Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Folge der Zurückweisung iSd. § 174 Satz 1 BGB ist – unabhängig vom Bestehen einer Vollmacht – die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts; eine Heilung oder Genehmigung nach § 177 BGB scheidet aus1.

Das Zurückweisungsrecht ist nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber demjenigen, gegenüber dem das einseitige Rechtsgeschäft vorgenommen werden soll, die Bevollmächtigung (vorher) mitgeteilt hatte.
§ 174 BGB dient dazu, bei einseitigen Rechtsgeschäften klare Verhältnisse zu schaffen. Der Erklärungsempfänger ist zur Zurückweisung der Kündigung berechtigt, wenn er keine Gewissheit darüber hat, dass der Erklärende tatsächlich bevollmächtigt ist und sich der Arbeitgeber dessen Erklärung deshalb zurechnen lassen muss2. Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung soll nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende hat und ob damit das Recht zur Kündigung verbunden ist oder üblicherweise verbunden zu sein pflegt. Er soll vor der Ungewissheit geschützt werden, ob eine bestimmte Person bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft vorzunehmen3. Gewissheit können eine Vollmachtsurkunde oder ein In-Kenntnis-Setzen schaffen. Das In-Kenntnis-Setzen nach § 174 Satz 2 BGB muss ein gleichwertiger Ersatz für die Vorlage einer Vollmachtsurkunde sein4.
Ein In-Kenntnis-Setzen in diesem Sinne liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter – zB durch die Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter der Personalabteilung – in eine Stelle berufen hat, mit der üblicherweise ein Kündigungsrecht verbunden ist5. Dabei reicht die interne Übertragung einer solchen Funktion nicht aus. Erforderlich ist, dass sie auch nach außen im Betrieb ersichtlich ist oder eine sonstige Bekanntmachung erfolgt6. Der Erklärungsempfänger muss davon in Kenntnis gesetzt werden, dass der Erklärende die Stellung tatsächlich innehat7.
Kündigt ein Prokurist, kann die Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB selbst dann ausgeschlossen sein, wenn der Erklärungsempfänger keine Kenntnis von der Erteilung der Prokura bzw. der Prokuristenstellung hat8. Ist die Prokura bereits länger als fünfzehn Tage im Handelsregister eingetragen, wird die nach § 174 Satz 2 BGB erforderliche Kenntnis des Erklärungsempfängers von der Bevollmächtigung im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs durch § 15 Abs. 2 HGB fingiert. Aufgrund der Regelung in § 15 Abs. 2 Satz 1 HGB muss sich der Erklärungsempfänger so behandeln lassen, als ob er die länger als fünfzehn Tage eingetragene Tatsache kennt9. Eine direkte Kundgabe der Bevollmächtigung und der Person des Bevollmächtigten durch den Vollmachtgeber ist in diesen Fällen aufgrund der Publizität des Handelsregisters entbehrlich10.
Eine Zurückweisung der Kündigung nach § 174 Satz 2 BGB scheidet, auch dann aus, wenn der kündigende Personalleiter zugleich (Gesamt-)Prokurist ist und die im Handelsregister publizierte Prokura sein – alleiniges – Handeln nicht deckt. Es genügt, dass der Kündigungsempfänger aufgrund der – ihm bekannten – Stellung des Kündigenden als Personalleiter von einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung zum alleinigen Ausspruch von Kündigungen ausgehen muss. Ob der Personalleiter zugleich eine ausreichende Vertretungsmacht als (Gesamt-)Prokurist besitzt, ist grundsätzlich ohne Belang.
Ist der Arbeitnehmer über die Person des Personalleiters hinreichend in Kenntnis gesetzt, muss er allein aus dessen Stellung folgern, dieser habe im Verhältnis zur Belegschaft alleinige Vertretungsmacht zum Ausspruch von Kündigungen11. Die entsprechende Befugnis eines Personalleiters wird dadurch, dass er zugleich zum Gesamtprokuristen bestellt ist, nicht begrenzt. Für die unbeschränkte Vertretungsmacht eines Personalleiters zur Erklärung von Kündigungen spielt es keine Rolle, ob er in seiner Funktion als Gesamtprokurist – ansonsten – nur zur gemeinsamen Vertretung mit einem anderen Prokuristen oder einem gesetzlichen Vertreter des Arbeitgebers befugt ist. Der Kläger hatte damit objektiv keinen Anlass, an der uneingeschränkten Befugnis von Herrn K zum Ausspruch von Kündigungen zu zweifeln.
Aus dem Umstand, dass der Personalleiter das Kündigungsschreiben mit dem Zusatz „ppa“ unterzeichnete, folgt nichts anderes.
