Für ein eventuelles Beweisverwertungsverbot kommt es auf die Frage an, ob ein Eingriff in das Recht der Arbeitnehmerin auf informationelle Selbstbestimmung vorliegt und ob dieser Eingriff zulässig ist. Sofern die Datenerhebung und ‑verwertung nach den Bestimmungen des BDSG aF erfolgen durfte, kommt ein Beweisverwertungsverbot nicht in Betracht. Ist dies nicht der Fall, muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Verwertung der so gewonnenen Beweismittel durch das Gericht im Einzelfall einen Grundrechtsverstoß darstellt1. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF stellt für die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten eines Beschäftigten, die der Arbeitgeber durch eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume erlangt hat, eine eigenständige, von den Voraussetzungen des § 6b Abs. 3 BDSG aF unabhängige Erlaubnisnorm dar2.

Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Bestimmungen, die die Verwertbarkeit von Erkenntnissen oder Beweismitteln einschränken, die eine Arbeitsvertragspartei rechtswidrig erlangt hat. Ein Verwertungsverbot kann sich allerdings aus einer verfassungskonformen Auslegung des Verfahrensrechts ergeben. Da der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG aber grundsätzlich gebietet, den Sachvortrag der Parteien und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen, kommt ein „verfassungsrechtliches Verwertungsverbot“ nur in Betracht, wenn dies wegen einer grundrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist3. Dies setzt in aller Regel voraus, dass bereits durch die Informations- oder Beweisbeschaffung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Partei verletzt worden ist, ohne dass dies durch überwiegende Belange der anderen Partei gerechtfertigt gewesen wäre. Überdies müssen die betroffenen Schutzzwecke des bei der Gewinnung verletzten Grundrechts der Verwertung der Erkenntnis oder des Beweismittels im Rechtsstreit entgegenstehen. Die prozessuale Verwertung muss selbst einen Grundrechtsverstoß darstellen. Das ist der Fall, wenn das nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebundene Gericht ohne Rechtfertigung in eine verfassungsrechtlich geschützte Position einer Prozesspartei eingriffe, indem es eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Privaten perpetuierte oder vertiefte. Insofern kommt die Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat zum Tragen. Auf eine nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch einen Privaten darf kein verfassungswidriger Grundrechtseingriff durch ein Staatsorgan „aufgesattelt“ werden. Nicht abschließend geklärt ist, ob die Gerichte jenseits der sie treffenden Pflicht, ungerechtfertigte Grundrechtseingriffe zu unterlassen, wegen einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht gehalten sein können, einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Private aktiv zu begegnen und Sachvortrag oder Beweisantritte einer Partei aus Gründen der Generalprävention außer Acht zu lassen. Dafür wäre jedenfalls Voraussetzung, dass die verletzte Schutznorm in den betreffenden Fällen ohne ein prozessuales Verwertungsverbot leerliefe4.
Obgleich die Vorschriften des BDSG aF nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen begrenzen, und obwohl es für das Eingreifen eines Verwertungsverbots darauf ankommt, ob bei der Erkenntnis- oder Beweisgewinnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist, sind die einfachrechtlichen Vorgaben insofern nicht ohne Bedeutung. Die Bestimmungen des BDSG aF über die Anforderungen an eine zulässige Datenerhebung, ‑verarbeitung und ‑nutzung konkretisieren und aktualisieren für den Einzelnen den Schutz seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG aF). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG aF in diese Rechtspositionen erlaubt sind5.
War die betreffende Maßnahme nach den Vorschriften des BDSG aF zulässig, liegt insoweit keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor. Ein Verwertungsverbot scheidet von vornherein aus. So liegt es namentlich, wenn die umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen und Grundrechtspositionen im Rahmen der Generalklauseln des § 32 Abs. 1 BDSG aF zugunsten des Arbeitgebers ausfällt6.
Nur dann, wenn die fragliche Maßnahme nach den Bestimmungen des BDSG aF nicht erlaubt war, muss gesondert geprüft werden, ob die Verwertung von im Zuge dieser Maßnahme gewonnenen Erkenntnissen oder Beweismitteln durch das Gericht einen Grundrechtsverstoß darstellen würde. Daran kann es zum einen fehlen, wenn die Unzulässigkeit der vom Arbeitgeber durchgeführten Maßnahme allein aus der (Grund-)Rechtswidrigkeit der Datenerhebung(en) gegenüber anderen Beschäftigten resultiert oder die verletzte einfachrechtliche Norm keinen eigenen „Grundrechtsgehalt“ hat. Zum anderen kann es sein, dass die gerichtliche Verwertung weder einen ungerechtfertigten Grundrechtseingriff darstellt noch aufgrund einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht zu unterlassen ist, weil durch sie die ungerechtfertigte „vorprozessuale“ Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Prozesspartei nicht perpetuiert oder vertieft würde und der Verwertung auch Gründe der Generalprävention nicht entgegenstehen5.
