Schriftformerfordernis für eine Befristungsabrede

Die in einem schriftlichen Arbeitsvertrag enthaltene Befristung genügt auch im Hinblick auf die spätere Einigung über eine frühere Tätigkeitsaufnahme der Schriftform.

Schriftformerfordernis für eine Befristungsabrede

Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Formbedürftig ist allein die Befristungsabrede1. Eine nur mündlich vereinbarte Befristung ist nach § 125 Satz 1 BGB nichtig und hat nach § 16 Satz 1 TzBfG die Entstehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zur Folge. Das gilt auch für die Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG und einen sog. unselbstständigen Annex-Vertrag, mit dem ein neuer Beendigungstermin vereinbart wird2.

Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall haben die Parteien mit der Verständigung, dass der Arbeitnehmer abweichend von der in § 1 des schriftlich niedergelegten Arbeitsvertrags ausgewiesenen befristeten Einstellung „für den Zeitraum von 15.05.2019 bis zum 30. September“ seine Tätigkeit früher aufnimmt, keinen „weiteren“ oder „anderen“ Arbeitsvertrag geschlossen, dessen Befristung nur mündlich vereinbart wäre. Zwar hat das Landesarbeitsgericht eine Auslegung dieser Verständigung unterlassen und ist lediglich von einer „klaren“ Vereinbarung der Parteien über einen Endtermin ihres Arbeitsverhältnisses am 30.09.2019 ausgegangen. Das Bundesarbeitsgericht kann die vertragliche Abrede der Parteien über einen früheren Tätigkeitsbeginn aber selbst auslegen, da das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt hat und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist3. Diese Auslegung ergibt, dass die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer kein „neues“ Arbeitsvertragsangebot unterbreitet hatte. Sie wollte lediglich den Beginn der Vertragslaufzeit vorverlegen, dem der Arbeitnehmer mit der früheren Tätigkeitsaufnahme nachgekommen ist. Das folgt deutlich aus der im Zusammenhang mit der vereinbarten Vorverlegung geäußerten Bitte der Arbeitgeberin, der Arbeitnehmer möge die erste Seite des Arbeitsvertrags vom 01.04.2019 austauschen und die „alte“ zurücksenden. Ein solches Vorgehen wäre nicht angezeigt gewesen, wenn es um ein neues oder weiteres befristetes Arbeitsverhältnis hätte gehen sollen. Die auf der neuen ersten Seite von der Arbeitgeberin modifiziert angegebene Vertragsnummer besagt nichts anderes, weil gerade kein vollständig neuer Arbeitsvertragstext übersandt worden ist.

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Die Befristungsabrede im unter dem 1.04.2019 unterzeichneten Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitnehmer bis zum 30.09.2019 befristet eingestellt worden ist und das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vereinbarten Frist endet, genügt dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG. Das Landesarbeitsgericht hat diese Abrede zutreffend dahingehend verstanden, dass die Parteien damit einen kalendermäßig bestimmten Endtermin vereinbart haben und keine – wie die Revision meint – ausschließliche (später nur mündlich geänderte) Vertragslaufzeit des Arbeitsverhältnisses. Für eine solche Befristungsabrede mit einem kalendermäßig bestimmten Endtermin bedarf es nach § 14 Abs. 4 TzBfG keiner schriftlichen Festlegung (auch) der Aufnahme des Tätigkeitsbeginns.

Die Auslegung der Befristungsabrede in § 1 (1) des Arbeitsvertrags richtet sich nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsregeln. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die für diese Annahme notwendigen Feststellungen nicht getroffen. Hingegen begründet bereits das äußere Erscheinungsbild der Befristungsabrede eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt4. Zumindest wäre von einer Einmalbedingung iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auszugehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht haben die Parteien dieser Annahme auch nicht widersprochen.

Allgemeine Geschäftsbedingungen und Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB sind – ausgehend vom Vertragswortlaut – nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind5. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders6. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB durch das Landesarbeitsgericht ist der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglich7.

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Danach ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Parteien einen kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrag mittels Festlegung eines Endtermins vereinbart haben.

Für dieses Verständnis spricht bereits der Wortlaut von § 1 (1) des Arbeitsvertrags. Die Parteien haben ausdrücklich mit dem 30.09.2019 einen Endtermin ihres Arbeitsverhältnisses bestimmt. Damit ist der Arbeitsvertrag kalendermäßig befristet im Sinn der Angabe eines bestimmten Datums als letzten Tag des Arbeitsverhältnisses. Der Umstand, dass die Klausel zugleich die Einstellung für einen „Zeitraum“ benennt, steht diesem Verständnis nicht entgegen. Ein – wie hier – mit Daten benannter Anfangs- und Endtermin ist nicht gleichzusetzen mit einem ausdrücklichen Vertragszeitraum, der den Endtermin lediglich bestimmbar macht (wie etwa „ab 15.05.2019 für 4 ½ Monate“). Werden ein Anfangs- und ein Endtermin mit konkreten Daten angegeben, bezieht sich das im Übrigen auch immer auf einen Zeitraum. Dieser wird aber in § 1 (1) des Arbeitsvertrags gerade nicht eigenständig beschrieben.

Für dieses Verständnis sprechen der Vertragszweck sowie das erkennbare Interesse der Beteiligten, nämlich die saisonale Beschäftigung des Arbeitnehmers als Kassierer in einem Freibad. Mit Ende der Saison besteht unabhängig vom Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit kein Beschäftigungsbedarf mehr. Dies war auch aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu erkennen.

§ 305c Abs. 2 BGB kommt nicht zur Anwendung. Die Anwendung der Unklarheitenregel setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von ihnen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht8. Solche erheblichen Zweifel bestehen vorliegend nicht.

