Sachgrundlose Befristung und tarifliche Mindestdauer eines Arbeitsverhältnisses

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages zulässig.

Sachgrundlose Befristung und tarifliche Mindestdauer eines Arbeitsverhältnisses

Das Tatbestandsmerkmal der Verlängerung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG eines nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts noch vor Abschluss der Laufzeit des bisherigen Vertrages in schriftlicher Form vereinbart wird und der Vertragsinhalt ansonsten unverändert bleibt. Allerdings können die Parteien anlässlich der Verlängerung Anpassungen des Vertragstextes an die zum Zeitpunkt der Verlängerung geltende Rechtslage vornehmen oder Arbeitsbedingungen vereinbaren, auf die der befristet beschäftigte Arbeitnehmer einen Anspruch hat.

Anderenfalls liegt bei der Vereinbarung von gegenüber dem Ausgangsvertrag geänderten Arbeitsbedingungen keine Verlängerung vor, sondern der Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG nur mit Sachgrund zulässig ist1.

§ 33 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 des Tarifvertrags für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) verlangt nur eine Mindestdauer des ersten sachgrundlos befristeten Vertrages, ist aber nicht auf Vertragsverlängerungen anzuwenden.

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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts2 folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt3.

Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen sprechen dafür, dass sich die in § 33 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 TV-BA bestimmte Mindestdauer sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge nur auf den zuerst abgeschlossenen Grundarbeitsvertrag nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG, nicht aber auf dessen Verlängerungen im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG bezieht.

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Bereits der tarifliche Sprachgebrauch legt dieses Verständnis nahe. In § 33 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 TV-BA ist nur von einem befristeten Arbeitsvertrag ohne sachlichen Grund, nicht aber von Verlängerungen befristeter Verträge die Rede. Im systematischen Zusammenhang zu den Begrifflichkeiten des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG spricht dies bereits entscheidend dafür, dass die Tarifvertragsparteien die Mindestdauer von sechs Monaten nicht auf Vertragsverlängerungen erstrecken wollten.

Die Tarifvertragsparteien haben in § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-BA ausdrücklich geregelt, dass befristete Arbeitsverträge nach Maßgabe des TzBfG zulässig sind. Ausgangsnorm für eine sachgrundlose Befristung ist somit § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG, der in seinen beiden Halbsätzen zwischen der „Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes“ und der „höchstens dreimaligen Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages“ unterscheidet. Zwar ist auch die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages ein Arbeitsvertrag, mit dem die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf die nunmehr allein maßgebliche rechtliche Grundlage stellen. Deshalb muss auch die in einer Verlängerungsvereinbarung niedergelegte Befristung innerhalb der Frist des § 17 Satz 1 TzBfG angegriffen werden. Jedoch wird bei einer Verlängerung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG ausschließlich der vereinbarte Endtermin hinausgeschoben, während die sonstigen Vertragsinhalte nicht verändert werden dürfen4. Darin besteht der wesentliche Unterschied zu einer kalendermäßigen Befristung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG. § 33 Abs. 3 TV-BA regelt vom Gesetz abweichende Besonderheiten. Deshalb wäre eine entsprechende Bezeichnung in § 33 Abs. 3 Satz 1 TV-BA zu erwarten gewesen, wenn sich die tarifliche Mindestdauer auch auf Verlängerungen hätte beziehen sollen. Ein solcher Wille der Tarifvertragsparteien hat im Text der Tarifnorm aber keinen Niederschlag gefunden.

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Die Systematik des Tarifvertrages bestätigt, dass sich § 33 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 TV-BA ausschließlich auf den Ausgangsvertrag und nicht auf nachfolgende Verlängerungsabreden bezieht. Die Tarifvertragsparteien sind mit der Sollvorschrift in § 33 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 TV-BA von der Vorstellung ausgegangen, dass ein sachgrundlos befristeter Ausgangsarbeitsvertrag in der Regel mindestens für zwölf Monate abgeschlossen wird. Die in § 33 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 TV-BA angefügte Regelung bezeichnet demgegenüber eine zwingende Untergrenze der zu vereinbarenden Vertragsdauer. Die Verknüpfung von Soll- und Muss-Vorschrift in einer Tarifbestimmung weist darauf hin, dass sich beide Regelungen auf denselben Gegenstand, somit hier auf den Ausgangsvertrag beziehen.

