Wird ein im Arbeitsverhältnis stehender Beschäftigter des Landes Nordrhein-Westfalen mit seiner Zustimmung zum Sozialen Ansprechpartner (SAP) bestellt, tritt die damit verbundene Tätigkeit für die Dauer des Amts zur (bisher) vertraglich geschuldeten Leistung des Arbeitnehmers hinzu und wird Teil der arbeitsvertraglich versprochenen Dienste iSv. § 611 Abs. 1 BGB.

In der Innenverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen gibt es sog. Soziale Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner (SAP), darunter seit 1991 auch die Arbeitnehmerin. Grundlage hierfür ist – soweit für den Streitzeitraum relevant – der „Erlass zur Neukonzeption der Tätigkeit der Sozialen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner (SAP)“ (SAP-Erlass) des nordrhein-westfälischen Innenministeriums [1]. Dieser lautet auszugsweise:
I. Leitgedanken
Beschäftigte der Innenverwaltung sind von den unterschiedlichsten psychosozialen Problemen betroffen, die gesundheitliche und soziale Auswirkungen für die Betroffenen haben und sich über den privaten Bereich hinaus in erheblichem Maße auf die Arbeit der Betroffenen sowie deren dienstliches Umfeld auswirken können. Je nach Art und Schwere der Störung sind Leib oder Leben der Betroffenen oder das Ansehen staatlichen Handelns gefährdet. Dem Arbeitsplatz kommt eine große Bedeutung für das Entstehen, das Erkennen und den Verlauf von Problemen sowie deren Verarbeitung zu. Oftmals scheuen sich die Betroffenen, sich mit ihren Problemen an ihre Vorgesetzten oder Fachdienste zu wenden. In anderen Fällen fehlt es an der Kenntnis von Hilfsmöglichkeiten.
Hier setzt der Gedanke der Sozialen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner – im Folgenden kurz SAP genannt – ein. SAP setzen sich auf freiwilliger Basis für Abhilfe bei unterschiedlichen Belastungen der Einzelnen im privaten wie im beruflichen Leben sowie für ein gutes Klima am Arbeitsplatz und in der Behörde ein. Das Grundprinzip dieses Ansatzes lautet: ‚Kolleginnen und Kollegen helfen.‘
II. Aufgaben/Rahmenbedingungen und Grenzen für die Tätigkeit der SAP
1 Inhalte der SAP-Tätigkeit
Soziale Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner
- verstehen sich als Laien, die aufgrund ihrer qualifizierten Ausbildung und Praxiserfahrung besonders dazu befähigt sind, Kolleginnen und Kollegen mit Problemen in partnerschaftlicher Weise Hilfe zur Selbsthilfe zu geben,
- bieten betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine erste Anlaufstelle in der Beratung bei Problemen und Konflikten,
- -
- klären gemeinsam mit den Betroffenen die Problemlage mit dem Ziel, rechtzeitig weitere Institutionen und Beratungsstellen in den Prozess mit einzubinden.
Dabei nehmen die SAP eine ‚Brückenfunktion‘ wahr. …
- -
- sind Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner auch für Vorgesetzte und Behördenleitungen,
…
3.1 Rechtliche Stellung
3.1.1
SAP üben ihre Tätigkeit während der Dienstzeit eigenständig und weisungsungebunden im Nebenamt aus.
…
3.1.3
SAP dürfen sich unmittelbar an die Behördenleitung wenden. …
3.2 Rechtliche Pflichten
3.2.1
Die den SAP bekannt gewordenen Informationen unterliegen der Verschwiegenheitspflicht; hiervon dürfen sie nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen abweichen.
…
4.1 Zeitlicher Umfang der Tätigkeit
4.1.1
Die Tätigkeit als SAP sollte die dienstliche Tätigkeit im Hauptamt nicht nachhaltig und dauerhaft beeinträchtigen. Deshalb darf der zeitliche Umfang für die Tätigkeit als SAP in der Regel 10 % der Jahresarbeitszeit nicht übersteigen; …
4.1.2
Die Tätigkeit als SAP ist bei der Belastung durch das Hauptamt zu berücksichtigen. …
4.1.3
… Ein Tätigwerden außerhalb der Regelarbeitszeit gilt als Dienstzeit. Bezugsgröße für die Regelarbeitszeit ist der jeweils vereinbarte Arbeitszeitrahmen.
…
4.3 Dauer der Tätigkeit
4.3.1
Die Tätigkeit als SAP ist grundsätzlich auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet. …
4.3.2
Die Tätigkeit als SAP endet mit dem Ausscheiden der/des SAP aus dem Dienstverhältnis.
