Im Geltungsbereich des Tarifvertrags für die Musiker in Konzert- und Theaterorchestern sind auch Tätigkeitszeiten bei einem nicht im Deutschen Bühnenverein organisierten Arbeitgeber als Dienstzeiten anrechnungsfähig.

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Streitfall war die Musikerin seit dem 1.10.2013 bei dem Arbeitgeber als Tuttistin der 1. Violine im Orchester des Staatstheaters beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der Tarifvertrag für die Musiker in Konzert- und Theaterorchestern Anwendung. Die für den Rechtsstreit obligatorischen Bestimmungen des Tarifvertrags für die Musiker in Konzert- und Theaterorchestern (TVK) in der Fassung vom 01.10.2019 (TVK) lauten:
§ 1 Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für die Musiker in Konzert- und Theaterorchestern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, deren Arbeitgeber ein Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins ist.…
§ 15 Dienstzeit
(1) Die Dienstzeit umfasst die bei Konzert- und Theaterorchestern als Musiker zurückgelegten und die nach den Absätzen 2 und 3 anzurechnenden Zeiten.
(2) Zeiten einer Tätigkeit als Musiker in anderen als Konzert- und Theaterorchestern sowie Zeiten einer sonstigen musikalisch-künstlerischen oder einer musik-pädagogischen Tätigkeit können auf die Dienstzeit angerechnet werden.
(3) Die in den Absätzen 1 und 2 aufgeführten Zeiten werden nicht angerechnet, wenn der Musiker das Arbeitsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat oder wenn es aus einem von ihm verschuldeten Grund beendet worden ist. Dies gilt nicht, wenn sich an das Arbeitsverhältnis unmittelbar ein anderes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber oder ein Arbeitsverhältnis mit dem rechtlichen Träger eines anderen Konzert- oder Theaterorchesters anschließt oder wenn der Musiker das Arbeitsverhältnis wegen eines mit Sicherheit erwarteten Personalabbaus oder wegen Unfähigkeit zur Fortsetzung der Arbeit infolge einer Körperbeschädigung oder einer in Ausübung oder infolge seiner Arbeit erlittenen Gesundheitsschädigung aufgelöst hat oder wenn die Nichtanrechnung eine unbillige Härte wäre. Dies gilt ferner nicht, wenn der Musiker innerhalb einer Frist von einem Jahr, gerechnet vom Beginn seiner Elternzeit, das Arbeitsverhältnis nach § 19 Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit zum Ende der Elternzeit kündigt.
(4) Der Musiker hat die anrechnungsfähigen Zeiten innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Aufforderung durch den Arbeitgeber nachzuweisen. Zeiten, für die der Nachweis nicht fristgemäß erbracht wird, werden nicht angerechnet. …
Die im hier entschiedenen Streitfall maßgeblichen Regelungen in der bis zum 30.09.2019 geltenden Fassung des Vorgängertarifvertrags für die Musiker in Kulturorchestern vom 31.10.2009 (im Folgenden TVK aF) lauteten:
§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für die Musiker in Kulturorchestern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, deren Arbeitgeber ein Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins ist.
(2) Kulturorchester sind Orchester, die regelmäßig Operndienst versehen oder Konzerte ernst zu wertender Musik spielen. Orchester, die lediglich oder überwiegend Operettendienst versehen, sind keine Kulturorchester im Sinne dieses Tarifvertrags.
…
§ 15 Dienstzeit
(1) Die Dienstzeit umfasst die bei Kulturorchestern (§ 1 Abs. 2) als Musiker zurückgelegten und die nach den Absätzen 2 und 3 anzurechnenden Zeiten.
(2) Zeiten einer Tätigkeit als Musiker in anderen als Kulturorchestern sowie Zeiten einer sonstigen musikalischkünstlerischen oder einer musikpädagogischen Tätigkeit können auf die Dienstzeit angerechnet werden.
