Öffentlichkeit des Verfahrens – und der vorzeitiger Aufruf der Sache

Ein Gericht verletzt nicht  die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens §§ 169 ff. GVG. Das gilt auch, wenn es die Sache am Verhandlungstag bereits vor der angesetzten Terminsstunde aufgerufen und sogar die Anträge der Parteien schon vorher aufgenommen haben sollte. Ein absoluten Revisionsgrundes nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG iVm. § 547 Nr. 5 ZPO liegt hierin nicht.

Öffentlichkeit des Verfahrens – und der vorzeitiger Aufruf der Sache

Der Grundsatz der Öffentlichkeit soll gewährleisten, dass sich die Rechtsprechung der Gerichte grundsätzlich „in aller Öffentlichkeit“, nicht hinter verschlossenen Türen, abspielt. Er dient letztlich der Kontrolle der Gerichte1. Entsprechend diesem Sinn ist der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt, wenn die Verhandlung in Räumen stattfindet, zu denen während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedermann der Zutritt offensteht2. Die Beschwerde zieht nicht in Zweifel, dass dies, zumal angesichts der Verhandlung bei „offener Tür“ – vorliegend der Fall war.

Dagegen erfordert der Grundsatz der Öffentlichkeit nicht, dass jedermann weiß, wann und wo eine mündliche Verhandlung stattfindet3. Der Schutz des Vertrauens in Terminankündigungen wird von ihm nicht erfasst4. Denn die Kontrolle des Verfahrensgangs durch die Allgemeinheit wird durch die bloße Abweichung von einer gerichtlichen Terminankündigung nicht beeinträchtigt5.

Das Landesarbeitsgericht hat im vorliegenden Fall, selbst wenn es die Sache vorzeitig aufgerufen (§ 220 Abs. 1 ZPO) und vor allem vorzeitig die Anträge der Parteien aufgenommen haben sollte (§ 137 Abs. 1 ZPO), auch nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Denn dessen Prozessbevollmächtigter war bereits bei Aufruf der Sache anwesend und hat sich durch seine nachfolgende Antragstellung rügelos iSv. § 295 Abs. 1 ZPO eingelassen. Damit liegt nicht einmal – mehr – ein mit einer zugelassenen Revision zu rügender Verfahrensfehler vor6. Erst recht kann unter diesem Gesichtspunkt die vorliegende Beschwerde keinen Erfolg haben.

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Persönliches Erscheinen

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24. November 2022 – 2 AZN 335/22

  1. vgl. BAG 2.03.2022 – 2 AZN 629/21, Rn. 10[]
  2. BFH 15.03.1977 – VII R 122/73 – BFHE 121, 392[]
  3. BVerfG 10.10.2001 – 2 BvR 1620/01, zu 2 der Gründe; BFH 21.09.1994 – VIII R 80-82/93, zu 3 c der Gründe; 15.03.1977 – VII R 122/73 – BFHE 121, 392[]
  4. BVerfG 10.10.2001 – 2 BvR 1620/01 – aaO; BGH 15.08.2001 – 3 StR 187/01, zu 3 der Gründe; 15.11.1983 – 1 StR 553/83, zu 3 der Gründe[]
  5. vgl. OLG Hamm 25.06.2012 – III-3 RBs 149/12, zu II der Gründe[]
  6. vgl. MünchKomm-ZPO/Stackmann 6. Aufl. § 220 Rn. 3[]