Schadensersatz bei einer außerordentlichen Arbeitnehmerkündigung – und die Zweiwochenfrist

Bei einer außerordentlichen Arbeitnehmerkündigung entfallen Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers aus § 628 Absatz 2 BGB, wenn die Zweiwochenfrist des § 626 Absatz 2 BGB nicht eingehalten wurde.Derartige Schadensersatzansprüche bestehen darüber hinaus auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber abgemahnt hatte und damit auf das Kündigungsrecht verzichtet hat.

Schadensersatz bei einer außerordentlichen Arbeitnehmerkündigung – und die Zweiwochenfrist

Dem Arbeitnehmer steht in diesen Fällen weder ein Abfindungsanspruch noch die Erstattung eines Verfrühungsschadens zu, § 628 Absatz 2 BGB.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch eines Arbeitnehmers ist, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch ein vertragswidriges schuldhaftes Verhalten den Anlass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat. Der Grund für den Anspruch aus § 628 Absatz 2 BGB ist das sog. Auflösungsverschulden. Hat der Arbeitnehmer, der einen Anspruch nach § 628 Absatz 2 BGB geltend macht, gekündigt, muss diese Kündigung berechtigt und wirksam sein und ihren Grund in einem vertragswidrigen Verhalten des anderen Vertragsteils haben, also in dessen Auflösungsverschulden. Dabei genügt nicht jede geringfügige schuldhafte Vertragsverletzung, vielmehr muss ihr das Gewicht eines wichtigen Grundes zukommen und zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung nach § 626 Absatz 1 BGB berechtigen1.

Ein solches Auflösungsverschulden ist nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer zwar eine außerordentliche und fristlose Kündigung erklärt hat, diese Kündigung indes – wegen Verfristung oder wegen einer zuvor dem Arbeitgeber erteilten Abmahnung – unwirksam ist.

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Vorliegend stützt der Arbeitnehmer die Kündigung zum einen darauf, dass die Arbeitgeberin mit der Zahlung von Arbeitsvergütung im Verzug war, zum anderen macht der Arbeitnehmer geltend, er sei von der Arbeitgeberin schikaniert und diskriminiert worden. Weder der eine noch der andere Vorwurf können die Kündigung des Arbeitnehmers rechtfertigen.

Es kann für den Arbeitnehmer allerdings einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses an sich darstellen, wenn der Arbeitgeber mit seiner Lohnzahlung in Verzug ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Lohnzahlung in nicht unerheblicher Höhe unterblieben ist oder sich der Verzug des Arbeitgebers mit der Vergütungszahlung über einen erheblichen Zeitraum erstreckt und der Arbeitnehmer diesen Fehler abgemahnt hat2.

Der Arbeitnehmer hatte jedoch in dem hier vom Landesarbeitsgericht Nürnberg entschiedenen Fall die Zweiwochenfrist des § 626 Absatz 2 BGB nicht eingehalten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt der Schadensersatzanspruch nach § 628 Absatz 2 BGB die Wahrung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Absatz 2 BGB voraus3.

Befindet sich der Arbeitgeber im Zahlungsverzug, kann es sich um einen echten Dauertatbestand handeln mit der Folge, dass die Ausschlussfrist erst mit Beendigung dieses Zustandes beginnt. Der Pflichtverstoß bei Zahlungsverzug setzt sich mit jedem weiteren Tag fort, und je länger der Verzug dauert, desto gewichtiger ist das Fehlverhalten des Arbeitgebers. Um einen abgeschlossenen Kündigungssachverhalt mit Fortwirkung handelt es sich dagegen, wenn der Arbeitnehmer aus bestimmten Vorgängen den Vorwurf herleitet, die Vertrauensgrundlage sei nachhaltig zerstört oder es bestünden nach wie vor – ohne Hinzutreten weiterer Ereignisse – Zweifel an der Zahlungswilligkeit des Arbeitgebers4. Im letzten Fall kommt es für die Einhaltung der Zweiwochenfrist darauf an, wann der Kündigende von den Tatsachen Kenntnis erhielt, aus denen sich die fehlende Zahlungswilligkeit des Arbeitgebers ergab. Dagegen kommt es nicht darauf an, wann der Arbeitnehmer diese Schlussfolgerung gezogen hat. Insbesondere wird der Lauf der Zweiwochenfrist nicht dadurch (neu) in Gang gesetzt, dass der Arbeitnehmer eine Abmahnung ausspricht.

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Im vorliegenden Fall liegt ein abgeschlossener Kündigungssachverhalt mit Fortwirkung vor.