…
5.1
Die Schlüsselzahl der Anzahl der SAP im Verhältnis zur Beschäftigtenzahl einer Behörde ist so berechnet, dass eine dauerhafte Überlastung der SAP ausgeschlossen werden kann. Grundsätzlich ist von einer Schlüsselzahl von einer/einem SAP für ca.200 Beschäftigte auszugehen.
…
5.5
Soziale Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner dürfen in ihrer Aufgabenwahrnehmung nicht behindert und wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.
5.6
Zur Wahrung des Prinzips der Vertraulichkeit soll SAP grundsätzlich ein Einzelzimmer mit überprüfungsfreiem Telefonanschluss zur Verfügung stehen. …
…
6.3.1
Mit Abschluss der Ausbildung werden die SAP durch die jeweilige Behördenleitung bestellt.
…
6.4 Beendigung der Tätigkeit
6.4.1
SAP können jederzeit ohne Angabe von Gründen und ohne Nachteile jeglicher Art die Tätigkeit beenden.
…
6.4.2
Behördenleitungen können aus wichtigen Gründen zu der Entscheidung gelangen, die Tätigkeit als SAP einer/eines Beschäftigten zu beenden. Die Gründe hierfür sind den Betroffenen schriftlich mitzuteilen und in einem persönlichen Gespräch zu erläutern. Auf Wunsch der/des Betroffenen sind zu diesem Gespräch weitere SAP hinzuzunehmen. Wird kein Einvernehmen über die Beendigung der Tätigkeit erreicht, wird die für die SAP zuständige Stelle im Innenministerium unterrichtet. Sie entscheidet abschließend.
…
11 Qualitätssicherung
Zur dauerhaften Gewährleistung qualitativ hochwertiger Beratungsleistung wird von allen SAP folgendes erwartet:
…
Sollten SAP diese Auflagen nicht erfüllen, erfolgt … eine umgehende Prüfung und gegebenenfalls die Entpflichtung der entsprechenden SAP von ihrem Nebenamt durch das IM NRW.
Die Tätigkeit als SAP wird bei Arbeitnehmern mit der Bestellung Teil der geschuldeten Arbeitsleistung. Deren Beendigung durch das Land NRW unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle.
Mit der Bestellung einer/eines im Arbeitsverhältnis beim Land NRW Beschäftigten als SAP tritt die damit verbundene Tätigkeit für die Dauer des Amts zur (bisher) vertraglich geschuldeten Leistung des Arbeitnehmers hinzu und wird Teil der arbeitsvertraglich versprochenen Dienste iSv. § 611 Abs. 1 BGB.
Grundlage für die Tätigkeit als SAP ist der SAP-Erlass vom 01.06.2010, dessen Gültigkeit zuletzt durch Runderlass vom 29.05.2015 bis zum 31.12 2015 verlängert wurde. Der SAP-Erlass richtet sich allgemein an die Beschäftigten in der Innenverwaltung des Landes NRW, unabhängig davon, ob diese in einem Beamtenverhältnis oder einem Arbeitsverhältnis stehen.
Der SAP-Erlass regelt nicht ausdrücklich, welches Rechtsverhältnis mit der Bestellung zur/zum SAP begründet werden soll bzw. wie diese Tätigkeit hinsichtlich der unterschiedlichen Statusgruppen einzuordnen ist. Vielmehr bestimmt er lediglich die Bestellung durch das Land NRW (Ziff. II Nr. 6.3), die auf freiwilliger Basis (Ziff. I Abs. 2), nach entsprechender Bewerbung und nach Durchlaufen eines Auswahlverfahrens (Ziff. II Nr. 6.1) erfolgt.