Sinn und Zweck der Tarifnorm sprechen ebenfalls für dieses Ergebnis. Die in § 33 Abs. 3 TV-BA vorgesehene Mindestdauer des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages soll den betroffenen Arbeitnehmern über die gesetzliche Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG hinaus ein Mindestmaß an Planungssicherheit vermitteln. Andererseits geht aus § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-BA hervor, dass die gesetzliche Möglichkeit einer bis zu dreimaligen Verlängerung sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge in dem zur Verfügung stehenden Zeitrahmen von zwei Jahren nicht angetastet werden sollte. Würde die sechsmonatige Mindestvertragsdauer nach § 33 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG auf Verlängerungen sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge angewandt, bliebe nur eine oder gar – wie im vorliegenden Fall – keine zulässige Verlängerungsmöglichkeit des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages mehr übrig, wenn bereits der Ausgangvertrag für eine Dauer von mehr als zwölf Monaten abgeschlossen wurde. Ein solches Ergebnis läge nicht etwa ohne Weiteres in dem von der tarifschließenden Gewerkschaft verfolgten Interesse der Arbeitnehmer. Vielmehr dürfte ein Arbeitgeber, der gehindert wäre, den zweijährigen gesetzlichen Rahmen auszuschöpfen, häufig von der Verlängerung des Vertrages absehen. Für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten den durch die Bezugnahme auf das TzBfG eröffneten zeitlichen Höchstrahmen von zwei Jahren mittelbar verkürzen wollen, gibt es jedenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte. Allein die Anwendung der tariflichen Mussbestimmung auf den Ausgangsvertrag führt daher zu einer sachgerechten und zweckorientierten Lösung.

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Damit bedarf es keiner Entscheidung, ob die für das Tarifgebiet West vereinbarte sechsmonatige Mindestvertragsdauer in § 33 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 TV-BA wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch auf das im Tarifgebiet Ost begründete Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden ist. Das Bundesarbeitsgericht konnte vielmehr zugunsten des Klägers die Anwendbarkeit der tariflichen Regelung unterstellen.

Das Bundesarbeitsgericht konnte ferner zugunsten des Klägers davon ausgehen, dass die Tarifregelung in § 33 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 TV-BA selbst keinen Wirksamkeitsbedenken begegnet. § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG, der bei sachgrundloser Befristung gegenüber den Möglichkeiten nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG abweichende tarifliche Festlegungen zu der Anzahl der Verlängerungen oder der Höchstdauer der Befristung erlaubt, erfasst eine Mindestvertragsdauer allerdings nicht. Da eine vertragliche Mindestlaufzeit aber grundsätzlich als Abweichung zugunsten des Arbeitnehmers anzusehen ist, spricht viel dafür, dass die Regelung nach § 22 Abs. 1 TzBfG zulässig ist. Soweit ausnahmsweise eine kürzere Befristung auf einem Wunsch des Arbeitnehmers beruhen sollte, kann diese durch einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt sein5.

Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 4. Dezember 2013 – 7 AZR 468/12

  1. BAG 23.08.2006 – 7 AZR 12/06, Rn. 11, BAGE 119, 212; 16.01.2008 – 7 AZR 603/06, Rn. 7, BAGE 125, 248[]
  2. vgl. etwa BAG 19.09.2007 – 4 AZR 670/06, Rn. 30, BAGE 124, 110[]
  3. BAG 28.08.2013 – 10 AZR 701/12, Rn. 13[]
  4. vgl. BAG 23.08.2006 – 7 AZR 12/06, Rn. 11, BAGE 119, 212; 16.01.2008 – 7 AZR 603/06, Rn. 7, BAGE 125, 248[]
  5. vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 61 ff.[]
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