Steht dem bei einem Unfall im Straßenverkehr verletzten Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung zu zahlende Ergebnisbeteiligung trotz seiner zeitweisen Arbeitsunfähigkeit ungekürzt zu, so steht dies der Annahme eines (normativen) Verdienstausfallschadens in Höhe des rechnerisch auf die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit entfallenden Teils der Prämie nicht entgegen. Ob sich die Ergebnisbeteiligung arbeitsrechtlich als Entgelt im engeren Sinne, als Belohnung für die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue oder als Anreiz für künftige Betriebstreue darstellt oder diese Elemente miteinander verbindet, ist schadensrechtlich grundsätzlich ohne Bedeutung1.

Dies folgt freilich noch nicht aus der sogenannten Differenzhypothese. Ihr zufolge ist die Frage, ob ein zu ersetzender Schaden vorliegt, grundsätzlich durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen2. Ist die infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretene Vermögenslage ungünstiger als diejenige, die sich ohne das Ereignis ergeben hätte, so hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Differenzschaden zu ersetzen3.
Im Streitfall liegt eine solche Differenz in Bezug auf Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus nicht vor. Denn der Anspruch des Verletzten auf Zahlung dieser Prämien für das Jahr 2013 wurde nach der insoweit maßgeblichen, zwischen der Arbeitgeberin und ihrem Gesamtbetriebsrat geschlossenen „Freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung zur Ergebnisbeteiligung“ durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Verletzten weder im Bestand noch in der Höhe beeinträchtigt. Dem Verletzten standen die Ansprüche trotz seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit in voller Höhe zu.
Die rechnerisch auf den Zeitraum der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit des Verletzten entfallenden Teile von Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus sind aber nach den zur normativen Schadensbetrachtung entwickelten Grundsätzen als Schaden des Verletzten anzusehen.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die Differenzrechnung dann normativ wertend zu korrigieren ist, wenn die Differenzbilanz die Schadensentwicklung für den Normzweck der Haftung nicht hinreichend erfasst4. Dies ist unter anderem dann anzunehmen, wenn die Vermögenseinbuße durch Leistungen von Dritten, die den Schädiger nicht entlasten sollen, rechnerisch ausgeglichen wird5. Erfolgt die Leistung des Dritten wie bei Zahlungen des Arbeitgebers im Rahmen des Entgeltfortzahlungsgesetzes auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die den Übergang des korrespondierenden Schadensersatzanspruchs des Verletzten gegen den Schädiger auf den leistenden Dritten vorsieht, liegt dies auf der Hand; denn ohne die Annahme eines (normativen) Schadens ginge der Anspruchsübergang stets ins Leere. Der Anwendungsbereich der dargestellten Grundsätze ist aber nicht darauf beschränkt. So kommt die Annahme eines normativen Schadens etwa auch dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber dem Verletzten dessen Arbeitsentgelt trotz Arbeitsunfähigkeit über das vom Entgeltfortzahlungsgesetz verlangte Maß hinaus gewährt und es insoweit nicht zu einem gesetzlichen Anspruchsübergang nach § 6 Abs. 1 EFZG kommt6. Denn auch insoweit haben die Zahlungen des Arbeitgebers nicht den Sinn, den Schädiger zu entlasten.
Nach diesen Grundsätzen steht der Umstand, dass der Anspruch des Verletzten gegen die Arbeitgeberin auf Zahlung von Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus nach der ihm zugrundeliegenden Betriebsvereinbarung in Bestand und Höhe von der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit des Verletzten unabhängig ist, der Annahme eines entsprechenden Schadens nicht entgegen. Denn diese Prämien dienten jedenfalls auch der Vergütung der Arbeitsleistung des Verletzten im Jahr 2013, die dieser aufgrund seiner zeitweisen Arbeitsunfähigkeit zum Teil nicht zu erbringen vermochte. Die bereits aus der Gesamtbetriebsvereinbarung folgende Pflicht der Arbeitgeberin, dem Verletzten die Prämien trotz seiner zeitweisen Arbeitsunfähigkeit voll zu bezahlen, diente nicht dem Zweck, den Schädiger zu entlasten.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt Entgelte für die geleistete Arbeit darstellen, die zum Verdienst des Arbeitnehmers gehören und die der Arbeitgeber deshalb im Wege des Schadensersatzes – sobald die Forderung auf ihn übergegangen ist bzw. ihm übertragen wurde – gegen den Schädiger geltend machen kann7. Dasselbe gilt für die Weihnachts-8 bzw. Jahreszuwendung9. Zwar kann deren Zweck unterschiedlich sein, also entweder als Entgelt im engeren Sinne ausschließlich darauf gerichtet sein, die im vorausgegangen Jahr geleistete Arbeit zusätzlich zu vergüten, allein als Belohnung für die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue oder Anreiz für künftige Betriebstreue gemeint sein oder beide Elemente miteinander verbinden10. Bei der Abwicklung von Schadensersatzansprüchen kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die – grundsätzlich durch Auslegung der zugrundeliegenden Vereinbarung vorzunehmende – Einordnung der Jahreszuwendung in eine dieser Kategorien aber nicht an. Dies rechtfertigt sich insbesondere daraus, dass eine Jahreszuwendung mit Treuecharakter die Betriebstreue in aller Regel nicht um ihrer selbst willen, sondern im Hinblick auf die im Betrieb für den Arbeitgeber geleistete Arbeit honorieren wird11.
