Sachgrundlose Befristung – und der Ferienjob als Vorbeschäftigung?

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Sachgrundlose Befristung – und der Ferienjob als Vorbeschäftigung?

Das Verbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasst jedoch nicht jede frühere Beschäftigung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber. Der Anwendungsbereich des Verbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist vielmehr in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift einzuschränken in Fällen, in denen das Verbot für die Parteien unzumutbar wäre.

Zwar ist § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen der vom Bundesarbeitsgericht im Jahr 2011 vertretenen Auffassung nicht verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Vorschrift der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrags nicht entgegensteht, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien länger als drei Jahre zurückliegt1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überschreitet die Annahme, eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliegt, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Gerichte, weil der Gesetzgeber gerade dieses Regelungsmodell erkennbar nicht wollte2. In § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG kommt die gesetzgeberische Grundentscheidung zum Ausdruck, dass sachgrundlose Befristungen zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich nur bei der erstmaligen Einstellung zulässig sein sollen. Der Gesetzgeber hat sich damit zugleich gegen eine zeitliche Begrenzung des Verbots entschieden3. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, der Regelungsgehalt des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ergebe sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Norm und auch die Systematik gebe kein zwingendes Ergebnis der Auslegung vor. Doch zeigten die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte, welche gesetzgeberische Konzeption der Norm zugrunde liege. Sie dokumentierten die konkrete Vorstellung von Bedeutung, Reichweite und Zielsetzung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, verliehen dessen Wortlaut („bereits zuvor“) seinen Bedeutungsgehalt und ordneten so dem Gesetzeszweck ein Mittel der Umsetzung zu4.

Allerdings verlangt auch das Bundesverfassungsgericht eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG5.

Die Vorschrift schränkt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit und die Vertragsfreiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein. Diese Beeinträchtigungen wiegen schwer. Sie erweisen sich jedoch in der Abwägung mit dem Schutz der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis (Art. 12 Abs. 1 GG) und den im Sozialstaatsprinzip des Art.20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen grundsätzlich als zumutbar. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bezweckten Schutzes tatsächlich bedürfen, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten und auch eine Gefahr für die soziale Sicherung durch eine Abkehr vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform besteht6. Die mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einhergehenden Beeinträchtigungen der Rechte der Arbeitsplatzsuchenden und der Arbeitgeber, erneut einen Arbeitsvertrag sachgrundlos zu befristen, stehen auch nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zwecken, da die Arbeitsgerichte die Anwendung der Norm in verfassungskonformer Auslegung auf Fälle ausschließen können, in denen dies für die Beteiligten unzumutbar wäre7.

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Ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber ist danach unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Der mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgte Schutzzweck kann in diesen Fällen das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung nicht rechtfertigen, soweit das legitime Interesse der Arbeitssuchenden an einer auch nur befristeten Beschäftigung und das ebenfalls legitime Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber entgegensteht8. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. So liegt es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung9 oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht10.

Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommt nach § 31 Abs. 2 iVm. § 13 Nr. 11 BVerfGG Gesetzeskraft zu. Jedenfalls dann, wenn der Tenor – wie hier – ausdrücklich auf die Entscheidungsgründe Bezug nimmt, erstreckt sich die Bindungswirkung auch auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu der verfassungskonformen Auslegung einer einfachgesetzlichen Norm11. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2011 zur zeitlichen Einschränkung des Verbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG inzwischen aufgegeben12.

§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthält keine zeitliche Begrenzung des Verbots der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung. Allerdings ist die Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung im vorliegenden Fall auszuschließen, wenn die Anwendung des Verbots für die Parteien des Arbeitsvertrags unzumutbar wäre.

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht näher definiert, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders“ geartet oder „von sehr kurzer“ Dauer war. Dies ist unter Berücksichtigung des Grundes für die verfassungskonforme Auslegung, den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auf Fälle, in denen das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar wäre, einzuschränken, sowie unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht genannten Beispielsfälle zu beurteilen. Letztlich bedarf es hierzu einer Würdigung des Einzelfalls13.

