gründe, BVerfGE 60, 247[↩]
- vgl. etwa BVerfG 8.10.2003 – 2 BvR 949/02, zu II 1 a der Gründe; BGH 27.03.2003 – V ZR 291/02, zu II 3 b bb (3) beta der Gründe, BGHZ 154, 288[↩]
- BVerfG 31.03.1998 – 1 BvR 2008/97; BAG 26.01.2006 – 9 AZA 11/05, Rn. 40[↩]
- vgl. BAG 25.04.2013 – 8 AZR 453/12, Rn. 46 mwN[↩]
- vgl. BAG 25.04.2013 – 8 AZR 453/12 – aaO[↩]
- vgl. etwa BAG 21.01.2014 – 3 AZR 362/11, Rn. 46 mwN[↩]
- BAG 23.02.2010 – 9 AZN 876/09, Rn. 22 mwN[↩]