Nach § 51 HGB hat ein Prokurist in der Weise zu zeichnen, dass er der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden Zusatz beifügt. Der Zusatz soll klarstellen, dass der Erklärende als Prokurist für den Inhaber handelt12. Für die Gesamtprokura gelten insoweit keine Besonderheiten13. Der Gesamtprokurist zeichnet selbst dann mit dem gewöhnlichen Prokurazusatz, wenn er allein mit interner Zustimmung des anderen Gesamtprokuristen handelt14. So kann ein Gesamtprokurist ein Aktivgeschäft für den Inhaber allein vornehmen, wenn der andere Gesamtprokurist ihn zum Handeln für sie beide hinsichtlich bestimmter Geschäfte ermächtigt hat15. Das Gleiche gilt, wenn ein einseitiges Handeln nachträglich durch den anderen Gesamtprokuristen genehmigt wird16. Herr K kann deshalb auch bei einem Handeln als Gesamtprokurist eine alleinige Vertretungsbefugnis zum Ausspruch von Kündigungen aufgrund interner Bevollmächtigung in Anspruch genommen haben.
Wirksame Stellvertretung setzt überdies nicht voraus, dass der Vertreter klarstellt, aufgrund welcher ihm rechtsgeschäftlich verliehenen Bevollmächtigung er für den Vertretenen auftritt. Nach § 164 Abs. 1 und Abs. 2 BGB muss er lediglich im Namen des Vertretenen und im Rahmen der ihm zustehenden Vertretungsmacht handeln. Es bedarf keines Hinweises auf die maßgebliche Bevollmächtigung. § 174 BGB eröffnet die Möglichkeit der Zurückweisung nur dann, wenn weder eine Vollmachtsurkunde vorgelegt wird noch der Erklärungsempfänger zuvor von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt worden ist.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. September 2014 – 2 AZR 567/13
- BAG 19.04.2007 – 2 AZR 180/06, Rn. 37; 20.09.2006 – 6 AZR 82/06, Rn. 33, BAGE 119, 311[↩]
- BAG 14.04.2011 – 6 AZR 727/09, Rn. 23, BAGE 137, 347; 29.10.1992 – 2 AZR 460/92, zu II 2 a der Gründe[↩]
- BAG 14.04.2011 – 6 AZR 727/09 – aaO; 20.09.2006 – 6 AZR 82/06, Rn. 46, 52, BAGE 119, 311[↩]
- BAG 14.04.2011 – 6 AZR 727/09 – aaO; vgl. auch BAG 20.08.1997 – 2 AZR 518/96, zu II 3 b bb der Gründe[↩]
- st. Rspr. seit 30.05.1972 BAG – 2 AZR 298/71, BAGE 24, 273; vgl. zuletzt BAG 14.04.2011 – 6 AZR 727/09, Rn. 25, BAGE 137, 347[↩]
- BAG 14.04.2011 – 6 AZR 727/09 – aaO; 20.08.1997 – 2 AZR 518/96, zu II 3 b bb der Gründe[↩]
- BAG 14.04.2011 – 6 AZR 727/09 – aaO; 29.10.1992 – 2 AZR 460/92, zu II 2 a der Gründe; BGH 20.10.2008 – II ZR 107/07, Rn. 11, 14[↩]
- BAG 14.04.2011 – 6 AZR 727/09, Rn. 27, BAGE 137, 347[↩]
- BAG 14.04.2011 – 6 AZR 727/09 – aaO; 11.07.1991 – 2 AZR 107/91[↩]
- BAG 14.04.2011 – 6 AZR 727/09, Rn. 28, aaO[↩]
- vgl. BAG 29.10.1992 – 2 AZR 460/92, zu II 2 der Gründe[↩]
- BAG 11.07.1991 – 2 AZR 107/91, zu B II 1 b und 2 b dd der Gründe; MünchKommHGB/Krebs 3. Aufl. § 51 Rn. 1; Oetker/Schubert HGB 3. Aufl. § 51 Rn. 1; Staub/Joost HGB 5. Aufl. § 51 Rn. 1[↩]
- Staub/Joost aaO Rn. 8[↩]
- Staub/Joost aaO[↩]
- MünchKommHGB/Krebs aaO § 48 Rn. 98; Oetker/Schubert aaO § 48 Rn. 69; Staub/Joost aaO § 48 Rn. 115; allgemein für Gesamtvertreter BGH 25.11.1985 – II ZR 115/85; 12.12 1960 – II ZR 255/59, zu II der Gründe, BGHZ 34, 27[↩]
- vgl. nur MünchKommHGB/Krebs aaO § 48 Rn. 97 mwN; allgemein zur Gesamtvertretung RG 18.02.1921 – III 354/20 – RGZ 101, 342[↩]