Im hier entschiedenen Fall war der Arbeitnehmer vor seiner erneuten befristeten Einstellung zum 1.09.2013 in der Zeit vom 26.07.2004 bis zum 4.09.2004 im Alter von 19 Jahren auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags bei der Arbeitgeberin tätig. Aus dem Einstellungsschreiben der Arbeitgeberin vom 26.07.2004 ist zu entnehmen, dass es sich um eine Tätigkeit als „Ferienbeschäftigter“ im Akkordlohn bei Eingruppierung in (Stamm-)Lohngruppe 04 bei einem Monatslohn iHv.01.688, 05 Euro handelte. Allein anhand dieser Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob das Verbot der sachgrundlosen Befristung für die Parteien vorliegend unzumutbar ist und dessen Anwendung daher im Wege einer verfassungskonformen Auslegung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zu unterbleiben hat.

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Im Zeitpunkt der erneuten Einstellung des Arbeitnehmers zum 1.09.2013 lag seine Vorbeschäftigung nicht so lange zurück, dass die Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG allein deshalb geboten wäre.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genügt es nicht, dass das Vorbeschäftigungsverhältnis lang zurückliegt, es muss vielmehr sehr lang zurückliegen. Das kann bei einem Zeitraum von – wie hier – etwa neun Jahren nicht angenommen werden14. Allein aufgrund dieses Zeitablaufs ist das Verbot der sachgrundlosen Befristung für die Arbeitsvertragsparteien – ohne das Hinzutreten besonderer Umstände – nicht unzumutbar. Zwar dürfte bei dieser Zeitspanne eine Gefahr der Kettenbefristung eher gering sein. Allerdings würde die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung bei einer erneuten Einstellung ca. neun Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung allein wegen des Zeitablaufs den vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, gefährden15. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren soziale Sicherung und insbesondere auch die Versorgung im Alter maßgeblich an die Erwerbstätigkeit anknüpft, sind auf langfristige und unbefristete Arbeitsverhältnisse angewiesen16. Die sachgrundlose Befristung soll daher nach der gesetzgeberischen Konzeption die Ausnahme bleiben, weil dies dazu beiträgt, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als Regelfall der Beschäftigung zu erhalten17. Dies ist auch bei der Beurteilung, ob das Verbot der sachgrundlosen Befristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber für die Arbeitsvertragsparteien unzumutbar ist, zu berücksichtigen, denn die von den Gerichten ggf. im Wege verfassungskonformer Auslegung vorzunehmende Einschränkung des Anwendungsbereichs des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierten Verbots muss im Einklang mit dem sozialpolitischen Zweck des Schutzes der unbefristeten Beschäftigung als Regelfall stehen18. Bei der Frage, ob der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einer verfassungskonformen Einschränkung bedarf, ist daher zu beachten, dass die sachgrundlose Befristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber auf Ausnahmefälle beschränkt ist. Das wäre nicht gewährleistet, wenn dieselben Arbeitsvertragsparteien nach Ablauf von ca. neun Jahren erneut einen Arbeitsvertrag mit einer sachgrundlosen Befristung abschließen könnten. Da ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre umfasst19, könnte ein Arbeitgeber jedenfalls vier sachgrundlos befristete Arbeitsverträge von jeweils zweijähriger Dauer mit demselben Arbeitnehmer schließen. Damit wäre die sachgrundlose Befristung nicht mehr die Ausnahme. Dadurch würde das angestrebte Ziel einer langfristigen und dauerhaften Beschäftigung gefährdet.

Allerdings konnte im hier entschiedenen Fall aufgrund der weiteren festgestellten Tatsachen nicht ausgeschlossen werden, dass die Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift aufgrund weiterer Umstände im Streitfall zu unterbleiben hat:

