Eine Gewerkschaft ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt für einen Normenkontrollantrag gegen eine Rechtsverordnung, die in ihrem Tätigkeitsbereich gestützt auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zulässt.

Der Gewerkschaft fehlt weder die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO noch das Rechtsschutzinteresse.
Die Gewerkschaft kann geltend machen, durch die angegriffenen Bestimmungen der Bedarfsgewerbeverordnung in ihren Rechten verletzt zu sein. Hierfür reicht ihr Vortrag aus, dass diese Bestimmungen mit der Ermächtigungsgrundlage in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vom 06.06.19941 nicht vereinbar sind. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ist auch den Interessen von Vereinen und Gewerkschaften zu dienen bestimmt. Die dort geregelten Voraussetzungen für den Erlass einer Rechtsverordnung sind in diesem Sinne drittschützend. Die begünstigte Gewerkschaft kann sich darauf berufen, die Voraussetzungen für den Erlass der Rechtsverordnung hätten nicht vorgelegen und die Verordnung verstoße dadurch gegen eine auch sie schützende Rechtsnorm.
§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG konkretisiert mit den Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise beschäftigt werden dürfen, auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, der sich für den Gesetzgeber aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ergibt. Nach Art. 139 WRV bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist auch darauf ausgerichtet, den Grundrechtsschutz zu stärken; sie konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatlichen Schutzpflichten2. Der zeitliche Gleichklang einer für alle Bereiche regelmäßigen Arbeitsruhe ist ein grundlegendes Element für die Wahrnehmung der verschiedenen Formen sozialen Lebens. Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen ist dabei auch für die Rahmenbedingungen des Wirkens der politischen Parteien, der Gewerkschaften und sonstiger Vereinigungen bedeutsam3. Der objektivrechtliche Schutzauftrag, der in der Sonn- und Feiertagsgarantie begründet ist (Art. 139 WRV), ist mithin auf die Stärkung des Schutzes derjenigen Grundrechte angelegt, die in besonderem Maße auf Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung angewiesen sind4. Mit der Gewährleistung rhythmisch wiederkehrender Tage der Arbeitsruhe fördert und schützt die Sonn- und Feiertagsgarantie dabei nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit, sondern dient neben weiteren Grundrechten ebenso der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), auch in Gestalt der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), die sich so effektiver wahrnehmen lassen5.
Rhythmisch wiederkehrende Tage der Arbeitsruhe und eine damit einhergehende regelmäßige Arbeitsruhe für alle fördern und erleichtern die Möglichkeit des Einzelnen, sich in einem Verein oder einer Koalition zu gemeinsamem Tun zusammenzufinden. Spiegelbildlich wird zugleich die Möglichkeit der Vereinigung selbst gefördert und erleichtert, ihren Zweck zu verwirklichen, der gerade in der Organisation von gemeinschaftlich wahrzunehmenden Interessen besteht. Wenn der Vereinigung abgeleitet aus der Vereinigungsfreiheit eine Antragsbefugnis zugebilligt wird, wird ihr mithin, anders als der Antragsgegner meint, nicht etwa erlaubt, die Rechte ihrer Mitglieder als eigene wahrzunehmen. Sie nimmt vielmehr ein Recht wahr, das ihr selbst als Vereinigung zusteht.
Zwar muss darüber hinaus die Vereinigung oder die Gewerkschaft durch die angegriffene Rechtsnorm in ihrem Tätigkeitsbereich betroffen sein. Sie kann eine Rechtsnorm nicht angreifen, wenn deren Anwendung sich nicht negativ auf die Verwirklichung gerade ihrer Vereinigungsfreiheit auswirken kann. An dieser Einschränkung scheitert die Antragsbefugnis der Gewerkschaft indes nicht. Die Bedarfsgewerbeverordnung gestaltet den Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe im Dienstleistungsbereich aus, in dem die Gewerkschaft tätig ist.
Antragsbefugnis der Gewerkschaft
Der Gewerkschaft fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse.
Das Erfordernis eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses neben der Antragsbefugnis soll nur vermeiden, dass die Gerichte in eine Normprüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist. Maßgeblich ist, ob der Antragsteller durch die von ihm angestrebte Nichtigerklärung der Norm seine Rechtsstellung verbessern kann6. Dies ist hier schon deshalb der Fall, weil mit der Nichtigerklärung der angegriffenen Normen ein Eingriff in die Grundrechte der Gewerkschaft unterbliebe.
Antragsbefugnis von Kirchengemeinden und Kirchengemeindeverbänden
Auch die Anträge der Evangelischen Dekanate sind zulässig.
Die Evangelischen Dekanate sind antragsbefugt. Sie können ebenfalls geltend machen, die angegriffenen Normen verstießen gegen den auch für sie drittschützenden § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG, der auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag konkretisiert, der sich für sie aus der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ergibt.