Nach den Bestimmungen des SAP-Erlasses ist die Tätigkeit als SAP bei den in einem Arbeitsverhältnis stehenden Beschäftigten des Landes nach der Bestellung Teil der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit [2]. Dies entspricht dem Pflichtengefüge nach dem SAP-Erlass und den sich aus diesem Erlass ergebenden Rechten einer/eines SAP. Die Tätigkeit ist auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet (Ziff. II Nr. 4.3.1) und endet mit dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis (Ziff. II Nr. 4.3.2). SAP üben ihre Tätigkeit während der Dienstzeit eigenständig und weisungsungebunden „im Nebenamt“ aus (Ziff. II Nr. 3.1.1). Damit geht der Erlassgeber davon aus, dass ein Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitspflicht auch durch die SAP-Tätigkeit erfüllt. Auch ein Tätigkeitwerden als SAP außerhalb der Regelarbeitszeit wird als Dienstzeit anerkannt (Ziff. II Nr. 4.1.3 Satz 4). Ein Tätigwerden innerhalb und außerhalb der Dienstzeit ist dem Vorgesetzten anzuzeigen (Ziff. II Nr. 4.1.3 Sätze 1 bis 3). Die Tätigkeit im Nebenamt darf zwar in der Regel 10 % der Jahresarbeitszeit nicht übersteigen (Ziff. II Nr. 4.1.1), sie ist aber bei der Belastung im Hauptamt zu berücksichtigen (Ziff. II Nr. 4.1.2). SAP sind während der Dauer des Amts verpflichtet, an Fortbildungsmaßnahmen (Ziff. II Nr. 8 Abs. 1), Supervisionen (Ziff. II Nr. 9.1 Satz 1) und Tagungen der regionalen Arbeitskreise (Ziff. II Nr. 10 Abs. 2) teilzunehmen. Im Rahmen der Qualitätssicherung bestehen Berichtspflichten (Ziff. II Nr. 11).
Bei einem solchen Pflichtengefüge und einer solch engen Bindung an das Arbeitsverhältnis scheidet die Annahme aus, es handele sich um ein neben dem Arbeitsverhältnis stehendes „Ehrenamt“. Die Revision verweist insoweit ohne Erfolg darauf, dass die Beratung und Betreuung durch SAP „auf freiwilliger Basis“ erfolgt. Freiwilligkeit in diesem Sinne bedeutet allein, dass ein angestellter Landesbediensteter nicht im Wege des Direktionsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) angewiesen werden kann, die SAP-Tätigkeit wahrzunehmen. Dies erfolgt vielmehr freiwillig, wie die in Ziff. I Abs. 2 SAP-Erlass ausdrücklich betonte Freiwilligkeit der Übernahme einer solchen Tätigkeit verdeutlicht. Es bedarf somit einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, dass die Wahrnehmung des Amts Teil der vertraglich geschuldeten Leistung werden soll. Diese Vereinbarung kann auch konkludent geschlossen werden, indem der Arbeitnehmer sich um das Amt bewirbt und das angetragene Amt annimmt. Damit erweitern sich seine arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten um die Tätigkeit als SAP. Der Arbeitsvertrag wird für die Zeitspanne der Amtsübertragung entsprechend geändert und angepasst [3]. Der genaue Inhalt der Tätigkeit und die wechselseitigen Rechte und Pflichten bestimmen sich dabei nach dem Inhalt des maßgeblichen SAP-Erlasses [4]. Erfolgt eine wirksame Beendigung der Tätigkeit als SAP nach Ziff. II Nr. 6.4 SAP-Erlass, ist diese nicht mehr Bestandteil der vertraglich geschuldeten Leistung, ohne dass es weiterer arbeitsrechtlicher Maßnahmen bedürfte [5]. Damit entfällt auch der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch als SAP.
Die einseitige Beendigung der Tätigkeit eines Arbeitnehmers als SAP durch das Land NRW unterliegt einer Überprüfung durch die Gerichte für Arbeitssachen [2].
Wie ausgeführt, handelt es sich bei der Tätigkeit als SAP bei den in einem Arbeitsverhältnis stehenden Beschäftigten des Landes nach der Bestellung um einen Teil der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit. Will der Arbeitgeber die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit eines Arbeitnehmers im Wege der Änderungskündigung, einer Ausübung seines Direktionsrechts oder durch andere Maßnahmen verändern, kann der betroffene Arbeitnehmer eine solche Maßnahme gerichtlich darauf überprüfen lassen, ob sie rechtswirksam ist (vgl. § 2 KSchG; zu § 106 GewO zB BAG 10.07.2013 – 10 AZR 915/12, BAGE 145, 341; zum Widerruf nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG BAG 23.03.2011 – 10 AZR 562/09 -). Dabei ist nach den jeweils anwendbaren Normen und vertraglichen Regelungen zu überprüfen, ob eine solche Maßnahme rechtlich überhaupt in Betracht kommt und ob in tatsächlicher Hinsicht die nach der maßgeblichen Norm oder Vertragsregelung geforderten Voraussetzungen für die Maßnahme vorliegen.
Dies gilt auch für die Beendigung der Tätigkeit einer/eines SAP durch die Behördenleitung aus wichtigen Gründen nach Ziff. II Nr. 6.4.2 SAP-Erlass.
