§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthält nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot. Das Vertrauen des Arbeitgebers auf den Fortbestand der Rechtsprechung des Siebten Landessozialgerichts des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2011 zum zeitlich begrenzenten Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist dagegen nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht schutzwürdig.

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG ist bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages möglich. Das gilt jedoch gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
In dem hier vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschiedenen Fall bestand zwischen den Parteien bei Abschluss des auf den 30.04.2016 befristeten Arbeitsverhältnisses bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, und zwar vom 05.07.2008 bis 31.12.2008.
Arbeitgeber gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist der Vertragsarbeitsgeber. Das ist die natürliche oder juristische Person, die mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag geschlossen hat. Ein vorhergehender Arbeitsvertrag hat deshalb nur dann mit demselben Arbeitgeber bestanden, wenn Vertragspartner des Arbeitnehmers bei beiden Verträgen dieselbe natürliche oder juristische Person ist. Das Anschlussverbot knüpft nicht an den Beschäftigungsbetrieb oder den Arbeitsplatz an. Der Gesetzgeber hat für die Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung auf den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit dem Vertragsarbeitgeber abgestellt und nicht auf eine Beschäftigung in einem bestimmten Betrieb oder für einen bestimmten Betriebsinhaber oder -träger1.
Arbeitgeber des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmerin vom 05.07.2008 bis 31.12.2008 war die X GmbH und damit dieselbe juristische Person wie die Arbeitgeberin. Dass es sich bei dem Betrieb der Arbeitgeberin in A., für den die Arbeitnehmerin seinerzeit tätig war, und der Betriebsstätte in B., in der die Arbeitnehmerin ab dem 02.05.2014 tätig war, um eigenständige Betriebe im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes oder des Betriebsverfassungsgesetzes handelt, kann zugunsten der Arbeitgeberin unterstellt werden. Dadurch ändert sich nichts daran, dass Arbeitgeberin in beiden Verträgen jeweils die Arbeitgeberin als eigenständige juristische Person war und aktuell ist.
Zwischen den Parteien bestand bei Abschluss des vorliegend streitgegenständlichen befristeten Arbeitsvertrages einschließlich seiner Verlängerung vom 05.07.2008 bis 31.12.2008 bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Dem steht der Umstand, dass zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom 05.07.2008 zum 31.12.2008 und dem Neuabschluss des Arbeitsvertrages zum 02.05.2014 mehr als drei Jahre gelegen haben, nicht entgegen. Die Kammer teilt das Auslegungsergebnis des Bundesarbeitsgerichtes in dessen Entscheidungen vom 06.04.20112 nicht. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass eine sachgrundlose Befristung auch dann ausscheidet, wenn das Ende eines vorangegangenen Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien mehr als drei Jahre zurückliegt.
Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen3.
Bei der gebotenen Anwendung dieser Vorgaben ist § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot auszulegen4.