(3) Die in den Absätzen 1 und 2 aufgeführten Zeiten werden nicht angerechnet, wenn der Musiker das Arbeitsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat oder wenn es aus einem von ihm verschuldeten Grund beendet worden ist. Dies gilt nicht, wenn sich an das Arbeitsverhältnis unmittelbar ein anderes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber oder ein Arbeitsverhältnis mit dem rechtlichen Träger eines anderen Kulturorchesters anschließt …
(4) Der Musiker hat die anrechnungsfähigen Zeiten innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Aufforderung durch den Arbeitgeber nachzuweisen. …
Im Dezember 2013 legte die Musikerin dem Arbeitgeber ein Zertifikat über ihre Anstellung als Violinistin im Bergen Filharmoniske Orkester (Norwegen) in der Zeit vom 03.09.2007 bis zum 21.12.2007; und vom 01.09.2008 bis zum 3.06.2009 vor. Sie hat die Auffassung vertreten, Dienstzeiten iSd. § 15 TVK seien auch Tätigkeitszeiten bei Orchestern von Nichtmitgliedern des Deutschen Bühnenvereins. Anders als die Vorgängerregelung enthalte § 1 TVK keine Definition des Kulturorchesters bzw. des Konzert- und Theaterorchesters, sondern regele lediglich noch den Geltungsbereich des TVK. Mit der Anrechnung von Zeiten aus früheren Tätigkeiten auf die Dienstzeit werde die größere Erfahrung eines Musikers honoriert. Eine Nichtberücksichtigung entsprechender Tätigkeitszeiten verstoße im Übrigen gegen Art. 45 Abs. 1 AEUV. Demgegenüber verweigerte der Arbeitgeber die Anrechnung der Beschäftigungszeiten in Norwegen, denn nach § 15 Abs. 1 TVK seien nur Vorbeschäftigungszeiten bei in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen und im Deutschen Bühnenverein organisierten Konzert- und Theaterorchestern als Dienstzeiten anrechenbar. Der Begriff „Konzert- und Theaterorchester“ in § 15 Abs. 1 TVK baue sprachlich und systematisch auf § 1 TVK auf. Dieses Normverständnis entspreche Sinn und Zweck der Regelung sowie dem Willen der Tarifvertragsparteien. In diesem Sinne sei das Bergen Filharmoniske Orkester kein Konzertorchester. Die Tarifregelung verstoße auch nicht gegen Art. 45 Abs. 1 AEUV.
Das Arbeitsgericht hat, wie auch in der Berufungsinstanz das Landesarbeitsgericht München1 der Klage stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht sah dies nun ebenso und wies auch die Revision der Arbeitgeberin zurück:
Die beim Bergen Filharmoniske Orkester verbrachten Tätigkeitszeiten der Musikerin sind Dienstzeiten iSd. § 15 Abs. 1 TVK. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm2.
Die in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachprüfbare Auslegung der Tarifnorm durch das Landesarbeitsgericht3 hält einer solchen Kontrolle jedenfalls im Ergebnis stand. § 15 Abs. 1 TVK sieht neben den Voraussetzungen einer Beschäftigung als Musiker bei einem Konzert- und Theaterorchester keine weiteren Tatbestandsmerkmale wie die Mitgliedschaft im Deutschen Bühnenverein und den Sitz innerhalb der Bundesrepublik Deutschland vor. Sämtliche Tätigkeitszeiten als Musiker bei einem Konzert- und Theaterorchester, unabhängig davon, ob sie im Inland bei einem nicht dem Deutschen Bühnenverein angehörigen Arbeitgeber, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in Vertragsstaaten des EWR-Abkommens oder außerhalb dieser Einzugsbereiche im Ausland verbracht werden, sind darum Dienstzeiten iSv. § 15 Abs. 1 TVK.
Bereits der Wortlaut des § 15 Abs. 1 TVK spricht entscheidend dafür, dass die streitgegenständlichen Tätigkeitszeiten Dienstzeiten im Tarifsinn sind. Darin heißt es, „die Dienstzeit umfasst“ nachfolgend genannte Zeiten. „Umfasst“ bedeutet „zum Inhalt haben“, „bestehen aus“, „sich zusammensetzen aus“4. Mit diesem Begriff wird demnach im Zusammenhang mit den unmittelbar anschließenden, konkret und abschließend bezeichneten Tatbestandsvoraussetzungen der Bedeutungsgehalt des Begriffs „Dienstzeit“ bestimmt. Danach sind alle Zeiten, die bei Konzert- und Theaterorchestern als Musiker zurückgelegt wurden oder die nach den Absätzen 2 und 3 anzurechnen sind, Dienstzeiten iSd. § 15 TVK. Weitere Anforderungen wie etwa die Beschäftigung bei einem Arbeitgeber, der Mitglied im Deutschen Bühnenverein ist, sieht § 15 Abs. 1 TVK seinem Wortlaut nach nicht vor. Diesem Verständnis steht die zur Abfindungsregelung in § 51 TVK aF ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.05.20065 nicht entgegen. Die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, die für einen Abfindungsanspruch erforderlichen Beschäftigungsjahre müssten in Kulturorchestern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt sein, deren Träger Mitglied des Deutschen Bühnenvereins sein müsse, stellte maßgeblich darauf ab, dass § 51 Abs. 1 TVK aF auf § 1 Abs. 2 TVK aF verwies und damit zugleich auch die Definition des Begriffs „Kulturorchester“ in § 1 Abs. 1 TVK aF in Bezug genommen sei6. Entsprechende Bestimmungen enthalten die §§ 1 und 15 TVK nicht mehr. Die Rechtsprechung ist daher insoweit überholt.