Maßgeblich für die Beendigung der Tätigkeit als SAP ist nach den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung [6] der SAP-Erlass vom 01.06.2010. Hiervon geht auch das Land NRW aus.
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Ziff. II Nr. 6.4.2 Satz 1 SAP-Erlass kann eine Beendigung der SAP-Tätigkeit gegen den Willen des Betroffenen durch die Behördenleitung nur erfolgen, wenn wichtige Gründe vorliegen. Demgegenüber kann die Tätigkeit durch den Arbeitnehmer jederzeit ohne Angabe von Gründen beendet werden (Ziff. II Nr. 6.4.1 Satz 1). Der SAP-Erlass trägt mit diesen unterschiedlichen Beendigungsvoraussetzungen dem Umstand Rechnung, dass bei der Tätigkeit als SAP Konflikte sowohl mit ratsuchenden Beschäftigten als auch mit der Behördenleitung auftreten können. Die eingeschränkte Abberufungsmöglichkeit dient dem Schutz der eigenständigen und weisungsungebundenen Ausübung der Tätigkeit (Ziff. II Nr. 3.1.1). Die/Der SAP soll nicht befürchten müssen, diese auf Dauer angelegte Tätigkeit ohne Gründe erheblichen Gewichts zu verlieren, auch wenn beispielsweise eine Behördenleitung mit ihrem/seinem Handeln nicht einverstanden ist.
Hieran ändert nichts, dass in Fällen, in denen eine Behördenleitung eine Beendigung der Tätigkeit einer/eines SAP anstrebt und es zu keiner einvernehmlichen Lösung kommt, nach Ziff. II Nr. 6.4.2 Satz 5 SAP-Erlass die zuständige Stelle im Ministerium „abschließend“ entscheidet. Hierbei handelt es sich lediglich um die verwaltungsinterne Festlegung, wer im Fall des fehlenden Einvernehmens zwischen Behördenleitung und SAP die Entscheidung über die Beendigung der Tätigkeit verantwortlich trifft. Die gerichtliche Überprüfung, ob die vom SAP-Erlass vorgesehenen formellen und materiellen Voraussetzungen für die Beendigung der Tätigkeit vorliegen, wird hierdurch nicht berührt.
Nach Ziff. II Nr. 6.4.2 SAP-Erlass kann eine Behördenleitung aus wichtigen Gründen zur Entscheidung gelangen, die Tätigkeit eines Arbeitnehmers als SAP zu beenden. Die Gründe sind dem Betroffenen schriftlich mitzuteilen und in einem persönlichen Gespräch zu erläutern. Wird kein Einvernehmen über die Beendigung erreicht, entscheidet über die Beendigung der SAP-Tätigkeit abschließend die im Innenministerium zuständige Stelle.
Der SAP-Erlass enthält keine eigenständige Begriffsbestimmung der wichtigen Gründe.
Der Wortlaut legt – trotz der Verwendung des Plurals – eine Auslegung in Anlehnung an § 626 Abs. 1 BGB nahe. Dass diese Norm – anders als beispielsweise in § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG – nicht zitiert ist, steht dem nicht entgegen. Der Erlass berücksichtigt insoweit, dass er sich nicht nur an Arbeitnehmer, sondern auch an Beamte richtet, für die § 626 Abs. 1 BGB nicht gilt.