Bereits der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG spricht für ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot. Mit „bereits zuvor“ hat der Gesetzgeber Begriffe gebraucht, mit denen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch gerade keine zeitliche Begrenzung verbunden ist. Das Adverb „zuvor“ spricht ohne sprachliche Einschränkung sämtliche Fälle an, in denen irgendwann einmal ein zeitlich vorhergehendes Arbeitsverhältnis bestanden hat5. Zudem ist die Gesetzgebungsgeschichte zu berücksichtigen. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist eine sachgrundlose Befristung nur bei einer „Neueinstellung“ zulässig6. Dabei hat der Gesetzgeber unter dem Begriff der Neueinstellung ausdrücklich die „erstmalige Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber“ verstanden6. Auf dieser Grundlage kann die Gesetzesformulierung „bereits zuvor“ nicht anders interpretiert werden als dahingehend, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien vorher noch keine Beschäftigung auf Grundlage eines Arbeitsvertrages stattgefunden haben darf. Eine bewusste, unabsichtliche gegenteilige Gesetzesformulierung ist auszuschließen. So hatte beispielsweise Preis im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vor dem Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung des Bundestages ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Ziel, Kettenbefristungen zu vermeiden, auch mit Hilfe einer zweijährigen Sperrzeit erreicht werden könne7. Die Mitglieder der Unionsfraktion lehnten die Beschränkung einer sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit auf „Neueinstellung“ gänzlich ab8. Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber für die nur „einmalige Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund entschieden“9. Schließlich spricht die Regelungssystematik des Teilzeit- und Befristungsgesetzes für ein zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot. § 14 Abs. 1 TzBfG beinhaltet im Sinne eines Regelausnahmeverhältnisses den Grundsatz, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages nur dann zulässig ist, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Abweichend von diesem Grundsatz, erlaubt der Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 bis 3 TzBfG in bestimmten abschließend aufgelisteten Konstellationen Ausnahmen. Neben diesen tatbestandlich begrenzten Privilegierungen ist der Ausnahmetatbestand der sachgrundlosen Befristung nur eröffnet, wenn zwischen den Parteien des befristeten Arbeitsvertrages nicht „bereits zuvor“ ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Soweit die Arbeitgeberin Praxisprobleme bei der Feststellung einer Vorbeschäftigung anspricht, hat bereits der Gesetzgeber auf ein diesbezügliches Fragerecht des Arbeitgebers hingewiesen10. Dieses wird auch in der Literatur und Instanzrechtsprechung befürwortet11. Soweit der Arbeitnehmer die Frage nach einer Vorbeschäftigung wissentlich falsch beantwortet, steht dem Arbeitgeber das Recht zur Anfechtung nach § 123 BGB zu.
Das umfassende Vorbeschäftigungsverbot gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Zunächst wird die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitnehmer durch das Vorbeschäftigungsverbot nicht eingeschränkt. Diese werden dadurch in ihrer objektiven Berufsausübung nicht beschnitten. Sie können nach wie vor mit jedem Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag schließen. Dieser kann unbefristet sein oder mit Sachgrund befristet werden. Lediglich die Vertragsgestaltung „Befristung ohne Sachgrund“ ist nicht möglich, wenn eine Vorbeschäftigung besteht. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht hierzu ausgeführt, die Praxis zeige, der strukturell unterliegende Arbeitnehmer könne in derartigen Konstellationen diese konkrete Vertragsgestaltung nicht wählen und die von ihm begehrte Tätigkeit daher nicht ausüben12. Ob diese Einschätzung zutreffend ist, kann vonseiten der Kammer nicht überprüft werden. Statistische Erhebungen hierzu liegen, soweit ersichtlich, nicht vor13. Selbst wenn man einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG annehmen würde, wäre dieser jedenfalls gerechtfertigt. Im deutschen Arbeitsrecht ist der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages zwar der Normalfall. Befristungen sind jedoch unter den oben geschilderten gesetzlichen Voraussetzungen möglich. Es gibt danach diverse Möglichkeiten, Arbeitsverträge auch über einen längeren Zeitraum bei Vorliegen entsprechender Gründe zu befristen. Verschiedene Arbeitgeber innerhalb eines Konzerns oder auch ohne rechtliche Verbindung können bei einer zeitlichen Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbotes auf drei Jahre oder einen anderen Zeitraum einen Arbeitnehmer letztendlich sein gesamtes Berufsleben lang nur befristet beschäftigen, soweit nur jeweils der Vertragspartner wechselt. Dies ist Konsequenz der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, wonach derselbe Arbeitgeber allein der Vertragsarbeitgeber ist. Demgegenüber hat für den Arbeitnehmer die Frage, ob er nur in befristeten Arbeitsverhältnissen tätig ist oder in einem Dauerarbeitsverhältnis steht, erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheit seiner wirtschaftlichen und persönlichen Lebensplanung. Letztendlich wird das Bundesverfassungsgericht über diese Frage zu entscheiden haben. Diesem liegen zu diesem Streitgegenstand u. a. nicht nur der Vorlagebeschluss des Arbeitsgerichtes Braunschweig vom 03.04.201414, sondern auch eine Verfassungsbeschwerde15 zur Entscheidung vor. Eine Entscheidung ist bisher noch nicht ergangen.