Sofern danach ein Beweisverwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht besteht, erfasst dieses nicht allein das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, sondern steht auch einer mittelbaren Verwertung, wie der Vernehmung von Zeugen über den Inhalt des Beweismittels entgegen7. Falls im vorliegenden Verfahren ein Beweisverwertungsverbot eingreift, dürfte also weder eine Inaugenscheinnahme der Videoaufnahmen erfolgen, noch dürfte das Gericht dem weiteren Beweisangebot des Arbeitgebers auf Vernehmung der mit der Auswertung der Aufnahmen betrauten Personen als Zeugen nachgehen.
§ 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF stellt für die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten eines Beschäftigten, die der Arbeitgeber durch eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume erlangt hat, eine eigenständige, von den Voraussetzungen des § 6b Abs. 3 BDSG aF unabhängige Erlaubnisnorm dar2.
Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Dabei gehört zur Durchführung die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt, zur Beendigung iSd. Kündigungsvorbereitung die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann8.
§ 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG aF entfaltet zwar keine „Sperrwirkung“ dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF zulässig sein könnte. Der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers muss aber auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem – dort gleichfalls verankerten – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten. Dieser Grundsatz verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen9. Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht. Die Datenerhebung, ‑verarbeitung oder ‑nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach muss im Fall einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme, die auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF gestützt werden soll, der auf konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer schwerwiegenden, nicht notwendig strafbaren Pflichtverletzung bestehen. In einem solchen Fall ist eine Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, auch nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF unzulässig10.
Hieraus folgt zugleich, dass weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenerhebungen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts, zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung, zulässig sein können. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen. Solche präventiven Maßnahmen können sich schon aufgrund des Vorliegens einer abstrakten Gefahr als verhältnismäßig erweisen, wenn sie keinen solchen psychischen Anpassungsdruck erzeugen, dass die Betroffenen bei objektiver Betrachtung in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt sind11.
Eine Unverhältnismäßigkeit der Datenerhebung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF dürfte danach zwar dann anzunehmen sein, wenn es sich um eine verdeckte Videoüberwachung gehandelt hätte, ohne dass ein durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung bestand. Unstreitig war der Arbeitnehmerin jedoch bekannt, dass zumindest der öffentlich zugängliche Bereich der Lottoannahmestelle, insbesondere auch der Kassenbereich videoüberwacht wurde. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ihr die Videoüberwachung im Büroraum, in dem sich der Tresor befand, nicht bekannt war, liegen nicht vor. Bei einer offenen Videoüberwachung käme es auch nicht darauf an, ob der Arbeitnehmerin ausdrücklich eröffnet wurde, dass die Überwachung sich – auch – gegen sie richtete und ihr Verhalten an der Kasse, insb. die Eingabe bestimmter Beträge in die Kasse erfasste. Selbst wenn dies nicht geschehen sein sollte, wäre die damit verbundene Erhebung ihrer entsprechenden personenbezogenen Daten nicht allein aus diesem Grund unverhältnismäßig gewesen. Zwar stellt eine berechtigte Erwartung des Betroffenen in Bezug auf die Privatsphäre einen bedeutenden Faktor im Rahmen der Interessenabwägung dar. Von einer solchen „Privatheitserwartung“ konnte aber keine Rede sein, wenn die Arbeitnehmerin angesichts ihres Wissens um die Überwachung des Kassenbereichs zumindest damit rechnen musste, dass mithilfe der Videoaufzeichnungen auch vorsätzliche Pflichtverletzungen durch Beschäftigte verhindert bzw. aufgedeckt und verfolgt werden konnten und sollten. In diesem Fall wäre die Arbeitnehmerin nicht heimlich überwacht worden. Etwas anderes müsste allenfalls dann gelten, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin – wofür nichts ersichtlich ist – in Bezug auf die Erfassung ihres Verhaltens an der Kasse und ihres sonstigen Arbeitsverhaltens „in Sicherheit gewiegt“ hätte12.
