Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB und im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt1.

Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck2.
Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu3. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden4.
Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt5.
Kommt es im Wesentlichen auf die Betriebsmittel wie etwa das Inventar an, dann kann ein Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit auch ohne Übernahme von Personal vorliegen6. Ohne Bedeutung ist, ob das Eigentum an den eingesetzten Betriebsmitteln übertragen worden ist7.
Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge8.
Der Begriff „durch Rechtsgeschäft“ des § 613a BGB ist wie der Begriff „durch vertragliche Übertragung“ in Art. 1 Abs. 1a der Richtlinie 2001/23/EG9 weit auszulegen, um dem Zweck der Richtlinie – dem Schutz der Arbeitnehmer bei einer Übertragung ihres Unternehmens – gerecht zu werden. So ist es nicht erforderlich, dass zwischen Veräußerer und Erwerber unmittelbar vertragliche Beziehungen bestehen; die Übertragung kann auch unter Einschaltung eines Dritten, wie zB des Eigentümers oder des Verpächters, erfolgen10.
Dem Übergang eines gesamten Betriebs steht, soweit die Vorrausetzungen des § 613a BGB erfüllt sind, der Übergang eines Betriebsteils gleich. Dies ist unabhängig davon, ob die übergegangene wirtschaftliche Einheit ihre Selbständigkeit innerhalb der Struktur des Erwerbers bewahrt oder nicht11; es genügt, wenn die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten und es dem Erwerber derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen12.
Die Bewertung der maßgeblichen Tatsachen ist nach Unionsrecht Sache der nationalen Gerichte13 und im deutschen Arbeitsrecht Sache der Tatsacheninstanzen, die dabei einen Beurteilungsspielraum haben14.
Ohne Auseinandersetzung mit der eventuellen Identität einer im Einzelfall in Frage kommenden wirtschaftlichen Einheit kann nicht entschieden werden, ob ein Betriebs(teil)übergang vorliegt. Es darf nicht alleine ein Teilaspekt – hier die Frage einer Übernahme von Personal – der eigentlich vorzunehmenden Gesamtbewertung herausgegriffen und isoliert betrachtet werden.
Auch für eine zutreffende Bewertung der Übernahme von Personal im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbewertung ist es von ausschlaggebender Bedeutung, die Identität einer ggf. bestehenden wirtschaftlichen Einheit zu bestimmen. Erst in deren Kenntnis kann beurteilt werden, ob eine rein quantitative Betrachtung – wie hier allein abstellend auf Bruchzahlen und Prozentsätze – der ggf. vorhandenen Identität einer wirtschaftlichen Einheit iSv. § 613a BGB überhaupt gerecht werden kann. Anderes kann auch der vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.12 201115 nicht entnommen werden. So hat das Bundesarbeitsgericht darin ua. ausgeführt, dass „die Kriterien Zahl und Sachkunde des weiterbeschäftigten Personals nicht beziehungslos nebeneinanderstehen, sondern sich wechselseitig beeinflussen“16.
Bei der Beurteilung, ob nach den og. Grundsätzen ein Betriebs(teil)übergang vorliegt, ist im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbewertung u.a. zu berücksichtigen:
- Zuerst ist zu prüfen, ob bei der Objektschutzfirma eine wirtschaftliche Einheit im Sinne eines Betriebs(teils) gegeben war, der zum Zeitpunkt des Vertragswechsel auf das andere Objektschutzunternehmen übergehen konnte.
- Für die zutreffende Bewertung der bisherigen und unveränderten Tätigkeit ist es ua. von Bedeutung, welche Aufgaben konkret bei der Bewachung des Geländes und beim Telefon, Post- und Besucherdienst zu verrichten waren und in welchem zeitlichen Verhältnis sie zueinander stehen.
- Bei der weiteren Prüfung müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden, neben der etwaigen Belegschafts(teil)übernahme also ua. auch der etwaige Übergang materieller Betriebsmittel und immaterieller Aktiva von Wert.
- Bei der Bewertung der Übernahme von Personal im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbewertung ist zu prüfen, ob ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil der Belegschaft übernommen worden ist. Dafür kommt es nicht allein auf eine quantitative Betrachtung an. Beispielsweise kann die Identität einer ggf. bestehenden wirtschaftlichen Einheit bei einer Tätigkeit im Bewachungsgewerbe auch dadurch geprägt sein, dass ein Betriebsteil mit kontinuierlicher Stammbelegschaft, die über Erfahrung und Objektkenntnis verfügt, unter Beibehaltung der bisherigen Leitungsstruktur und Arbeitsorganisation weiterfunktioniert. Insofern hat der Kläger beispielsweise bezogen auf die Vollzeitkräfte den Begriff „Objektverantwortliche“ benutzt und seinen Kollegen als „Objektleiter“ bezeichnet. Von Bedeutung kann es für eine Bewertung der Übernahme von Personal auch sein, wenn ein Betriebsteil „Bewachungsobjekt“ – wie hier erkennbar – räumlich fernab vom restlichen Betrieb womöglich relativ eigenständig arbeitet.
Zu bedenken sind das Personal als solches, die Führungskräfte und ggf. auch die sie verbindende Arbeitsorganisation17. Im Hinblick auf das Personal als solches ist es nicht ausgeschlossen, dass die Identität einer ggf. bestehenden wirtschaftlichen Einheit in manchen Fällen eher von einer Stammbelegschaft abhängt als von eventuell auch beschäftigten Aushilfskräften. Auch einem Leitungswechsel oder der Beibehaltung der bisherigen Leitung kann wesentliches Gewicht in der Gesamtbeurteilung zukommen18.
