Renovierungsarbeiten – und der betriebliche Geltungsbereich des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe

Ungeachtet der fehlenden Tarifbindung ist ein Bauunternehmer an den VTV 2014 nach § 5 Abs. 4 TVG gebunden. Das Bundesarbeitsgericht hat die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV 2014 für wirksam befunden1. Der Beschluss wirkt nach § 98 Abs. 4 Satz 1 ArbGG für und gegen jedermann und damit auch für und gegen jeden Bauunternehmer.

Renovierungsarbeiten – und der betriebliche Geltungsbereich des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten versehen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen. Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschnitten IV und V genannten Beispielstätigkeiten versehen werden, muss darüber hinaus untersucht werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III erfüllen2.

Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall wurden im Betrieb des Bauunternehmers zeitlich überwiegend Tätigkeiten nach § 1 Abs. 2 VTV 2014 verrichtet. Die Sozialkasse ist der Einlassung des Bauunternehmers, er unterhalte einen Betrieb, in dem Vollwärmeschutzarbeiten, Maurerarbeiten, Renovierungsarbeiten und sonstige Ausbauarbeiten ausgeführt würden, nicht entgegengetreten. Trotz der bei die Sozialkasse liegenden Darlegungs- und Beweislast und unbeschadet des Umstands, dass die Sozialkasse in der Berufungsinstanz zunächst von einem Fliesenlegerbetrieb ausgegangen ist, konnte das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung auf diesen Vortrag stützen. Im Weg der freien Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO war es möglich, die vom Bauunternehmer eingeführten Tatsachen zu berücksichtigen3.

Weiterlesen:
Beitragspflichten zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft - und die Anforderungen an die Klageschrift

Die einzelnen vom Bauunternehmer geschilderten Tätigkeiten stellen baugewerbliche Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 VTV 2014 dar.

Vollwärmeschutzarbeiten unterfallen dem betrieblichen Geltungsbereich kumulativ oder alternativ nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9, Nr. 12 und Nr. 40 VTV 20144.

Maurerarbeiten werden nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 VTV 2014 vom betrieblichen Geltungsbereich erfasst.

Renovierungsarbeiten unterfallen dem betrieblichen Geltungsbereich als Dämm-/Isolierarbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 VTV 2014), als Estricharbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 11 VTV 2014), als Fassadenbauarbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 12 VTV 2014), als Fugarbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 16 VTV 2014), als Maurerarbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 VTV 2014), als Trocken- und Montagebauarbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV 2014) oder als Bodenverlegearbeiten im Zusammenhang mit anderen baulichen Leistungen (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38 VTV 2014). Jedenfalls ist der betriebliche Geltungsbereich aufgrund von baulichen Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV 2014 eröffnet. Renovierungsarbeiten sind bauliche Leistungen, die dazu dienen, Bauwerke instand zu setzen. Mit Blick auf die verwendeten Werkstoffe, Arbeitsmittel und Arbeitsmethoden des Baugewerbes sind die Arbeiten baulich geprägt5.

Ausbauarbeiten unterfallen als Trocken- und Montagebauarbeiten dem betrieblichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV 2014, jedenfalls aber nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV 2014. Die Tätigkeiten dienen dazu, Bauwerke zu erstellen, instand zu halten oder zu ändern und sie ihrem bestimmungsgemäßen Zweck zuzuführen6. Darüber hinaus sind die Arbeiten baulich geprägt.

Weiterlesen:
Verzugszinsen von der Versicherung - 8% über dem Basiszinssatz?

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. August 2019 – 10 AZR 549/18

  1. BAG 21.03.2018 – 10 ABR 62/16, Rn. 51 ff., BAGE 162, 166[]
  2. BAG 3.07.2019 – 10 AZR 498/17, Rn. 30; 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 15; 27.03.2019 – 10 AZR 318/17, Rn. 18[]
  3. vgl. BGH 26.02.2009 – I ZR 155/07, Rn. 10; Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 288 Rn. 3a[]
  4. BAG 19.07.2000 – 10 AZR 918/98, zu II 1 b aa der Gründe[]
  5. vgl. BAG 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 21[]
  6. BAG 23.06.2010 – 10 AZR 463/09, Rn. 13[]

Bildnachweis: