Der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs (§ 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB) setzt ein erfüllbares, dh. tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis (hier: aufgrund eines vertraglichen Rückkehrrechts) genügt dem für die Vergangenheit nicht. Der Arbeitgeber ist verantwortlich im Sinne von § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB, wenn er den Umstand, der zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung geführt hat, allein oder weit überwiegend zu vertreten hat (§§ 276, 278 BGB).

Die Arbeitnhmerin kann Vergütung weder auf Annahmeverzug iSd. § 615 Satz 1 BGB noch auf einen Erfüllungsanspruch aus § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB stützen. Weitere Anspruchsgrundlagen bestehen nicht.
Der Vergütungsanspruch folgt nicht aus Annahmeverzug, § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB. Der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs setzt ein erfüllbares Arbeitsverhältnis voraus. An einem solchen fehlte es im Streitzeitraum.
Ein Arbeitsverhältnis wurde mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils über den Rückkehranspruch begründet. Die Annahmeerklärung der Arbeitgeberin wurde gemäß § 894 Satz 1 ZPO fingiert und gilt somit als abgegeben. Die Fiktion bewirkt sämtliche Rechtsfolgen, die eine im selben Zeitpunkt abgegebene wirksame Willenserklärung der Arbeitgeberin mit entsprechendem Inhalt hätte1.
Der Zeitpunkt, zu dem die Abgabe der Willenserklärung wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht2. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.20013 kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der rückwirkend ein Arbeitsverhältnis begründet werden soll4, auch wenn dieses in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann5.
Die fingierte Annahmeerklärung der Arbeitgeberin wirkt im vorliegenden Fall auf den Zeitpunkt 1.02.2010 zurück. Damit bestand im streitgegenständlichen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien.
§ 615 Satz 1 BGB gewährt keinen eigenständigen Anspruch, sondern hält den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht6. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB an die „Leistung der versprochenen Dienste“ an, also an jede im Synallagma vom Arbeitgeber verlangte Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt7. In Annahmeverzug kann ein Arbeitgeber nur geraten, wenn im streitgegenständlichen Zeitraum ein erfüllbares Arbeitsverhältnis besteht, aufgrund dessen der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist8. Deshalb setzt der Anspruch aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB ein erfüllbares, dh. tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Dem genügt ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis nicht.
Die Arbeitnehmerin hat die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses beginnend ab 1.02.2010 angeboten. Zu diesem Angebot (= Antrag iSv. § 145 BGB) wurde durch Urteil die Annahmeerklärung der Arbeitgeberin fingiert. Es handelt sich um ein mit rückwirkendem Beginn begründetes Arbeitsverhältnis. Doch konnte die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsleistungen für in der Vergangenheit liegende Zeiträume nicht mehr nachholen. Zum Zeitpunkt ihres Angebots der Arbeitsleistung bestand noch keine Beschäftigungspflicht der Arbeitgeberin. Der Zeitablauf führte die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung herbei, weil sich in einem Vollzeitarbeitsverhältnis ohne Möglichkeit zur vertragsgerechten Nachholung der Arbeitsleistung der Fixschuldcharakter der Arbeitspflicht umfassend auswirkt (anders möglicherweise im Fall der Teilzeit9).
Der Vergütungsanspruch folgt auch nicht aus § 611 Abs. 1, § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB iVm. § 275 Abs. 1 BGB. Die Arbeitgeberin hat die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung nicht zu verantworten.
Nach § 275 Abs. 1 BGB führt die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zum Ausschluss des Leistungsanspruchs. Der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt zugleich nach § 326 Abs. 1 BGB, bleibt aber gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB erhalten, wenn der Gläubiger für den Umstand allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, aufgrund dessen der Schuldner nicht zu leisten braucht.
Der Anwendungsbereich von § 326 Abs. 2 BGB umfasst sämtliche gegenseitigen Verträge und findet damit auch auf Arbeitsverträge Anwendung10. Der Arbeitnehmer behält den Lohnanspruch, wenn der Arbeitgeber die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu verantworten hat11.
Die Arbeitgeberin ist für die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung nicht verantwortlich. Sie befand sich in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum. Ihr Irrtum beruhte nicht auf Fahrlässigkeit, wie sich aus dem vom Berufungsgericht abschließend festgestellten Sachverhalt ergibt.
Die Arbeitgeberin war verpflichtet, das von der Arbeitnehmerin unterbreitete Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ab 1.02.2010 anzunehmen. Die Arbeitgeberin ist dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, weshalb ihre Willenserklärung mit der Rechtskraft des Urteils fingiert wurde. Die Verweigerung der Annahme des Angebots zum Abschluss eines Arbeitsvertrags ist der Umstand iSd. § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB, auf den sich die Verantwortung der Arbeitgeberin beziehen muss.
Verantwortlich nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB meint Vertretenmüssen iSd. §§ 276, 278 BGB, dh. mindestens fahrlässiges Handeln. Anders als die Vorgängerregelung des § 324 Abs. 1 BGB aF findet sich in § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht, dass der Gläubiger den Umstand „zu vertreten“ habe. Doch kann für die Bestimmung des Begriffs „verantwortlich“ auf die amtlichen Überschriften der §§ 276, 278 BGB zurückgegriffen werden, die „Verantwortlichkeit des Schuldners“ bzw. „Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte“ lauten. Damit ist vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln gemeint. Die Gesetzesbegründung zu § 326 Abs. 2 BGB zeigt schließlich, dass der Gesetzgeber an die Vorgängerregelung anknüpfen wollte, weil die Norm den „bisherigen § 324 mit leichten Umformulierungen übernimmt“12. Das Verschuldensprinzip ist auch bei der Nachfolgeregelung zugrunde zu legen13.
Die Arbeitgeberin hat weder durch ihre Organe noch ihre Erfüllungsgehilfen fahrlässig gehandelt, indem sie den Abschluss eines Arbeitsvertrags verweigerte. Es war für sie objektiv nicht vorhersehbar, dass der Rechtsstreit zugunsten der Arbeitnehmerin entschieden werden würde. Sie konnte auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.10.200514 vertrauen und befand sich deshalb in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum.
An einen unvermeidbaren Rechtsirrtum sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Geltungsanspruch des Rechts erfordert im Grundsatz, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann15. Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (sog. Rechtsirrtum), ist dieser entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Es müssen gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der vertretenen Rechtsmeinung sprechen. Dabei genügt die Berufung auf eine günstige Ansicht im Schrifttum nicht, wohl aber die Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung16, insbesondere wenn ihr ein zumindest ähnlicher Sachverhalt zugrunde liegt17.
Ist eine Rechtsfrage bei zumindest ähnlicher Sachlage für eine bestimmte Partei bereits vom Bundesarbeitsgericht entschieden, liegt nicht einmal eine objektiv zweifelhafte Rechtslage vor. Vielmehr darf eine sorgfältig handelnde Arbeitsvertragspartei – ausgehend vom Gebot der Rechtssicherheit – von einer gleichbleibenden Rechtsprechung ausgehen. In dieser Situation begründet die Möglichkeit einer abweichenden Gerichtsentscheidung keinen Grad an Vorhersehbarkeit, der den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens rechtfertigen würde. Überhaupt gehen die Sorgfaltsanforderungen nicht so weit, dass eine dem Schuldner ungünstige Entscheidung der Rechtsfrage undenkbar gewesen sein müsste18.
Die Arbeitgeberin durfte sich in ihrer Rechtsmeinung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.10.2005 stützen. Diesem lag ein sehr ähnlicher Sachverhalt zugrunde. Auch dort wurde ein Betriebsteil der Arbeitgeberin in eine neu zu gründende Gesellschaft ausgegliedert mit der Folge eines Betriebsübergangs. Ebenso wurde eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die neben einer vergleichbaren Rückkehrzusage einen in weiten Teilen ähnlich lautenden Inhalt aufwies. Die damalige Klage auf Arbeitsvertragsabschluss hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg, nachdem die damalige Arbeitnehmerin nach Betriebsübergängen ihren Arbeitsplatz erst außerhalb des Konzernverbunds verloren hatte. Das Bundesarbeitsgericht verneinte die Geltung der Zusage für einen nicht mehr konzernzugehörigen Arbeitsplatz nach Auslegung der Betriebsvereinbarung. Die Rückkehrzusage stehe unter dem ungeschriebenen Vorbehalt der weiteren Konzernzugehörigkeit19.