Eine Unverhältnismäßigkeit der Datenerhebung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF läge aber auch dann vor, wenn die Videoaufzeichnungen einen solchen psychischen Anpassungs- und Leistungsdruck erzeugt hätten, dass sie als eine der verdeckten Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensive Maßnahme anzusehen wären, ohne dass ein durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung bestand. Dies wäre jedenfalls dann anzunehmen, wenn eine lückenlose, dauerhafte sowie sehr detaillierte Erfassung des Verhaltens der Arbeitnehmerin während ihrer gesamten Arbeitszeit stattgefunden hätte, so dass sie davon ausgehen musste, dass jede ihrer Bewegungen überwacht wurde. In diesem Fall hätte für die Arbeitnehmerin – vergleichbar mit der Situation einer verdeckten Überwachung – keine Möglichkeit einer unbewachten und ungestörten Wahrnehmung ihres Persönlichkeitsrechts bestanden.
Sofern zulässig erhobene Daten den Verdacht einer Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF auch verarbeitet und genutzt werden. Der Arbeitgeber darf deshalb grundsätzlich alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Rechtsstreit um die Wirksamkeit einer Kündigung und/oder das Bestehen von Schadensersatzansprüchen zu erfüllen13.
Dabei kommt es auf die Frage, ob die rechtmäßige Erhebung von Daten (nur) auf § 32 Abs. 1 BDSG aF oder (zugleich) auf § 6b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG aF beruhte, nicht an. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF stellt – wie bereits unter Rn. 33 dargestellt – auch für die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten eines Beschäftigten, die der Arbeitgeber durch eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume erlangt hat, eine eigenständige, von den Voraussetzungen nach § 6b Abs. 3 BDSG aF unabhängige Erlaubnisnorm dar14. Sofern nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF zulässig erhobene Daten den Verdacht einer Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF auch verarbeitet und genutzt werden15. Erst recht gilt das für die von § 6b BDSG aF nicht erfasste Datenerhebung im Bereich nicht öffentlich zugänglicher Räume16.
Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF hängt auch die Frage, ob personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet oder genutzt werden dürfen – ebenso wie die Zulässigkeit der Datenerhebung – davon ab, ob dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach der Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Auch die Verarbeitung und Nutzung der Daten steht unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, dh. sie muss geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht. Die Datenverarbeitung und ‑nutzung darf keine übermäßige Belastung für die Betroffenen darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Dies beurteilt sich ggf. für jedes personenbezogene Datum gesondert17.
Der bei der Anwendung von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF herangezogene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt dem durch die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr sowie Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Schutzniveau für die von einer Datenerhebung Betroffenen18.
Ferner ist zu beachten, dass ausschließlich die Verarbeitung der relevanten Sequenzen zu beurteilen ist und nicht diejenige von Passagen, die nicht in den Rechtsstreit eingeführt werden sollen19.
Die Speicherung von Bildsequenzen, die geeignet sind, den mit einer rechtmäßigen Videoaufzeichnung verfolgten Zweck zu fördern, bleibt, weil es sich oft um die einzigen, regelmäßig aber um die „zuverlässigsten“ Erkenntnis- und Beweismittel handelt, grundsätzlich erforderlich, bis der Zweck entweder erreicht oder aufgegeben oder nicht mehr erreichbar ist. Die Eignung beurteilt sich objektiv. Sie besteht oder besteht nicht, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber sie erkannt hat. Eine etwaige Pflicht, das gesamte Bildmaterial zeitnah zu sichten, würde allein dazu dienen, die – eindeutig – nicht zweckrelevanten Passagen zu identifizieren und zu löschen. Ihre Missachtung ließe den Bedarf an den zweckrelevanten Passagen nicht entfallen. Diese dürften auch nach einer „Bedarfsklärung“, zumindest vorerst – gespeichert bleiben20.
Eine noch erforderliche Speicherung von Aufzeichnungsteilen, die vorsätzliche Handlungen gegen das Eigentum oder das Vermögen des Arbeitgebers belegen (sollen), ist nur ganz ausnahmsweise unangemessen und damit nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Auch insoweit schließt sich das Bundesarbeitsgericht den Ausführungen des Zweiten Bundesarbeitsgerichts des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 23.08.201821.