Systematische Erwägungen bestätigen dieses Tarifverständnis.
Ein Rückgriff auf die Bestimmung in § 1 TVK kommt – entgegen der Auffassung des Arbeitgebers – für das Normverständnis des § 15 Abs. 1 TVK nicht in Betracht. § 1 TVK regelt allein den räumlichen, persönlichen und betrieblichen Geltungsbereich, wobei der betriebliche Geltungsbereich grundsätzlich auch durch eine Mitgliedschaft im tarifvertragschließenden Arbeitgeberverband bestimmt werden kann7. Der Geltungsbereich entscheidet jedoch nur, ob ein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis überhaupt Anwendung findet8. Welche tatbestandlichen Voraussetzungen für die einzelnen Individualnormen erfüllt sein müssen, bestimmen diese, gegebenenfalls auch unter Bezugnahmen auf andere Tarifnormen, selbst. § 15 Abs. 1 TVK verweist, wie ausgeführt, anders als die Vorgängerregelung, nicht auf § 1 TVK, sondern allein auf § 15 Abs. 2 und Abs. 3 TVK, die ihrerseits ebenfalls nicht auf § 1 TVK Bezug nehmen.
Gegen den Willen der Tarifvertragsparteien, die Verbandszugehörigkeit des Arbeitgebers zur Tatbestandsvoraussetzung für die Anrechenbarkeit der Dienstzeit zu machen, spricht auch, dass sie in § 30 Abs. 4 Satz 2 TVK (Umzugskostenerstattung, Trennungsentschädigung [Trennungsgeld]), § 31a Buchst. b TVK (Übergangsregelungen für die Zahlung von Krankenbezügen), § 38 Abs. 2 Satz 1 TVK (Erholungsurlaub bei Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses im Laufe des Urlaubsjahrs) und § 51 Abs. 2 TVK (Bemessung des Übergangsgelds) als Voraussetzung für die Ansprüche ausdrücklich die Mitgliedschaft des jeweiligen Arbeitgebers im Deutschen Bühnenverein bestimmt haben. Demgegenüber ist in § 15 Abs. 1 und Abs. 3 TVK (Dienstzeit), § 18 TVK (Grundvergütung), § 23 Abs. 1 TVK (Zuwendung – Anspruchsvoraussetzung), § 35 TVK (Jubiläumszuwendungen), Protokollnotiz zu § 39 (Urlaubsabgeltung) sowie in § 53 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 Buchst. a und Abs. 8 Satz 1 Buchst. a TVK (Auflösung oder Verkleinerung des Orchesters) ein solcher Zusatz nicht aufgenommen worden. Damit haben die Tarifvertragsparteien die Tatbestandsvoraussetzungen eindeutig unterschiedlich geregelt und damit klar zum Ausdruck gebracht, dass Ansprüche nach dem TVK nicht zwingend, sondern nur in den ausdrücklich festgelegten Fällen eine Beschäftigung bei einem Arbeitgeber, der Mitglied im Deutschen Bühnenverein ist, voraussetzen sollen.