Nichts anderes kann für die im Streitfall in Rede stehende Ergebnisbeteiligung einschließlich Sonderbonus gelten. Selbst wenn die Annahme des Berufungsgerichts, bei diesen Zahlungen handle es sich um „Prämien mit ausschließlichem Treuecharakter“ zuträfe, würde durch sie nicht die Treue des Verletzten um ihrer selbst willen, sondern im Hinblick auf die für das Unternehmen der Arbeitgeberin geleistete Arbeit honoriert.
Davon unabhängig teilt der Bundesgerichtshof die Auffassung, dass eine Einordnung von Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus als Belohnung allein für die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue unzutreffend ist. So ergibt sich ein hinreichender Bezug der Prämien zur tatsächlichen Arbeitsleistung bereits daraus, dass nach dem klaren Wortlaut der Gesamtbetriebsvereinbarung nur diejenigen Beschäftigten voll anspruchsberechtigt sind, die im gesamten Geschäftsjahr 2013 in einem aktiven Vollzeit-Arbeitsverhältnis tätig waren.
Dabei war für den Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall aufgrund einer Abtretung durch den Arbeitnehmer ohne Bedeutung, ob der in der vornehmlich arbeitsrechtlichen Literatur12 an der weiten Auslegung von § 6 Abs. 1 EFZG durch den Bundesgerichtshof13 geübten Kritik zu folgen ist. Denn nach dem Gesagten kommt es im Streitfall weder für die Frage, ob dem Verletzten unter normativen Gesichtspunkten ein Schaden entstanden ist, noch für die Frage, ob die Arbeitgeberin hinsichtlich des zunächst dem Verletzten zustehenden Schadensersatzanspruchs aktivlegitimiert ist, darauf an, ob und in welchem Umfang das Entgeltfortzahlungsgesetz greift.
Für das weitere Verfahren weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass der auf den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit des Verletzten entfallende Teil der Ergebnisbeteiligung einschließlich Sonderbonus nach der von der Arbeitgeberin herangezogenen Formel
Prämie* x ( Krankheitstage** / ( 365 Kalendertage – Urlaubstage**) )
* brutto, ggfs. einschließlich Arbeitgeberanteile
** brutto
berechnet werden kann14. Die Formel berücksichtigt, dass während der Urlaubszeit nicht gearbeitet wird und der Gesamtjahresverdienst, zu dem nach dem Gesagten auch die Ergebnisbeteiligung und Sonderbonus gehören, daher an den restlichen Tagen verdient wird15.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. November 2016 – VI ZR 40/16
- Fortführung BGH, Urteil vom 07.05.1996 – VI ZR 102/95, BGHZ 133, 1, 4 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 18.01.2011 – VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78 Rn. 8 mwN[↩]
- BGH aaO[↩]
- z.B. BGH, Urteile vom 07.11.2000 – VI ZR 400/99, VersR 2001, 196, 197; vom 07.07.1998 – VI ZR 241/97, BGHZ 139, 167, 171; vom 27.04.1965 – VI ZR 124/64, BGHZ 43, 378, 381 f.; vom 22.06.1956 – VI ZR 140/55, BGHZ 21, 112, 113 ff.; BGH, Urteil vom 19.06.1952 – III ZR 295/51, BGHZ 7, 30, 46 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 07.11.2000 – VI ZR 400/99 aaO[↩]
- vgl. Zoll in Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 32, Rn. 59[↩]
- BGH, Urteile vom 13.08.2013 – VI ZR 389/12, VersR 2013, 1274 Rn. 15 [Urlaubsentgelt]; vom 28.01.1986 – VI ZR 30/85, VersR 1986, 650, 651 [Urlaubsgeld]; vom 04.07.1972 – VI ZR 114/71, BGHZ 59, 109, 111 ff. [Urlaubsentgelt][↩]
- BGH, Urteil vom 29.02.1972 – VI ZR 192/70, NJW 1972, 766[↩]
- BGH, Urteil vom 07.05.1996 – VI ZR 102/95, BGHZ 133, 1, 3 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 07.05.1996 – VI ZR 102/95 aaO, 4[↩]
- BGH aaO, 5 f.[↩]
- vgl. etwa Reinhard, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Auflage, EFZG, § 6 Rn. 10; BeckOK ArbR/Ricken, EFZG, § 6 Rn. 18 [Stand der Bearbeitung: 1.09.2016]; Rudolphy/Schwab, VersR 2014, 390; Schlünder, NZA 2012, 1126, 1130 ff.[↩]
- vgl. etwa BGH, Urteil vom 13.08.2013 – VI ZR 389/12, VersR 2013, 1274 Rn. 15 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.05.1996 – VI ZR 102/95, BGHZ 133, 1, 8; ferner Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl., Rn. 113[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 13.08.2013 – VI ZR 389/12, VersR 2013, 1274 Rn. 17; vom 07.05.1996 – VI ZR 102/95, aaO, 9; vom 04.07.1972 – VI ZR 114/71, BGHZ 59, 109, 115[↩]