Schadensersatz wegen Behinderung der Arbeit des Betriebsrats – und das Beschlussverfahren

Über den Antrag eines Betriebsratsmitglied auf Schadensersatz wegen Behinderung seiner Arbeit als Betriebsrat ist nach § 2a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1 ArbGG im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu entscheiden.

Schadensersatz wegen Behinderung der Arbeit des Betriebsrats – und das Beschlussverfahren

Dies entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht in dem Fall eines Betriebsrats, dem die Arbeitgeberin eine Kostenübernahme für die Teilnahme an einem Betriebsratsseminar „Personelle Maßnahmen und Betriebsratshandeln“ verweigert hatte.

Die Verfahrensart, in der ein Rechtsstreit vor den Gerichten für Arbeitssachen zu entscheiden ist, bestimmt sich nach § 2 und § 2a ArbGG. In den in § 2 ArbGG geregelten Arbeitssachen findet das Urteilsverfahren statt (§ 2 Abs. 5 ArbGG), während über die in § 2a ArbGG genannten Arbeitssachen im Beschlussverfahren zu befinden ist (§ 2a Abs. 2 ArbGG). Dem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren sind ua. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG ausschließlich zugewiesen. Im Beschlussverfahren ist dagegen ua. nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ArbGG über Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz zu entscheiden, soweit es nicht um strafbare Handlungen und Ordnungswidrigkeiten nach dem BetrVG geht, die den ordentlichen Gerichten zugewiesen sind1.

Das Beschlussverfahren ist nach § 2a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1 ArbGG für den Antrag zu 2. die zulässige Verfahrensart, weil über eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit, nämlich einen vom Antragsteller aus § 78 BetrVG abgeleiteten Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung zu entscheiden ist2.

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Maßgebend für die Bestimmung der zutreffenden Verfahrensart ist der Streitgegenstand. Für das Vorliegen einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit ist entscheidend, ob der geltend gemachte Anspruch bzw. die begehrte Feststellung ihre Rechtsgrundlage in einem betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis hat3. Das Verfahren muss sich auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner beziehen4. Immer wenn die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung des Betriebs und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Betriebspartner als Träger dieser Ordnung im Streit stehen, sollen darüber die Gerichte für Arbeitssachen im Beschlussverfahren als der dafür geschaffenen und besonders geeigneten Verfahrensart entscheiden5. Dies gilt auch dann, wenn es um Rechte betriebsverfassungsrechtlicher Organe geht. Diese müssen sich nicht unmittelbar aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergeben, sondern können ihre Grundlage auch in Tarifverträgen oder anderen Rechtsvorschriften haben6.

Der Antragsteller verfolgt den Antrag in der zulässigen Verfahrensart des Beschlussverfahrens. Der Antrag bezieht sich allein auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner und betrifft damit eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit iSd. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, in der nach § 2a Abs. 2, § 80 Abs. 1 ArbGG das Beschlussverfahren stattfindet. Der Antragsteller macht mit dem Antrag zu 2. einen aus § 78 Satz 1 BetrVG abgeleiteten betriebsverfassungsrechtlichen Leistungsanspruch geltend. Er behauptet, die Arbeitgeberin habe ihn in der Wahrnehmung seines Betriebsratsamts behindert, indem sie sich geweigert habe, an ihn für die Zeit seiner Seminarteilnahme Vergütung zu zahlen. Er beruft sich zur Begründung des Schadensersatzanspruchs auf seine Rechte als Träger der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung7. Eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit entfällt nicht schon deshalb, weil der Antragsteller in Höhe des mit dem Antrag zu 2. verlangten Betrags – rein wirtschaftlich betrachtet deckungsgleich – einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt nach § 611a Abs. 2 BGB iVm. § 37 Abs. 2 und 6 BetrVG geltend machen könnte, über den nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren zu entscheiden ist (vgl. zu § 37 Abs. 2 BetrVG BAG 12.06.2018 – 9 AZB 9/18, Rn. 10). Einen vertraglichen Anspruch macht der Antragsteller im vorliegenden Verfahren ausdrücklich nicht geltend.

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Ob der Antragsteller durch die Arbeitgeberin in seiner Betriebsratsarbeit behindert wurde und dies gegebenenfalls die vom Antragsteller begehrte Rechtsfolge nach sich zöge8, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit der Verfahrensart.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. Oktober 2019 – 9 AZB 19/19

  1. vgl. BAG 12.06.2018 – 9 AZB 9/18, Rn. 9 mwN[]
  2. vgl. BAG 21.09.1989 – 1 ABR 32/89, zu B I 1 der Gründe[]
  3. vgl. BAG 25.11.1992 – 7 ABR 80/91, zu B II 2 der Gründe; GK-ArbGG/Ahrendt Stand Dezember 2015 § 2a Rn. 17; Fitting 29. Aufl. Anhang 3 ArbGG Rn. 7[]
  4. vgl. BAG 9.09.2015 – 7 ABR 69/13, Rn. 13[]
  5. BAG 17.06.2003 – 3 ABR 43/02, zu B II 1 a der Gründe, BAGE 106, 301[]
  6. BAG 12.06.2018 – 9 AZB 9/18, Rn. 10 mwN[]
  7. vgl. BAG 4.12 2013 – 7 ABR 7/12, Rn. 45[]
  8. vgl. hierzu BAG.25 Juni 2014 – 7 AZR 847/12, Rn. 28 ff. mwN, BAGE 148, 299; 4.12 2013 – 7 ABR 7/12, Rn. 38 mwN[]