Die Dekanate sind nicht bloße übergeordnete Verwaltungsinstanzen oder Dachverbände, die an dem eigentlichen religiösen Auftrag nicht teilhaben. Sie sind vielmehr in ihrem Bereich Religionsgemeinschaften und Träger des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Nach Art. 17 der Ordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (Kirchenordnung – KO) in der Fassung vom 20.02.2010, Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (ABl) 2010 S. 118, hat das Dekanat den Auftrag, das kirchliche Leben in der Region zu gestalten und so das Evangelium in seinem Bereich zu bezeugen. Es dient der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben, der Förderung der Zusammenarbeit und dem missionarischen Wirken in der Welt. Das Dekanat trägt Verantwortung für die Entwicklung der kirchlichen Handlungsfelder in seinem Gebiet und fördert neue kirchliche Arbeit in seinem Gebiet.
Die Evangelischen Dekanate sind nach § 61 Nr. 1 VwGO fähig, am Verfahren beteiligt zu sein. Sie sind juristische Personen in der Gestalt von Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Vertrag des Landes Hessen mit den Evangelischen Kirchen in Hessen vom 10.06.19607 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 4 dieses Vertrages sind die Kirchen, die Kirchengemeinden und die aus ihnen gebildeten Verbände Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nach Art. 16 Satz 1 KO werden die Dekanate aus den Kirchengemeinden eines zusammengehörenden Gebietes gebildet. Hieraus hat der Verwaltungsgerichtshof geschlossen, dass die Dekanate Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. An die Auslegung irrevisiblen Rechts durch den Verwaltungsgerichtshof ist das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht auch dann gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 560 ZPO gebunden, wenn das irrevisible Recht Normen der Verwaltungsprozessordnung ergänzt, welche von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzungen regeln8.
Die Evangelischen Dekanate ind prozessführungsbefugt.
Die Prozessführungsbefugnis setzt voraus, dass der Antragsteller prozessual berechtigt ist, im eigenen Namen (also nicht als Vertreter eines anderen) den von ihm geltend gemachten Anspruch alleine (als alleiniger potentieller Rechtsinhaber) geltend zu machen. Die Prozessführungsbefugnis kann fehlen, wenn jemand ein Recht im eigenen Namen geltend macht, das nicht ihm oder ihm nur gemeinsam mit anderen zusteht.
Die Evangelischen Dekanate sind befugt, über das von ihnen behauptete Recht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einen Prozess im eigenen Namen zu führen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass Beschlüsse des Dekanatssynodalvorstands über die Erhebung einer Klage vor einem staatlichen Gericht nach § 26 Abs. 3 Buchst. b der Dekanatssynodalordnung (DSO) vom 26.11.20039 der Genehmigung durch die Kirchenverwaltung bedürfen und erst mit deren Erteilung wirksam werden. Die Vorschrift beschränkt nicht die Befugnis des Dekanatssynodalvorstands, das Dekanat nach außen wirksam zu vertreten. Diese Befugnis ist anderweit in § 24 DSO geregelt. Ebenso wie die weiteren Genehmigungsvorbehalte in § 26 Abs. 3 DSO räumt die Vorschrift der Kirchenverwaltung als Aufsichtsbehörde ein Kontrollrecht bei als wichtig angesehenen Vorgängen ein. Sie betrifft damit nur die interne Willensbildung. Das gerichtlich geltend gemachte Recht steht aber weiterhin allein den Antragstellern zu. Dass ihre interne Willensbildung vor Antragstellung an einem Mangel litt, nimmt ihnen nicht die Prozessführungsbefugnis.
Aus diesem Grund kann offenbleiben, ob eine Genehmigung, die erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erteilt wird, sich noch auf die Zulässigkeit des Antrags auswirken könnte oder ob dies ausgeschlossen ist, weil die Antragsfrist eine Ausschlussfrist ist.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. November 2014 – 6 CN 1.2013 –
- BGBl I S. 1170[↩]
- BVerfG, Urteil vom 01.12 2009 – 1 BvR 2857, 2858/07, BVerfGE 125, 39, 80 f.[↩]
- BVerfG, Urteil vom 01.12 2009 a.a.O. S. 83[↩]
- BVerfG, Urteil vom 01.12 2009 a.a.O. S. 84[↩]
- BVerfG, Urteil vom 01.12 2009 a.a.O. S. 82[↩]
- BVerwG, Urteil vom 23.04.2002 – 4 CN 3.01, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 156[↩]
- GVBl I S. 54[↩]
- BVerwG, Urteil vom 01.07.1988 – 4 C 15.85, Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 69[↩]
- ABl 2004, 87[↩]