Grundsätzlich rechtfertigt zwar eine „Selbstbeurlaubung“ die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Etwas anderes gilt – im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung – ausnahmsweise dann, wenn der Arbeitgeber den Urlaub hätte genehmigen müssen, insbesondere, so das Arbeitsgericht Köln in einem aktuellen Urteil, mit Rücksicht auf die religiöse Ausrichtung der Urlaubsnahme.

Die Klägerin des jetzt vom ArbG Köln entschiedenen Falls ist als Busbegleiterin in Schulbusen tätig. Diese Tätigkeit besteht darin, geistig bzw. körperlich behinderte Kinder bei Schulbusfahrten zu begleiten und zu betreuen. Im Jahr 2007 trat die Klägerin, die gläubige und praktizierende Muslima ist, an das Schulverwaltungsamt ihres Arbeitgebers heran, um Urlaub für eine geplante Pilgerreise in der Zeit vor Beginn der Weihnachtsferien zu beantragen. Ihr Arbeitgeber lehnte das jedoch ab und teilte ihr mit, dass eine Urlaubserteilung nur in den Schulferien in Frage komme. Daraufhin teilte die Klägerin telefonisch mit, dass sie ab dem 3. Dezember bis einschließlich 19. Dezember 2007 wegen der Pilgerreise ihren Dienst als Schulbusbegleiterin nicht antreten könne. Dies wurde erneut abgelehnt mit dem Hinweis auf arbeitsrechtliche Konsequenzen sofern sie den Dienst ab dem 3. Dezember 2007 tatsächlich nicht antrete. Gleichwohl nahm die Klägerin vom 3. bis 19. Dezember 2007 an der geplanten Pilgerreise nach Mekka teil.
Ihr Arbeitgeber leitete daraufhin die Anhörung des Gesamtpersonalrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ein, was dieser aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit ablehnte. Gleichwohl erklärte der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses, mit der Begründung, die Klägerin habe „in erheblichem Maße ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt“ habe.
Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Denn die Kündigung könne, so das ArbG, nicht gemäß § 626 Abs. 1 BGB auf hinreichende Tatsachen gestützt werden, aufgrund derer der Beklagten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden konnte.
Nur im Ansatz sei dem beklagten Arbeitgeber einzuräumen, dass ein vom Arbeitgeber nicht genehmigter und gleichwohl eigenmächtig angetretener Urlaub an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung abzugeben. Diese Voraussetzungen sind hier unzweifelhaft erfüllt; die Klägerin hat nicht nur eine Selbstbeurlaubung vorgenommen, ohne ihre Arbeitgeberin zuvor in gebotener Weise einzuschalten, sondern sie hat in bewusster Opposition gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Beklagten und in Kenntnis des Hinweises auf arbeitsrechtliche Konsequenzen gehandelt.
Gleichwohl könne, so das ArbG weiter, die Kündigung im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung letztlich keinen Bestand haben. Der Klägerin sei nämlich einzuräumen, dass sie sich in einem Glaubens- und Gewissenskonflikt befunden habe, den sie nach nachvollziehbarem subjektiven Empfinden nicht anders hat lösen können, als durch die erfolgte Teilnahme an der Pilgerreise außerhalb der Schulferien. Dieser Grund für den beantragten Urlaub war der Beklagten auch bekannt; die Klägerin hat nicht „irgend einen“ Urlaub beantragt, sondern deutlich darauf hingewiesen, den Urlaub für die Pilgerreise verwenden zu wollen. Die Beklagte hätte hier dem Urlaubsantrag entsprechen müssen; eine demgemäß unberechtigte Urlaubsverweigerung durch den Arbeitgeber ist aber im Falle einer Kündigung wegen eigenmächtigten Urlaubsantritts bei der Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, warum die Teilnahme an der Pilgerreise innerhalb der Schulferien nicht realisierbar ist: Hierzu müsste sie angesichts der jeweils nur um jährlich 10 Tage verschobenen zeitlichen Lage noch 13 Jahre lang warten, bis die große Pilgerreise innerhalb der Sommerferien durchführbar wäre. Dies ist ihr im Hinblick auf das eigene Alter und die großen Strapazen einer solchen Reise unzweifelhaft nicht zuzumuten, ferner im Hinblick auf die Betreuungssituation ihres schwerstbehinderten Kindes und das Alter der hierfür zur Zeit eingesetzten Mutter, die dann ein Alter von 86 Jahren hätte.
Der Argumentation, außerhalb der Schulferien stehe keine Vertretung zur Verfügung, kommt dem gegenüber kein entscheidendes Gewicht zu. Der Klägerin müsste – ob bereits im Jahr 2007 oder in den unmittelbaren Folgejahren – jedenfalls eine Teilnahme an der Pilgerreise ermöglicht werden, so dass auch in irgend einer Weise für eine Ersatzkraft gesorgt werden müsste. Dies wäre auch bereits im Zusammenhang mit der hier in Frage stehenden Pilgerreise in gleicher Weise umzusetzen gewesen, da jedenfalls der „Vorlauf“ seit dem ursprünglichen Urlaubsantrag von der Klägerin ausreichend lang war. Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch bei anderweitigen ggf. auch kurzfristigen Ausfällen der Klägerin, zum Beispiel wegen einer Erkrankung, strukturell die Möglichkeit bestehen muss, für eine anderweitige Betreuung Sorge zu treffen.