Gegen die Annahme, Dienstzeiten iSd. § 15 Abs. 1 TVK könnten nur bei einem im Deutschen Bühnenverein organisierten Arbeitgeber verbrachte Zeiten sein, spricht ferner, dass § 15 Abs. 2 TVK eine solche Mitgliedschaft ebenfalls nicht ausdrücklich voraussetzt. Da sich die in dieser Bestimmung enthaltene Anrechnungsregelung gerade auf Betätigungen außerhalb von Konzert- und Theaterorchestern bezieht und zB auch Arbeitsbereiche wie musikpädagogischen Unterricht umfasst, für deren Institutionen eine solche Mitgliedschaft nicht charakteristisch ist, hätten die Tarifvertragsparteien einen entsprechenden Willen unmissverständlich deutlich machen müssen. Dies ist nicht erfolgt. Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien bei der Anrechnung von Dienstzeiten Musiker, die außerhalb von Konzert- und Theaterorchestern tätig waren, gegenüber Musikern bevorzugen wollten, die in solchen Orchestern beschäftigt waren.
Der Auslegung nach Wortlaut und Systematik stehen Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1 TVK nicht entgegen. Diese sind nicht eindeutig. So knüpft etwa § 18 TVK, der ua. die Dienstaltersstufen regelt und damit auch Berufserfahrung honoriert, an die Dienstzeit iSv. § 15 TVK an, während zB § 35 TVK dem Musiker gestaffelt nach Dienstzeit iSd. § 15 TVK ein Jubiläumsgeld gewährt, das typischerweise Betriebstreue honoriert.
Das dargestellte Tarifverständnis entspricht auch den Grundsätzen einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung9. Die Musikerin begehrt die Anrechnung von Tätigkeitszeiten in Norwegen. Zwar ist Norwegen nicht Mitglied der Europäischen Union, sodass Art. 45 AEUV keine Anwendung findet. Allerdings gewährleistet das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vom 02.05.1992 zwischen der Europäischen Union und den EFTA-Staaten, zu denen auch Norwegen gehört und welches Deutschland durch Vertragsgesetz vom 31.03.199310 ratifiziert hat, über Art. 28 EWR eine Anwendung der Grundsätze der Arbeitnehmerfreizügigkeit und eine einheitliche Rechtsanwendung11. Das gefundene Auslegungsergebnis stellt sicher, dass von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machende Musiker nicht ohne objektiven Grund schlechter gestellt werden als jene, die ihre gesamte berufliche Laufbahn ausschließlich in Deutschland zurückgelegt haben, und sie somit in ihrem Recht auf Freizügigkeit nicht behindert werden12.
Die Tätigkeit der Musikerin beim Bergen Filharmoniske Orkester erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen iSd. § 15 Abs. 1 TVK.
Nach der nicht mit einer Rüge angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts war die Musikerin beim Bergen Filharmoniske Orkester als Violinistin und damit als Musikerin iSd. § 15 Abs. 1 TVK tätig.
Bei dem Bergen Filharmoniske Orkester handelt es sich um ein Konzertorchester iSd. § 15 Abs. 1 TVK.
Da der TVK die Begriffe Konzert- und Theaterorchester nicht definiert, ist mangels abweichender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien die Begriffe in dem Sinne verwenden wollten, der dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspricht13.
Danach wird unter einem Orchester ein größeres Ensemble aus Instrumentalisten verstanden, das unter der Leitung eines Dirigenten spielt14. Als Konzertorchester werden insoweit Klangkörper bezeichnet, die überwiegend oder ausschließlich der Pflege des Konzertrepertoires verpflichtet sind15.
Diese Voraussetzungen sind nach den nicht mit Rügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vorliegend gegeben. Zu den Projekten des Bergen Filharmoniske Orkester gehören ua. Orchesterwerke von Leos Janá?ek, Messiaens Turangal?la, Strawinskys Ballette, die Gesamtausgaben von Prokofjews Symphonien und Klavierkonzerten sowie Griegs Orchesterwerke. Damit pflegt es auch ein typisches Repertoire von Konzertorchestern.
Die Musikerin ist mit ihrem Anspruch auf Anrechnung der beim Bergen Filharmoniske Orkester verbrachten Zeiten als Dienstzeit iSv. § 15 Abs. 1 TVK nicht ausgeschlossen.
Die streitgegenständlichen Zeiten sind nicht nach § 15 Abs. 3 Satz 1 TVK von der Anrechnung auf die tarifliche Dienstzeit ausgenommen. Nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts hat sich der Arbeitgeber auf diese Bestimmung nicht berufen.