Die Arbeitgeberin hatte dem Arbeitnehmer bereits mit E-Mail ihres Prozessvertreters vom 27.01.2014 ihre Auffassung mitgeteilt, die Leistung von Abschlagszahlungen setze voraus, dass bereits Provisionsansprüche ins Verdienen gebracht worden seien. Unter dem 09.02.2014 teilte der Prozessvertreter der Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer mittels einer tabellenmäßigen Aufstellung mit, dass und in welchem Umfang sich der Umsatz des Arbeitnehmers seit 2011 verringert habe, und wies ihn darauf hin, dass eine Überzahlung erfolgt sei. Darüber hinaus wurde dem Arbeitnehmer in derselben E-Mail wegen der von ihm geltend gemachten Zahlungsansprüche eine kompetente juristische Überprüfung bzw. eine gerichtliche Klärung empfohlen. Schließlich machte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 17.07.2014 eine Provisionsüberzahlung von 57.825, 20 € geltend. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Arbeitgeberin keine Abschlagszahlungen auf Provisionen mehr leisten werde.

Eine auf den Zahlungsverzug in Höhe von 30.000, 00 € gestützte außerordentliche Kündigung hätte somit bis spätestens 31.07.2014 erklärt werden müssen. Die Kündigung des Arbeitnehmers ging der Arbeitgeberin indes erst am 11.08.2014 zu.

Etwas anderes ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Zahlungsverzug Teil des vom Arbeitnehmer behaupteten Mobbings gewesen sei. Auch wenn die Arbeitgeberin die Zahlung der Provisionsabschläge im Ergebnis zu Unrecht verweigerte, wie sich nicht zuletzt aus dem Teilurteil ergibt, kann dies nicht als Ausdruck von Schikane betrachtet werden. Vielmehr stand und steht die Arbeitgeberin auf dem rechtlichen Standpunkt, dass Abschlagszahlungen voraussetzen, dass Provisionen verdient worden sind, was nach ihrer Berechnung nicht der Fall war. Das Verbot der Schikane schließt nicht aus, dass sich ein Arbeitgeber auf einen aus seiner Sicht gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Standpunkt beruft.

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Die außerordentliche Kündigung kann auch nicht auf den Vorwurf gestützt werden, die Arbeitgeberin habe den Arbeitnehmer schikaniert und diskriminiert. Allerdings hat der Arbeitnehmer Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass dies der Fall war. Zu nennen sind hier verschiedene E-Mails, die der Geschäftsführer O… an den Arbeitnehmer gerichtet hat und die in ihrer Diktion nicht hinzunehmen sind. Beispielhaft sind zu nennen die E-Mails vom 07.02.2013 , 13.09.2013 , 10.10.2013 oder 05.11.2013 . Nicht erklärt hat die Arbeitgeberin auch nicht, wieso sie die Kundenkarte des Arbeitnehmers für die Firma S…, noch dazu ohne Rücksprache mit dem Arbeitnehmer, hat sperren lassen und seine Mitgliedschaft bei K… storniert hat.

Im vorliegenden Rechtsstreit kann indes dahinstehen, inwieweit die Arbeitgeberin gegen die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers verstoßen hat.

Soweit sich der Arbeitnehmer auf Vorgänge bezieht, die vor dem 23.07.2014 gelegen haben, ist davon auszugehen, dass er auf das Recht, zu kündigen, verzichtet hat.

Der Arbeitnehmer hat die Arbeitgeberin unter dem 23.07.2014 abgemahnt. Er hat sämtliche inkriminierten Vorfälle aufgelistet und dies mit dem Hinweis verbunden, er werde, wenn die Arbeitgeberin ihr Verhalten nicht ändere, das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Gericht folgt, kann der Kündigungsberechtigte sowohl bei der ordentlichen wie bei der außerordentlichen Kündigung auf ein auf bestimmte Gründe gestütztes und konkret bestehendes Kündigungsrecht verzichten. Der Verzicht auf ein entstandenes Kündigungsrecht ist ausdrücklich oder konkludent durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Kündigungsberechtigten möglich. Vor Ablauf der Ausschlussfrist des § 626 Absatz 2 BGB ist ein Verzicht nur dann anzunehmen, wenn der Kündigungsberechtigte eindeutig seine Bereitschaft zu erkennen gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Das Kündigungsrecht erlischt durch Verzicht insgesamt, wenn der Kündigungsberechtigte wegen des ihm bekannten Kündigungssachverhaltes eine Ermahnung oder Abmahnung ausspricht, sofern sich die für die Kündigung maßgebenden Umstände später nicht noch ändern5.

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Diese für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers entwickelte Rechtsprechung gilt auch in den Fällen, in denen es um das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers geht.

Die Kündigung könnte daher nur auf ein rechtswidriges Verhalten der Arbeitgeberin nach der Abmahnung gestützt werden.

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 2. Februar 2016 – 7 Sa 239/15

  1. vgl. BAG, Urteil vom 22.01.2009 – 8 AZR 808/07[]
  2. vgl. BAG, Urteil vom 17.01.2002 – 2 AZR 494/00[]
  3. vgl. BAG, Urteil vom 26.07.2001 – 8 AZR 739/00[]
  4. vgl. BAG, a. a. O.[]
  5. vgl. BAG, Urteil vom 31.07.1986 – 2 AZR 559/85[]