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Bei der Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers in der Zeit vom 26.07.2004 bis zum 4.09.2004 könnte es sich um eine nur geringfügige Nebenbeschäftigung während der Schul, Studien- oder Ausbildungszeit des Arbeitnehmers gehandelt haben, aufgrund derer nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift einzuschränken sein könnte. Eine solche Beschäftigung ist nicht selten von vornherein nur auf vorübergehende, häufig kurze Zeit und nicht auf eine längerfristige Sicherung des Lebensunterhalts angelegt. Sie hat für die soziale Sicherung und für die Altersversorgung regelmäßig nur untergeordnete Bedeutung und zudem meist eine andere Tätigkeit zum Gegenstand als die spätere auf Dauer angelegte Erwerbstätigkeit. Diese Umstände können geeignet sein, die Annahme zu rechtfertigen, es bestehe weder eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers noch sei das Verbot der sachgrundlosen Befristung erforderlich, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

Es wurden bislang allerdings keine Feststellungen dazu getroffen, ob es sich bei der Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers im Jahr 2004 um eine Nebenbeschäftigung während seiner Schulzeit, während eines Studiums oder während der Zeit einer Berufsausbildung gehandelt hat. Allein die Bezeichnung der Tätigkeit als „Ferienbeschäftigung“ im Einstellungsschreiben der Arbeitgeberin vom 26.07.2004 ermöglicht keine hinreichende Beurteilung der Lebensumstände, in denen sich der Arbeitnehmer zur damaligen Zeit befand. Die Bezeichnung kann darauf hindeuten, dass die Beschäftigung während der Ferien des Arbeitnehmers erfolgte, was für eine Beschäftigung während der Schul, Studien- oder Ausbildungszeit sprechen könnte. Ebenso kann mit der Bezeichnung „Ferienbeschäftigung“ eine Beschäftigung während der allgemeinen Ferienzeit oder als Aushilfskraft zur Vertretung anderer, in den Ferien befindlicher Arbeitnehmer gemeint sein.

Zudem ist bislang nicht festgestellt, ob es sich bei der Vorbeschäftigung im Zeitraum vom 26.07.2004 bis zum 4.09.2004 um eine geringfügige Nebenbeschäftigung gehandelt hat.

Eine geringfügige Beschäftigung wegen Zeitgeringfügigkeit lag im Jahr 2004 nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV in der bis zum 31.12 2005 geltenden Fassung vom 23.12 2002 vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400, 00 Euro im Monat übersteigt.

Danach dürfte die Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers im Jahr 2004 zwar kurzfristig iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV gewesen sein, weil sie nach den bisherigen Feststellungen auf den vertraglich vereinbarten Zeitraum von sechs Wochen beschränkt war. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ermöglichen aber nicht die Beurteilung, ob die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde. Eine Beschäftigung oder Tätigkeit wird dann berufsmäßig ausgeübt iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und er damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreitet, dass seine wirtschaftliche Situation zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht20. Das kann der Fall sein, wenn die betreffende Tätigkeit nicht nur gelegentlich, sondern mit einer Regelmäßigkeit ausgeübt wird. Dies kann nur aufgrund einer Beurteilung der gesamten Umstände des Einzelfalls und der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der betreffenden Person beurteilt werden21. Läge Berufsmäßigkeit in diesem Sinne vor, könnte dies dafür sprechen, dass die Vorbeschäftigung vorliegend im Rahmen des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zu berücksichtigen wäre, da die Nichtberücksichtigung den Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, gefährden könnte. Allein der Umstand, dass die Vorbeschäftigung im Zeitraum vom 26.07.2004 bis zum 4.09.2004 lediglich sechs Wochen dauerte, schließt ihre Berücksichtigung als Beschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG daher nicht zwingend aus, zumal aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht erkennbar ist, dass die vom Arbeitnehmer während seiner Vorbeschäftigung geschuldeten Tätigkeiten ganz andere waren als jene, die er im streitigen Beschäftigungsverhältnis ab dem 1.09.2013 zu erbringen hatte.

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Das Landesarbeitsgericht wird den Parteien Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag zu diesen Fragen zu geben, die erforderlichen Feststellungen zu treffen und sodann zu würdigen haben, ob die Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Streitfall zu unterbleiben hat.