Die Anrechnung der streitgegenständlichen Zeiten ist entgegen der Annahme der Revision auch nicht nach § 15 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 TVK ausgeschlossen.
Unstreitig hat die Musikerin dem Arbeitgeber im Dezember 2013 und damit innerhalb der dreimonatigen Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 TVK nach Beginn ihres Arbeitsverhältnisses am 1.10.2013 ein Zertifikat über ihre beim Bergen Filharmoniske Orkester verbrachten Tätigkeitszeiten als erste Violinistin vom 03.09.2007 bis zum 21.12.2007; und vom 01.09.2008 bis zum 3.06.2009 – ausgestellt vom Orchestermanager des Bergen Filharmoniske Orkesters – vorgelegt. Der Arbeitgeber beruft sich nunmehr erstmals in der Revision auf inhaltliche Unzulänglichkeiten dieses Zertifikats. Ein entsprechender Vortrag in den Vorinstanzen ergibt sich weder aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch aus den in der angefochtenen Entscheidung in Bezug genommenen Schriftsätzen des Arbeitgebers oder der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht. Damit handelt es sich um neues Tatsachenvorbringen in der Revisionsinstanz, das nach § 72 Abs. 5 ArbGG, § 559 ZPO nicht zu berücksichtigen ist16.
Unabhängig hiervon wäre die Musikerin nicht gehindert, noch einen weiteren Beleg über die streitgegenständlichen Zeiten zu erbringen. Die dreimonatige Ausschlussfrist wird nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 4 Satz 1 TVK erst in Gang gesetzt, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer einen entsprechenden Nachweis über die anrechnungsfähigen Zeiten verlangt hat17. Eine solche Aufforderung hat der Arbeitgeber nicht vorgetragen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. März 2023 – 6 AZR 124/22
- LAG München 17.02.2022 – 3 Sa 613/21[↩]
- zu den Auslegungsgrundsätzen für Tarifverträge vgl. BAG 13.10.2021 – 4 AZR 365/20, Rn. 21; 1.12.2020 – 9 AZR 104/20, Rn. 24 mwN; 7.02.2019 – 6 AZR 44/18, Rn. 27 mwN[↩]
- vgl. hierzu BAG 8.12.2022 – 6 AZR 481/21, Rn. 23; 20.07.2022 – 10 AZR 41/22, Rn. 14 mwN[↩]
- vgl. Duden Synonymwörterbuch 7. Aufl. Stichwort: umfassen[↩]
- BAG 18.05.2006 – 6 AZR 422/05[↩]
- BAG 18.05.2006 – 6 AZR 422/05, Rn. 18 f.[↩]
- Schaub ArbR-HdB/Treber 19. Aufl. § 202 Rn. 13 unter Verweis auf BAG 21.01.2015 – 4 AZR 797/13, BAGE 150, 304[↩]
- Däubler/Deinert/Wenckebach TVG 5. Aufl. § 4 Rn.195[↩]
- vgl. hierzu BVerfG 21.06.2016 – 2 BvR 637/09, Rn.19 mwN, BVerfGE 142, 234; 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, Rn. 71 mwN, BVerfGE 141, 1[↩]
- BGBl. II S. 266[↩]
- sh. BT-Drs. 12/3202 S. 430 f.[↩]
- EuGH 28.04.2022 – C-86/21 – [Gerencia Regional de Salud de la Junta de Castilla y León] Rn. 24 ff.; 12.05.2021 – C-27/20 – [CAF] Rn. 32 mwN; vgl. auch BAG 29.04.2021 – 6 AZR 232/17, Rn. 21, BAGE 175, 14[↩]
- BAG 19.10.2022 – 4 AZR 470/21, Rn. 50; 16.12.2020 – 4 ABR 8/20, Rn. 25 mwN; 25.02.2009 – 4 AZR 41/08, Rn. 21, BAGE 129, 355[↩]
- vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort: Orchester[↩]
- vgl. Deutsches Musikinformationszentrum – Deutscher Musikrat – Institutionen Konzertorchester unter https://miz.org/de/musikleben/institutionen/orchester/konzertorchester[↩]
- sh. etwa BAG 19.11.2020 – 6 AZR 449/19, Rn. 41 mwN[↩]
- sh. auch LAG Nürnberg 14.10.2021 – 5 Sa 162/21, zu II 2 der Gründe[↩]
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