Prozesskostenhilfe und Vergleichsmehrwert

Für einen Vergleichsmehrwert, für den Prozesskostenhilfe bewilligt bzw. ein Rechtsanwalt gem. § 11a ArbGG beigeordnet ist, steht dem beigeordneten Rechtsanwalt (neben der 0,8 Verfahrensgebühr)

Prozesskostenhilfe und Vergleichsmehrwert
  • bei Mitwirkung des Gerichts am Vergleichsschluss (z.B. Erörterung des nicht rechtshängigen Gegenstands im Termin) eine 1,2-fache Terminsgebühr und 1,0-fache Einigungsgebühr;
  • bei fehlender Mitwirkung des Gerichts (z.B. lediglich Protokollierung des nicht rechtshängigen Gegenstands im Termin) eine 1,5-fache Einigungsgebühr, jedoch keine Terminsgebühr zu.

Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG entsteht die 1,5-fache Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Nach Nr. 1003 VV RVG betragen die Gebühren nach Nr. 1000 bis 1002 VV RVG 1,0, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. Nach Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 VV RVG gilt dies auch, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbstständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird oder sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 erstreckt (§ 48 Abs. 3 RVG).

Die 2. Alternative in Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 VV RVG erfasst dabei nur solche Fallgestaltungen, in denen das Gericht lediglich für die Protokollierung eines bereits vollständig ausgehandelten Vergleichs in Anspruch genommen wird. Sie greift schon dann nicht mehr ein, wenn sich das Gericht inhaltlich mit den nicht rechtshängigen Gegenständen befassen und insbesondere die hinreichende Erfolgsaussicht und die fehlende Mutwilligkeit für diese Gegenstände nach § 114 Satz 1 ZPO beurteilen muss. In diesem Fall liegt eine Befassung des Gerichts mit den Gegenständen vor, die es rechtfertigt, lediglich die 1,0-fache Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG entstehen zu lassen. Entgegen der früheren Auffassung des Landesarbeitsgerichts1 hat das Gericht die hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung und die fehlende Mutwilligkeit zu prüfen, wenn Prozesskostenhilfe hinsichtlich eines Gegenstands beantragt wird, der bislang nicht anhängig ist. Auch für einen Vergleich darf Prozesskostenhilfe, bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags, nur bewilligt werden, wenn und soweit die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat2 und nicht mutwillig ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob die hinreichenden Erfolgsaussichten hinsichtlich der im Mehrvergleich geregelten Gegenstände regelmäßig vermutet wird3 oder genau zu prüfen ist4. Auf alle Fälle muss das Gericht nach beiden Auffassungen die Frage der Mutwilligkeit prüfen5 und damit sich mit dem Gegenstand inhaltlich auseinandersetzen. Durch diese Befassung ist aber der Gesetzeszweck, das anwaltliche Bestreben, Streitigkeiten möglichst ohne Anrufung des Gerichts beizulegen, nicht mehr in dem Maße erreicht worden, wie es der Gesetzgeber mit der Nr. 1000 VV RVG erstrebt hat. Wenn das Gericht letztlich im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Parteien überhaupt erst die notwendigen Anstöße für die gütliche Einigung gerade des nicht rechtshängigen Gegenstands gibt, kann von einer reinen Beurkundungsfunktion des Gerichts nicht mehr die Rede sein. Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz6 darauf hin, dass das Gericht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers im Hinblick auf möglicherweise zwischenzeitlich – nicht auch zuletzt durch den abgeschlossenen Vergleich selbst – eingetretenen Veränderungen nochmals zu prüfen hat.

Weiterlesen:
Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung - und die Rechtsbeschwerde

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. September 2010 – 5 Ta 132/10

  1. LAG Baden-Württemberg 26.07.2001 – 4 Ta 33/01; LAG Baden-Württemberg 28.10.2008 – 3 Ta 210/08, AGS 2009, 58 = Justiz 2009, 16[]
  2. Zöller/Geimer ZPO 28. Auflage § 114 Rn. 27 m. w. N.[]
  3. OLG Karlsruhe 26.05.2003 – 2 WF 29/03, FamRZ 2004, 550 = OLGR Karlsruhe 2004, 355; MünchKommZPO-Motzer 3. Auflage § 114 Rn. 16[]
  4. so wohl Zöller/Geimer ZPO 28. Auflage § 114 Rn. 27[]
  5. OLG Karlsruhe 26.05.2003 – 2 WF 29/03, FamRZ 2004, 550 = OLGR Karlsruhe 2004, 355 m. w. N.[]
  6. LAG Rheinland-Pfalz 04.05.2009 – 5 Ta 97/09[]