Sollte sich der Arbeitnehmer in der neuen Verhandlung erneut auf seinen erstmals im Revisionsverfahren erfolgten Sachvortrag berufen, er sei in der Zeit vom 01.09.2011 bis zum 18.12 2011 im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung bei einer Tochtergesellschaft der Arbeitgeberin befristet tätig gewesen, wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass diesem Umstand bei der Frage, ob die Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vorliegend zu unterbleiben hat, keine Bedeutung zukommt. Das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG geregelte Verbot der sachgrundlosen Befristung ist auf eine Vorbeschäftigung bei demselben Vertragsarbeitgeber beschränkt. Der Arbeitsvertrag im Jahr 2011 bestand nach den eigenen Angaben des Arbeitnehmers nicht mit der Arbeitgeberin, sondern mit der A KG und damit einem anderen Arbeitgeber. Zudem erfolgte der Einsatz des Arbeitnehmers als Leiharbeitnehmer nicht bei der Arbeitgeberin, sondern der E GmbH.

Die Zurückverweisung kann nicht deshalb unterbleiben, weil die Befristungskontrollklage ungeachtet einer möglichen Rechtsunwirksamkeit der Befristung abzuweisen wäre. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klage nicht deshalb unbegründet ist, weil die Arbeitgeberin die Befristung des Arbeitsvertrags mit dem Arbeitnehmer im Vertrauen auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in den Entscheidungen vom 06.04.201122 und vom 21.09.201123 vereinbart hat. Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Bundesarbeitsgericht schon aufgrund der Gesetzeswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts gehindert wäre, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im vorliegenden Fall abweichend von den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Anwendung zu bringen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Wirkungen seiner Entscheidung in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkt hat. Das Vertrauen der Arbeitgeberin ist jedenfalls nicht derart schützenswert, dass die Klage entgegen der objektiven Rechtslage abzuweisen wäre24.

Höchstrichterliche Rechtsprechung ist kein Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben, verstößt nicht als solches gegen Art.20 Abs. 3 GG. Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Soweit durch gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden25. Dabei ist zu beachten, dass im Zivilprozess die Begünstigung der einen Partei durch die Gewährung von Vertrauensschutz stets zu einer Belastung der anderen Partei führt26. Die Gewährung von Vertrauensschutz in eine aufgegebene höchstrichterliche Rechtsprechung setzt voraus, dass die betroffene Partei auf die Fortgeltung einer bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte27. Dem kann etwa entgegenstehen, dass die frühere Rechtsprechung auf so erhebliche Kritik gestoßen ist, dass der unveränderte Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht gesichert erscheinen konnte28.

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Es erscheint bereits zweifelhaft, ob in Bezug auf die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG überhaupt eine gefestigte Rechtsprechung vorlag29. Jedenfalls durfte die Arbeitgeberin auf den Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht vertrauen. Die Bundesarbeitsgerichtsrechtsprechung aus dem Jahr 2011 war von Anfang an auf erhebliche Kritik gestoßen30. Bereits deshalb konnte der Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht als gesichert angesehen werden31. Da die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2011 im Zeitpunkt der Begründung des erneuten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien noch nicht vom Bundesverfassungsgericht überprüft und bestätigt worden war, konnte und durfte die Arbeitgeberin den unveränderten Fortbestand der Rechtsprechung nicht als gesichert erachten. Sie musste vielmehr die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass das Bundesverfassungsgericht zu der vom Bundesarbeitsgericht vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eine andere Auffassung vertreten könnte32.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Juni 2019 – 7 AZR 429/17