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Die vom Arbeitnehmer in der Revisionsverhandlung angebrachten Verweise auf das Günstigkeitsprinzip und auf unionsrechtliche Vorgaben verfangen nicht. Mit ihnen wird verkannt, dass weder das Günstigkeitsprinzip noch die EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 Auslegungsmaximen für das Verständnis einer Befristungsabrede sind.

Das Landesarbeitsgericht hat weiter zu Recht erkannt, dass die so verstandene Befristungsabrede dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG genügt. Die Parteien haben mit dem 30.09.2019 ein bestimmtes Datum als Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses schriftlich niedergelegt. Die Vorverlegung des Arbeitsbeginns lässt dieses Enddatum unberührt und bedurfte nicht der Schriftform. Der Anfangszeitpunkt eines befristeten Arbeitsvertrags bedarf allenfalls dann der Schriftform, wenn er zur Bestimmung des Endzeitpunkts maßgeblich ist. Erforderlich ist stets, dass der Endzeitpunkt eindeutig bestimmt oder bestimmbar ist; entsprechend unterliegen bei kalendermäßigen Befristungen entweder das Beendigungsdatum oder der Vertragsbeginn und die Vertragsdauer („ab einem bestimmten Datum für eine bestimmte Dauer“) dem Schriftformgebot9. Auch die mit dem Hinausschieben eines Beendigungstermins verbundene Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags ist formbedürftig, weil hierin grundsätzlich eine (weitere) eigenständige Befristung liegt. Das ist aber nicht gleichermaßen zu übertragen auf die Vorverlegung des vereinbarten Beginns eines – mittels Datumsangabe des Beendigungszeitpunkts – befristeten Arbeitsvertrags und der damit gleichfalls verbundenen „Verlängerung“ der Vertragsdauer. Entgegen der Auffassung der Revision geben Sinn und Zweck von § 14 Abs. 4 TzBfG dies auch nicht vor. Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG dient dazu, angesichts der besonderen Bedeutung der Befristung, die automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, größtmögliche Rechtssicherheit zu gewährleisten10. Außerdem bezweckt es eine Erleichterung der Beweisführung. Es soll unnötiger Streit über das Vorliegen und den Inhalt einer Befristungsabrede vermieden werden. Dem Arbeitnehmer soll außerdem deutlich vor Augen geführt werden, dass sein Arbeitsverhältnis – anders als bei dem Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags – mit der Vereinbarung der Befristung zu einem bestimmten Zeitpunkt automatisch enden wird und daher keine dauerhafte Existenzgrundlage bilden kann11. Bei der kalendermäßigen Befristung unterliegen demnach die Elemente der Schriftform, die den Endtermin des Arbeitsvertrags bestimmen oder bestimmbar machen. Ist ein konkretes Datum als Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich festgehalten, tangiert die Angabe des Beginns des Arbeitsverhältnisses weder den klarstellenden und warnenden noch den beweissichernden Zweck des § 14 Abs. 4 TzBfG. Unabhängig vom Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses ist bei einer schriftlichen datumsmäßigen Benennung eines „Endtermins“ – hier „30.09.2019“ – für den Arbeitnehmer klar erkennbar, zu welchem Zeitpunkt es enden soll. Entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers lässt sich den Gesetzesmaterialien zu § 14 Abs. 4 TzBfG auch nicht entnehmen, dass sich die Beweisfunktion der schriftlichen Befristungsabrede ebenso auf die Einhaltung der Befristungshöchstdauer – vor allem nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG – erstrecken soll. Gegenstand des Schriftformgebots ist die Befristungsabrede „an sich“ und allein auf diese bezieht sich die bezweckte Erleichterung der Beweisführung. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend argumentiert hat, gibt § 14 Abs. 4 TzBfG die Schriftform für jedwede Befristungen vor, auch für solche, deren Zulässigkeit sich nicht anhand einer (Gesamt-)Vertragsdauer bemisst, wie Befristungen mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. August 2023 – 7 AZR 300/22

  1. vgl. BAG 7.10.2015 – 7 AZR 40/14, Rn.19[]
  2. BAG 16.03.2005 – 7 AZR 289/04, zu I 1 der Gründe, BAGE 114, 146[]
  3. vgl. zu den Voraussetzungen BAG 14.12.2016 – 7 AZR 797/14, Rn. 42[]
  4. vgl. dazu BAG 14.12.2016 – 7 AZR 797/14, Rn. 15 mwN[]
  5. BAG 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, Rn. 13[]
  6. BAG 16.06.2021 – 10 AZR 31/20, Rn. 17[]
  7. vgl. BAG 26.05.2021 – 7 AZR 248/20, Rn. 29 mwN[]
  8. BAG 25.01.2023 – 10 AZR 109/22, Rn. 21[]
  9. vgl. auch APS/Backhaus 6. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 699; Arnold/Gräfl/Gräfl 5. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 435[]
  10. vgl. BT-Drs. 14/626 S. 11[]
  11. ausf. zu dieser Klarstellungs, Beweis- und Warnfunktion von § 14 Abs. 4 TzBfG BAG 23.07.2014 – 7 AZR 771/12, Rn. 39 ff., BAGE 148, 357; vgl. auch BAG 14.12.2016 – 7 AZR 797/14, Rn. 46; 26.07.2006 – 7 AZR 514/05, Rn. 16, BAGE 119, 149; APS/Backhaus 6. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 663; HWK/Rennpferdt 10. Aufl. § 14 TzBfG Rn.193; Arnold/Gräfl/Gräfl 5. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 419[]