Angesichts der Ähnlichkeit der beiden Betriebsvereinbarungen handelte die Arbeitgeberin nicht fahrlässig, als sie eine Wiedereinstellung der Arbeitnehmerin nach Ausscheiden aus dem Konzernverbund ablehnte und dadurch deren Arbeitsleistung unmöglich machte. Weder die Rückkehrzusage selbst noch die weiteren Regelungen der Betriebsvereinbarung, insbesondere ihre zeitlich begrenzten Ansprüche, zeigen derart gravierende Unterschiede zu der vom Bundesarbeitsgericht im Jahr 2005 beurteilten Betriebsvereinbarung, dass der Arbeitgeberin bei der von ihr vertretenen Rechtsauffassung Verantwortlichkeit iSd. §§ 276, 278 BGB vorwerfbar wäre.
Die Schreiben der Arbeitgeberin vom 12.12 2003 und 10.02.2005 stehen dem nicht entgegen. Danach sollte eine „etwa begründete Rechtsposition unberührt“ bleiben. Die Schreiben perpetuierten lediglich ein etwaig bestehendes Recht. Da die Arbeitgeberin mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgehen durfte, ein Rückkehrrecht habe nicht mehr bestanden, konnte sie sich auch entschuldbar darauf berufen, ein perpetuiertes Recht bestehe nicht.
Auf §§ 280, 286 BGB kann im Streitfall als Anspruchsgrundlage neben § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht zurückgegriffen werden. Der Umstand, der zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung geführt hat, ist identisch mit den Tatsachen, die einen möglichen Verzug der Arbeitgeberin mit der Annahme des Vertragsangebots begründen. Zudem gilt hinsichtlich des für einen Schadensersatzanspruch notwendigen Verschuldens der Arbeitgeberin das Gleiche wie zu § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2015 – 5 AZR 975/13
- MünchKomm-ZPO/Gruber 4. Aufl. § 894 Rn. 14; Musielak/Voit/Lackmann ZPO 12. Aufl. § 894 ZPO Rn. 10[↩]
- BAG 19.10.2011 – 7 AZR 672/10, Rn. 26[↩]
- BGBl. I S. 3138[↩]
- BAG 19.10.2011 – 7 AZR 672/10 – aaO; 15.09.2009 – 9 AZR 608/08, Rn. 15, BAGE 132, 119[↩]
- BAG 9.02.2011 – 7 AZR 91/10, Rn. 26 mwN[↩]
- BAG 24.09.2014 – 5 AZR 593/12, Rn. 23[↩]
- BAG 19.09.2012 – 5 AZR 678/11, Rn. 28, BAGE 143, 107[↩]
- BAG 12.09.1985 – 2 AZR 324/84, zu B II 1 der Gründe[↩]
- vgl. BAG 24.09.2003 – 5 AZR 282/02, zu II 1 a bb der Gründe[↩]
- BAG 24.11.1960 – 5 AZR 545/59, zu 4 der Gründe, BAGE 10, 202 zur Vorgängerregelung des § 324 Abs. 1 BGB aF[↩]
- BAG 13.06.2007 – 5 AZR 564/06, Rn. 40, BAGE 123, 98[↩]
- BT-Drs. 14/6040 S. 189[↩]
- BGH 22.09.2004 – VIII ZR 203/03, zu II 3 b cc der Gründe; BAG 13.06.2007 – 5 AZR 564/06, Rn. 41, BAGE 123, 98[↩]
- 7 AZR 32/05[↩]
- BAG 16.09.2008 – 9 AZR 781/07, Rn. 47, BAGE 127, 353[↩]
- BAG 13.05.1998 – 7 AZR 297/97, zu V 1 der Gründe[↩]
- BAG 3.12 2002 – 9 AZR 481/01, zu A III 3 der Gründe, BAGE 104, 45[↩]
- BAG 12.11.1992 – 8 AZR 503/91, zu I 1 der Gründe, BAGE 71, 350; undeutlich BAG 29.08.2013 – 2 AZR 273/12, Rn. 34[↩]
- BAG 19.10.2005 – 7 AZR 32/05, Rn. 21[↩]