Die hinreichende Erfolgsaussicht einer Klage darf im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht verneint werden, wenn streitentscheidend eine schwierige und ungeklärte Rechtsfrage ist.

Ein Schadensersatzanspruch nach § 10 Abs. 2 AÜG gegen den Verleiher besteht nicht, wenn der Leiharbeitnehmer gegenüber dem Entleiher auf Nachzahlungsansprüche nach dem Grundsatz des „equal pay“ verzichtet hat.
Ob § 10 Abs. 4 S. 4 AÜG auf alle Fälle illegaler Arbeitnehmerüberlassung analog anzuwenden ist, wie dies eine verbreitete Literaturansicht vertritt, ist eine schwierige und ungeklärte Rechtsfrage, die nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu beantworten ist.
Die Höhe des Schadens des Leiharbeitnehmers besteht in der Differenz zwischen der Vergütung nach einer Eingruppierung in die einschlägige beim Entleiher angewandte Vergütungsordnung (hier: TVöD) und dem beim Verleiher erzielten Verdienst. Zur Darlegung dieser Differenz hat der Prozesskostenhilfe begehrende Kläger die Eingruppierungsvorrausetzungen schlüssig darzulegen.
Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass das Gericht den Rechtsstandpunkt der PKH-begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Das Prozesskostenhilfeverfahren dient dabei nicht dem Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen abschließend vorweg zu entscheiden. Eine Unterinstanz darf etwa die Erfolgsaussicht nicht verneinen, wenn eine schwierige, entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht geklärt ist und es angebracht ist, dass die höhere Instanz sich mit ihr befasst1.
Ob der Arbeitnehmerin für ihr Begehren eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung steht, ist nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu klären. Die sich insoweit stellenden Rechtsfragen sind schwierig und ungeklärt. Dies bezieht sich namentlich darauf, ob vorliegend ein Anspruch analog § 10 Abs. 4 AÜG für die Arbeitnehmerin in Betracht kommt.
Nach § 10 Abs. 2 AÜG kann der Leiharbeitnehmer im Falle der Unwirksamkeit seines Vertrags mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 1 von diesem Ersatz des Schadens verlangen, den er dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut. Ersetzt wird also der Vertrauensschaden2).
Nach § 10 Abs. 2 AÜG kann der Leiharbeitnehmer im Falle der Unwirksamkeit seines Vertrags mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 1 von diesem Ersatz des Schadens verlangen, den er dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut. Ersetzt wird also der Vertrauensschaden2).
Nach § 10 Abs. 4 Satz 4 AÜG hat der Verleiher für den Fall der Unwirksamkeit der Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 2 AÜG dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.
Die Vorschrift ist nicht einschlägig, weil die Vereinbarung zwischen der Arbeitnehmerin als Leiharbeitnehmerin und der Arbeitgeberin als Verleiher im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 4 AÜG nicht nach § 9 Nr. 2 unwirksam gewesen ist, sondern nach § 9 Nr. 1 AÜG.
Streitig ist indes, ob in der vorliegenden Fallkonstellation nicht ein Anspruch der Arbeitnehmerin analog § 10 Abs. 4 Sätze 1 und 4 AÜG in Betracht kommt.
Zutreffend weist die Arbeitnehmerin darauf hin, dass eine verbreitete Literaturansicht
§ 10 Abs. 4 AÜG auf alle Fälle illegaler Arbeitnehmerüberlassung anwendet. So heißt es im Kommentar von Ulber3, Satz 4 sei auch in den Fällen anwendbar, in denen der Arbeitsvertrag insgesamt unwirksam sei. Ebenso sei der Leiharbeitnehmer in Fällen illegaler Arbeitnehmerüberlassung hinsichtlich aller Arbeitsbedingungen mit einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers gleichzustellen. Dem hat sich auch Schüren4 ausdrücklich angeschlossen. Folgt man dieser Auffassung, ließe sich der hier geltend gemachte Anspruch auf die Differenz zwischen der bei der Gemeinde G. theoretisch erzielbaren Vergütung und den tatsächlichen Zahlungen durch die Arbeitgeberin auf eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 4 AÜG stützen.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht allerdings auf erhebliche systematische Bedenken gegen diese Auffassung hingewiesen. Höchstrichterliche Entscheidungen zu dieser Frage gibt es nicht.
Damit ist nach Einschätzung des Beschwerdegerichts die Rechtslage zumindest zweifelhaft und ungeklärt. Es spricht viel dafür, dass in einem Fall der vorliegenden Art das Landesarbeitsgericht die Revision gegen seine Entscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) zulassen müsste. Damit kann die Voraussetzung einer hinreichenden Erfolgsaussicht für die Klage nicht verneint werden.
Der Höhe nach bestehen im hier entschiedenen Fall allerdings nur Erfolgsaussichten für eine Klage auf Basis der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 1 TVöD-VKA.
In die Entgeltgruppe 1 sind nach der Anlage 3 zum TVÜ-VKA Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten eingruppiert. Hierzu gehören nach den ausdrücklich im Tarifvertrag genannten Regelbeispielen u. a. Essens- und Getränkeausgeber/innen sowie Spülen und sonstige Tätigkeiten im Haus- und Küchenbereich.
Die Arbeitnehmerin ist zu diesen Beschäftigten mit einfachsten Tätigkeiten zu rechnen. Sie hat nach ihren eigenen Angaben in der Klage vor allem das Essen vorbereitet und ausgegeben sowie die Getränke für die betreuten Kinder und das Personal zubereitet. Gekocht hat die Arbeitnehmerin nicht. Das Essen wurde von einem externen Cateringunternehmen angeliefert.
Landesarbeitsgericht Schleswig -Holstein, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 1 Ta 72 b/15