Ein gewissenhafter Prozessbevollmächtigter prüft, ob bereits Entscheidungen des maßgeblichen Spruchkörpers zur streitgegenständlichen Rechtsfrage vorliegen; und vom Gericht dazu eine Pressemitteilung veröffentlicht wurde.

Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern.
Dabei kann es in besonderen Fällen auch geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will, damit sie bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann.
Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht.
Jedoch müssen Verfahrensbeteiligte, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen [1].
Wie gewissenhafte und kundige Prozessbevollmächtigte wissen, gibt das Bundesarbeitsgericht bei Entscheidungen zu grundlegenden Rechtsfragen Pressemitteilungen heraus. Ein gewissenhafter Prozessbevollmächtigter prüft, wenn er – wie hier die Prozessbevollmächtigten der Beklagten – ein Revisionsverfahren zur sog. Escapeklausel führt, in dem es auf eine grundlegende Rechtsfrage ankommt, ob bereits Entscheidungen des maßgeblichen Spruchkörpers vorliegen und dazu eine Pressemitteilung veröffentlicht ist.
Das gilt umso mehr, wenn Prozessbevollmächtigte ihre Sachkunde bereits öffentlich gemacht haben [2], insbesondere wenn ihnen die betreffenden Aktenzeichen der beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Revisionsverfahren zu dieser Frage bekannt sind [3].
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 3. Juni 2020 – 3 AZR 255/20 (F)
- zum Ganzen nur BVerfG 27.09.2018 – 1 BvR 426/13, Rn. 2 mwN[↩]
- vgl. Kielkowski/Schmalz BB 2019, 2420[↩]
- vgl. Kielkowski/Schmalz BB 2019, 2420, 2423 Fußnote 41[↩]