Die Auslegung der Kammer, wonach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot enthält, führt dazu, dass die Befristung des zwischen den Parteien im Zeitraum vom 02.05.2014 bis 30.04.2016 vereinbarten Arbeitsverhältnisses sachgrundlos nicht zulässig ist. Auf einen sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 TzBfG hat sich die Arbeitgeberin nicht berufen. Das führt zur Unwirksamkeit der Befristungsabrede zwischen den Parteien. Der zuletzt zwischen den Parteien vereinbarte befristete Arbeitsvertrag vom 12.01.2016 gilt gemäß § 16 Satz 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen.
Die Arbeitgeberin kann sich insoweit nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen.
Ein schutzwürdiges Vertrauen in die Fortführung einer fachgerichtlichen Rechtsprechung besteht nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes16 nämlich dann nicht, wenn diese Rechtsprechung, von der abgewichen werden soll, auf so erhebliche Kritik gestoßen ist, dass der unveränderte Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht gesichert erscheinen konnte.
Bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 06.04.201117 entsprach es der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot beinhaltet. Die Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes mit Urteil vom 06.04.2011 ist von Anfang an deutlicher Kritik ausgesetzt gewesen. Jedenfalls bei Abschluss des letzten befristeten Vertrages im Januar 2016 konnte die Arbeitgeberin keineswegs mehr von einem unveränderten Fortbestand der Rechtsprechung ausgehen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die Vorlageentscheidung des Arbeitsgerichtes Braunschweig18 ergangen, und diverse Landesarbeitsgerichte hatten dem Bundesarbeitsgericht unter Zulassung der Revision die Folgschaft verweigert. Auch im Schrifttum ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes überwiegend stark kritisiert worden19.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 20. Juli 2017 – 6 Sa 1125/16
- BAG 24.06.2015 – 7 AZR 452/13, Rn. 16[↩]
- BAG 06.04.2014 – 7 AZR 716/09; und 21.09.2011 – 7 AZR 35/11[↩]
- BVerfG 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10, Rn. 66[↩]
- BAG 6.11.2003 – 2 AZR 690/02, Rn. 18 und 25; sowie BAG 29.07.2009 – 7 AZN 368/09, Rn. 2; LAG Baden-Württemberg 16.11.2016 – 17a Sa 14/16, Rn. 28; LAG Niedersachsen 16.02.2016 – 9 Sa 376/15, Rn. 25[↩]
- LAG Baden-Württemberg 16.11.2016 – 17a Sa 14/16, Rn. 29[↩]
- BT-Drs. 14/4374 S. 14[↩][↩]
- BT-Drs. 14/4625 S. 18[↩]
- BT-Drs. 14/4625 S.19[↩]
- BT-Drs. 14/4374 S. 14; Höpfner NZA 2011, 839, 897 ff. zur Entwicklungsgeschichte des TzBfG[↩]
- BT-Drs. 14/4374 S.19[↩]
- LAG Niedersachsen 16.02.2016 – 9 Sa 376/15, Rn. 25; Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsschutzrecht 5. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 400, 401 jeweils mwN[↩]
- BAG 6.04.2011 – 7 AZR 716/09, Rn. 37[↩]
- vgl. hierzu: LAG Niedersachsen 16.02.2016 – 9 Sa 376/15, Rn. 27[↩]
- ArbG Braunschweig 03.04.2014 – 5 Ca 463/13[↩]
- BVerfG – 1 BvR 1375/14[↩]
- BVerfG 26.06.1991 – 1 BvR 779/85, Rn. 83[↩]
- BAG 06.04.2011 – 7 AZR 716/09[↩]
- ArbG Braunschweig, Beschluss vom 03.04.2014 – 5 Ca 463/13[↩]
- vgl. nur: Höpfner NZA 2011, 893 ff.[↩]