Rechtsbeschwerde – und das in der Vorinstanz fehlerbehandelte Ablehnungsgesuch

Der verfahrensbeendenden (instanzbeendenden) Entscheidung vorausgegangene unanfechtbare Entscheidungen unterliegen gemäß §§ 92a, 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 557 Abs. 2 ZPO nicht der Beurteilung des Rechtsbeschwerdegerichts. Deshalb ist eine inzidente Überprüfung der Entscheidung des Beschwerdegerichts über ein Ablehnungsgesuch im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die unter Mitwirkung des erfolglos abgelehnten Richters getroffene Sachentscheidung grundsätzlich ausgeschlossen. Der Beteiligte, dessen Befangenheitsantrag abgelehnt worden ist, ist vielmehr auf die beim Ausgangsgericht zu erhebende Anhörungsrüge gemäß § 78a ArbGG zu verweisen1.

Rechtsbeschwerde – und das in der Vorinstanz fehlerbehandelte Ablehnungsgesuch

Allerdings kann der absolute Revisionsgrund der fehlerhaften Besetzung des Gerichts ausnahmsweise mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, wenn das Ablehnungsgesuch nicht nur fehlerhaft behandelt worden ist, sondern das Gericht zweiter Instanz bei der Bescheidung des Ablehnungsgesuchs Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat. Dann stellt die in fehlerhafter Besetzung ergangene, die Instanz abschließende Entscheidung einen eigenständigen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters dar.

In einem solchen Fall ist auch die dem Ablehnungsgesuch folgende Sachentscheidung mit dem „Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter behaftet“2. Der Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters wirkt insoweit fort.

Aufgrund der Ausstrahlungswirkung der Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters muss das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht in dieser Konstellation die im Ablehnungsverfahren vor dem Gericht zweiter Instanz erfolgten Verfassungsverstöße im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beheben und die in fehlerhafter Besetzung ergangene Entscheidung aufheben3.

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Diese Grundsätze gelten nicht nur für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren im Urteilsverfahren4, sondern nach § 92a ArbGG entsprechend auch im Beschlussverfahren5.

Die dienstliche Äußerungen des4 abgelehnten Richters – und die Möglichkeit der Stellungnahme

Die Entscheidung über die Fristsetzung zur Stellungnahme auf die dienstliche Äußerung des abgelehnten Vorsitzenden ist eine prozessleitende richterliche Ermessensentscheidung. Die Dauer der Frist zur Stellungnahme ist weder durch die Zivilprozessordnung noch durch das Arbeitsgerichtsgesetz vorgeschrieben6. Diese Entscheidung kann aus Gründen der Verkennung des Grundrechts auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG allenfalls dann beanstandet werden, wenn sie eine Stellungnahme faktisch ausschließt bzw. unzumutbar macht oder die Frist in willkürlicher Weise gesetzt wurde. Allenfalls unter diesen Voraussetzungen kann die Annahme begründet sein, das Gericht habe bei der Bescheidung des Ablehnungsgesuchs Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt. 

Diese Voraussetzung war in dem hier entschiedenen Fall jedoch nicht erfüllt. Trotz der verhältnismäßig kurzen und über das Wochenende verlaufenden Frist bestand für die Beteiligten ausreichend Gelegenheit, zur dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden Stellung zu nehmen. Das zeigt sich bereits daran, dass diese innerhalb der Frist in der Lage waren, schriftsätzlich eine ausführliche Stellungnahme zur dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden abzugeben. 

Soweit die Rechtsbeschwerdeführer geltend machen, das Landesarbeitsgericht habe den weiteren Beteiligten keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu der von ihnen während des Anhörungstermins erhobenen Anhörungsrüge eingeräumt, machen sie lediglich die Verletzung der einfachgesetzlichen Verfahrensvorschrift des § 78a Abs. 3 ArbGG geltend und keine Verletzung des eigenen Grundrechts auf rechtliches Gehör.

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Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. April 2020 – 7 ABN 79/19

  1. BAG 20.04.2016 – 7 ABN 55/15, Rn. 10; 17.03.2016 – 6 AZN 1087/15, Rn. 6; 23.09.2008 – 6 AZN 84/08, Rn. 5, BAGE 128, 13[]
  2. BVerfG 11.03.2013 – 1 BvR 2853/11, Rn. 40[]
  3. vgl. BVerfG 18.12.2007 – 1 BvR 1273/07, Rn. 11; 24.02.2006 – 2 BvR 836/04, Rn. 60 ff.[]
  4. vgl. hierzu BAG 17.03.2016 – 6 AZN 1087/15, Rn. 7[]
  5. BAG 20.04.2016 – 7 ABN 55/15, Rn. 11[]
  6. BAG 20.04.2016 – 7 ABN 55/15, Rn. 18[]

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