Falls nach Gesamtabwägung aller maßgebenden Umstände von einem Betriebs(teil)übergang auszugehen ist, muss im Hinblick auf die Befristung des Arbeitsvertrags Folgendes beachtet werden:
Zwar besteht bezogen auf einen Betriebs(teil)übergang grundsätzlich kein Anspruch auf eine Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags19. Der vorliegende Fall liegt aber anders. Der klagende Arbeitnehmer gehört zu den Arbeitnehmern, die im Rahmen des Bewachungsauftrags „zum Zeitpunkt des Übergangs“ beschäftigt waren20 und von dem neuen Bewachungsunternehmen auch nahtlos weiterbeschäftigt wurden. Der Umstand, dass eine Tätigkeit ohne Unterbrechung oder Änderung in der Art und Weise ihrer Durchführung ständig fortgesetzt worden ist, stellt eines der gängigsten Merkmale eines Betriebsübergangs dar21.
Eine Befristungsabrede mit dem bisherigen Arbeitgeber, die sich auf die Laufzeit des Bewachungsauftrags des bisherigen Betriebsinhabers bezieht und keinen davon unabhängigen Grund hatte, steht dem nicht entgegen. Dies entspricht im Wertungsergebnis dem Umstand, dass ein Betriebs(teil)übergang als solcher keinen Grund zur Kündigung darstellt22.
Eine Beseitigung der ansonsten bestehenden Kontinuität des Arbeitsverhältnisses kann zudem als Umgehung von § 613a BGB zu werten sein23.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Januar 2015 – 8 AZR 139/14
- vgl. EuGH 6.03.2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 18.09.2014 – 8 AZR 733/13, Rn. 18; 15.12 2011 – 8 AZR 197/11, Rn. 39[↩]
- EuGH 6.03.2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 31 f. mwN[↩]
- näher EuGH 15.12 2005 – C-232/04 und – C-233/04 – [Güney-Görres und Demir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237; BAG 18.09.2014 – 8 AZR 733/13, Rn. 18; 22.08.2013 – 8 AZR 521/12, Rn. 40 ff. mwN[↩]
- vgl. ua. EuGH 20.01.2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 34 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 18.09.2014 – 8 AZR 733/13 – aaO; 22.05.2014 – 8 AZR 1069/12, Rn. 21[↩]
- EuGH 6.09.2011 – C-108/10 – [Scattolon] Rn. 49, Slg. 2011, I-7491; BAG 22.05.2014 – 8 AZR 1069/12, Rn. 22[↩]
- vgl. EuGH 20.11.2003 – C-340/01 – [Abler ua.] Rn. 37, Slg. 2003, I-14023; BAG 21.08.2014 – 8 AZR 648/13, Rn.19[↩]
- EuGH 20.11.2003 – C-340/01 – [Abler ua.] Rn. 41 mwN, aaO; BAG 11.12 1997 – 8 AZR 426/94, zu B I der Gründe, BAGE 87, 296[↩]
- vgl. EuGH 20.01.2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 36 und 41, Slg. 2011, I-95; BAG 22.05.2014 – 8 AZR 1069/12, Rn. 23[↩]
- dazu ua. EuGH 7.03.1996 – C-171/94 – [Merckx und Neuhuys] Rn. 28, Slg. 1996, I-1253; 6.09.2011 – C-108/10 – [Scattolon] Rn. 63, Slg. 2011, I-7491[↩]
- ua. EuGH 20.11.2003 – C-340/01 – [Abler ua.] Rn. 39 mwN, Slg. 2003, I-14023; BAG 18.09.2014 – 8 AZR 733/13, Rn. 18[↩]
- vgl. EuGH 6.03.2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 31 ff. mwN; 12.02.2009 – C-466/07 – [Klarenberg] Rn. 50, Slg. 2009, I-803[↩]
- EuGH 12.02.2009 – C-466/07 – [Klarenberg] Rn. 53, aaO; BAG 22.05.2014 – 8 AZR 1069/12, Rn. 26[↩]
- vgl. ua. EuGH 15.12 2005 – C-232/04 und – C-233/04 – [Güney-Görres und Demir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237[↩]
- vgl. ua. BAG 18.08.2011 – 8 AZR 312/10, Rn. 21, BAGE 139, 52[↩]
- 8 AZR 197/11[↩]
- BAG 15.12 2011 – 8 AZR 197/11, Rn. 55[↩]
- in diesem Sinne EuGH 20.01.2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 41, Slg. 2011, I-95; 11.03.1997 – C-13/95 – [Süzen] Rn. 15, Slg. 1997, I-1259[↩]
- vgl. EuGH 26.09.2000 – C-175/99 – [Mayeur] Rn. 53, Slg. 2000, I-7755; BAG 22.05.2014 – 8 AZR 1069/12, Rn. 52[↩]
- EuGH 15.09.2010 – C-386/09 – [Briot] Rn. 33, Slg. 2010, I-8471[↩]
- EuGH 15.09.2010 – C-386/09 – [Briot] Rn. 28, aaO; 26.05.2005 – C-478/03 – [Celtec] Rn. 29, Slg. 2005, I-4389; 7.02.1985 – 19/83 – [Wendelboe] Rn. 13, 15, Slg. 1985, 457[↩]
- EuGH 2.12 1999 – C-234/98 – [Allen ua.] Rn. 33, Slg. 1999, I-8643[↩]
- ua. EuGH 15.09.2010 – C-386/09 – [Briot] Rn. 29, Slg. 2010, I-8471; 16.10.2008 – C-313/07 – [Kirtruna] Rn. 45, Slg. 2008, I-7907[↩]
- vgl. BAG 25.10.2012 – 8 AZR 572/11, Rn. 33; 18.08.2005 – 8 AZR 523/04, zu II 2 a der Gründe, BAGE 115, 340 zu Aufhebungsverträgen[↩]