Der rechtmäßig gefilmte Vorsatztäter ist in Bezug auf die Aufdeckung und Verfolgung seiner materiell-rechtlich noch verfolgbaren Tat nicht schutzwürdig. Er wird dies auch nicht durch bloßen Zeitablauf. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann nicht zu dem alleinigen Zweck in Anspruch genommen werden, sich vor dem Eintritt von Verfall, Verjährung oder Verwirkung der Verantwortung für vorsätzlich rechtswidriges Handeln zu entziehen. Zugleich verliert das in Bezug auf vorsätzliche Schädigungshandlungen beträchtliche, durch Art. 12 und Art. 14 GG geschützte Verarbeitungs- und Nutzungsinteresse des Arbeitgebers nicht an Gewicht, solange die Rechtsverfolgung materiell-rechtlich nicht ausgeschlossen ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass gedeihliche Arbeitsvertragsbeziehungen von beiderseitigem Vertrauen getragen sein müssen. Dem widerspräche es, wenn der Arbeitgeber gezwungen wäre, die Aufzeichnungen aus einer offenen, vorrangig zu präventiven (Verhinderung von Pflichtverletzungen) und nur bei Verfehlung dieses Primärziels zu repressiven Zwecken (Aufklärung und Verfolgung von Pflichtverletzungen) eingesetzten Videoüberwachung laufend vollumfänglich einzusehen, um relevante Sequenzen weiterverarbeiten zu dürfen. Das hielte ihn zu ständigem Misstrauen an. Zugleich würde durch einen faktischen Zwang zu zeitnaher Aufdeckung und „Sanktionierung“ von Pflichtverletzungen der Arbeitnehmerschutz durch die Vorgaben des Datenschutzrechts in sein Gegenteil verkehrt. Die Speicherung – nach wie vor – erforderlicher Sequenzen kann deshalb nur unangemessen sein, wenn das Verhalten des Arbeitgebers objektiv den Schluss zulässt, er wolle diese Passagen nicht allein zur Rechtsverfolgung verwenden. Es muss die greifbare Gefahr eines Missbrauchs personenbezogener Daten bestehen22.
So kann es zwar auch liegen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, der Arbeitgeber wolle sich mögliche Kündigungsgründe oder zum Schadensersatz verpflichtende Sachverhalte „aufsparen“, um dadurch den Arbeitnehmer unter Druck zu setzen23. Das Landesarbeitsgericht hat bislang keine Tatsachen festgestellt, die auf eine solche Absicht des Arbeitgebers hindeuten könnten. Hierfür genügt es nicht, dass er mit der Auswertung der Videoaufzeichnungen vom 17. und 19.12 2015 sowie vom 08., 13., 23. und 29.01.2016 gewartet hat, bis er dazu nach stichprobenartigen Überprüfungen der Warenaufschläge einen Anlass sah. Das gilt umso mehr, als er nach der Feststellung eines Warenschwunds „ohne Umschweife“ mit der Analyse des Bildmaterials begonnen und anschließend unverzüglich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitnehmerin betrieben hat.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. März 2019 – 8 AZR 421/17
- vgl. BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, BAGE 163, 239[↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 23, BAGE 163, 239[↩][↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 14 mwN, BAGE 163, 239[↩]
- vgl. BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18 – aaO[↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 15 mwN, BAGE 163, 239[↩][↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 15, BAGE 163, 239[↩]
- vgl. BVerfG 31.07.2001 – 1 BvR 304/01, zu II 1 b bb der Gründe; BAG 20.10.2016 – 2 AZR 395/15, Rn.19, BAGE 157, 69[↩]
- BAG 27.07.2017 – 2 AZR 681/16, Rn. 28, BAGE 159, 380; 29.06.2017 – 2 AZR 597/16, Rn. 26, BAGE 159, 278[↩]
- vgl. hierzu ausführlich BAG 27.07.2017 – 2 AZR 681/16, Rn. 30 mwN, BAGE 159, 380[↩]
- BAG 27.07.2017 – 2 AZR 681/16 – aaO[↩]
- dazu BAG 27.07.2017 – 2 AZR 681/16, Rn. 31 mwN, BAGE 159, 380[↩]
- vgl. BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 44 mwN, BAGE 163, 239[↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 22 mwN, BAGE 163, 239[↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 23 mwN, BAGE 163, 239[↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 22 mwN, aaO[↩]
- vgl. BAG 22.09.2016 – 2 AZR 848/15, Rn. 43, BAGE 156, 370[↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 24 mwN, BAGE 163, 239[↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 25 mwN, BAGE 163, 239[↩]
- vgl. BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 26, BAGE 163, 239[↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 27 mwN, BAGE 163, 239[↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 29 ff., BAGE 163, 239[↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 30 mwN, BAGE 163, 239[↩]
- BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18, Rn. 31 mwN, BAGE 163, 239[↩]
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