  1. vgl. BAG 21.09.2011 – 7 AZR 375/10, Rn. 23 ff., BAGE 139, 213; ähnlich BAG 6.04.2011 – 7 AZR 716/09, Rn. 27, BAGE 137, 275: verfassungsorientierte Auslegung[]
  2. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 71, 76 ff., BVerfGE 149, 126[]
  3. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 77, aaO[]
  4. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 78 ff., aaO[]
  5. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 62 f., BVerfGE 149, 126[]
  6. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 53, BVerfGE 149, 126[]
  7. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 55, aaO; kritisch hierzu: Bayreuther NZA 2018, 905, 908; Höpfner RdA 2018, 321, 331 f.[]
  8. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 62, BVerfGE 149, 126[]
  9. vgl. dazu BAG 6.04.2011 – 7 AZR 716/09, Rn. 2, BAGE 137, 275[]
  10. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 63, aaO[]
  11. BAG 23.01.2019 – 7 AZR 733/16, Rn. 22 mwN; vgl. BVerfG 30.06.1976 – 2 BvR 284/76, zu B der Gründe, BVerfGE 42, 258; 10.06.1975 – 2 BvR 1018/74, zu B I 3 der Gründe, BVerfGE 40, 88[]
  12. BAG 23.01.2019 – 7 AZR 733/16, Rn. 18; 23.01.2019 – 7 AZR 13/17, Rn. 15; 23.01.2019 – 7 AZR 161/15, Rn. 14; vgl. auch BAG 20.03.2019 – 7 AZR 409/16, Rn. 24[]
  13. BAG 23.01.2019 – 7 AZR 733/16, Rn. 24 mwN; 23.01.2019 – 7 AZR 13/17, Rn. 21 mwN[]
  14. vgl. zu einem Zeitraum von ca. 15 Jahren: BAG 17.04.2019 – 7 AZR 323/17, Rn. 24 f.; 17.04.2019 – 7 AZR 324/17, Rn.19 f.; zu einem Zeitraum von knapp fünfeinhalb Jahren BAG 23.01.2019 – 7 AZR 13/17, Rn. 23; zu einem Zeitraum von acht Jahren BAG 23.01.2019 – 7 AZR 733/16, Rn. 26[]
  15. vgl. BAG 23.01.2019 – 7 AZR 733/16 – aaO; 23.01.2019 – 7 AZR 13/17 – aaO[]
  16. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 46, BVerfGE 149, 126[]
  17. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 49, aaO[]
  18. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 33, aaO[]
  19. vgl. BAG 18.03.2014 – 3 AZR 69/12, Rn. 27, BAGE 147, 279[]
  20. BSG 14.03.2018 – B 12 KR 17/16 R, Rn. 12[]
  21. KassKomm/Zieglmeier Stand Juni 2019 § 8 SGB IV Rn. 22[]
  22. BAG 06.04.2011 – 7 AZR 716/09, BAGE 137, 275[]
  23. BAG, 21.09.2011 – 7 AZR 375/10, BAGE 139, 213[]
  24. vgl. zur Frage des Vertrauensschutzes bereits: BAG 20.03.2019 – 7 AZR 409/16, Rn. 39 ff.; 23.01.2019 – 7 AZR 733/16, Rn. 40 ff.; 23.01.2019 – 7 AZR 13/17, Rn. 37 ff.[]
  25. BVerfG 25.04.2015 – 1 BvR 2314/12, Rn. 13; 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07, Rn. 85 mwN, BVerfGE 122, 248; vgl. dazu auch BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 24, BAGE 144, 306; 19.06.2012 – 9 AZR 652/10, Rn. 27 mwN, BAGE 142, 64[]
  26. Koch SR 2012, 159, 160[]
  27. BAG 29.08.2007 – 4 AZR 765/06, Rn. 31; 23.03.2006 – 2 AZR 343/05, Rn. 33, BAGE 117, 281; 1.02.2007 – 2 AZR 15/06, Rn. 8 ff., beachte dazu aber BVerfG 10.12 2014 – 2 BvR 1549/07[]
  28. vgl. BVerfG 26.06.1991 – 1 BvR 779/85, zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 84, 212[]
  29. BAG 20.03.2019 – 7 AZR 409/16, Rn. 42; 23.01.2019 – 7 AZR 733/16, Rn. 43; 23.01.2019 – 7 AZR 13/17, Rn. 40[]
  30. vgl. Nachw. bei APS/Backhaus 5. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 381d; KR/Lipke 12. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 566; vgl. auch BAG 21.09.2011 – 7 AZR 375/10, Rn. 23, BAGE 139, 213[]
  31. BAG 20.03.2019 – 7 AZR 409/16, Rn. 43; 23.01.2019 – 7 AZR 733/16, Rn. 45; 23.01.2019 – 7 AZR 13/17, Rn. 42[]
  32. BAG 20.03.2019 – 7 AZR 409/16, Rn. 43; 23.01.2019 – 7 AZR 733/16, Rn. 47; 23.01.2019 – 7 AZR 13/17, Rn. 44[]
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