Bei der Beendigung einer Tätigkeit wegen eines wichtigen Grundes handelt es sich um einen in der Rechtssprache gebräuchlichen Begriff. Da sich das Land NRW als Erlassgeber dieses Rechtsbegriffs bedient hat, könnte – ebenso wie bei Tarifvertragsparteien [7] – angenommen werden, dass der Rechtsbegriff des wichtigen Grundes in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung verwendet werden soll. Danach könnte die Tätigkeit einer/eines SAP nur beendet werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Land NRW unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine auch nur befristete Fortsetzung unzumutbar wäre. Gegen eine undifferenzierte Übertragung der Grundsätze aus § 626 Abs. 1 BGB spricht jedoch bereits, dass eine fristgemäße Beendigung der Tätigkeit nicht vorgesehen ist. Hinzu kommen die konstruktiven Unterschiede zwischen der SAP-Tätigkeit einerseits und dem Beendigungsschutz hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses, aber auch hinsichtlich der Beendigung zB der Tätigkeit als betrieblicher Datenschutzbeauftragter andererseits. Bei der Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB wird das Arbeitsverhältnis insgesamt und fristlos beendet. Aufgrund der damit verbundenen Folgen setzt dies nicht nur einen wichtigen Grund, sondern eine umfassende Interessenabwägung voraus [8]. Bei einer Beendigung der SAP-Tätigkeit nach Ziff. II Nr. 6.4.2 SAP-Erlass bleibt dagegen das Arbeitsverhältnis selbst in seinem Bestand unberührt. Weder der Umfang der Leistung des Arbeitnehmers noch die der Gegenleistung des Landes NRW, also die Höhe der Vergütung, werden hierdurch beeinflusst. Beendet wird lediglich ein Teil der Tätigkeit, der in der Regel nicht mehr als 10 % der Jahresarbeitszeit ausmacht (Ziff. II Nr. 4.1.1; bei Arbeitskreis-Sprecher/inne/n maximal weitere 6 %, Ziff. II Nr. 10.2), der freiwillig übernommen wurde und auf dessen Übertragung nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien in aller Regel kein Rechtsanspruch besteht. Auch handelt es sich – anders als beispielsweise beim betrieblichen Datenschutzbeauftragten – nicht um eine Aufgabe oder Tätigkeit, zu deren Einrichtung das Land NRW gesetzlich verpflichtet ist. Darüber hinaus stehen nach der Konzeption des SAP-Erlasses nicht die Interessen des Landes NRW und der als SAP tätigen Arbeitnehmer, sondern die der ratsuchenden Arbeitnehmer im Vordergrund. SAP sind Anlaufstellen für Arbeitnehmer mit psychosozialen Problemen, denen sie in partnerschaftlicher Weise „Hilfe zur Selbsthilfe“ geben. Der besondere Beendigungsschutz gemäß Ziff. II Nr. 6.4.2 SAP-Erlass stellt dabei sicher, dass SAP die Beratung und Betreuung im Interesse der ratsuchenden Arbeitnehmer ungestört ausüben können. Sie sollen ihr Amt frei von äußeren Zwängen wahrnehmen können. Deshalb genügt nicht jeder Grund, sondern es muss sich um einen wichtigen handeln. Hingegen ist nicht erkennbar, dass Ziff. II Nr. 6.4.2 SAP-Erlass etwa den sozialen Besitzstand der/des SAP am Erhalt des Nebenamts schützen will. Insgesamt bedarf der Begriff des wichtigen Grundes iSv. Ziff. II Nr. 6.4.2 SAP-Erlass deshalb einer funktionsbezogenen Bestimmung. Notwendig, aber auch ausreichend ist das Vorliegen von Umständen von erheblichem Gewicht, die eine sachgerechte Amtsführung durch die/den SAP nicht mehr zulassen. Liegen solche Umstände vor, kann eine Beendigung nach dem vorgesehenen Verfahren erfolgen, ohne dass etwa eine Interessenabwägung erforderlich wäre.
Davon ausgehend können sich wichtige Gründe iSd. Ziff. II Nr. 6.4.2 SAP-Erlass sowohl aus der SAP-Tätigkeit selbst als auch aus dem Arbeitsverhältnis in seiner Gesamtheit ergeben.
Als aus der SAP-Tätigkeit herrührende Gründe kommen vor allem erhebliche und/oder wiederholte Verstöße gegen die im SAP-Erlass festgelegten Pflichten in Betracht. Ebenso kann es eine Beendigung rechtfertigen, wenn sich herausstellt, dass die/der bestellte SAP trotz des durchlaufenen Auswahlverfahrens und auch nach entsprechender Ausbildung fachlich oder menschlich nicht in der Lage ist, die Tätigkeit sachgerecht auszuführen. Ein Fehlen der für die Tätigkeit erforderlichen Befähigung und Eignung kann sich insbesondere aus negativen Rückmeldungen von Ratsuchenden ergeben. Denkbar ist auch, dass ein dauerhafter Vertrauensverlust der jeweiligen Behördenleitung einen wichtigen Grund darstellt, wenn die/der SAP durch ihr/sein Verhalten zu einem solchen beigetragen hat. Eine sachgerechte Ausübung der Tätigkeit und eine gemeinsame Suche nach Lösungen und Verbesserungen (Ziff. II Nr. 3.1.3 Satz 2 SAP-Erlass) setzt im Interesse der ratsuchenden Arbeitnehmer notwendigerweise ein Mindestmaß an wechselseitigem Vertrauen voraus.
Wichtige Gründe für die Beendigung als SAP können sich auch aus außerhalb des Nebenamts liegenden Umständen, insbesondere aus dem Arbeitsverhältnis ergeben. So können erhebliche Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis zu der Beurteilung führen, dass die Eignung als SAP fehlt. Ebenso können längere und/oder wiederholte (krankheitsbedingte) Fehlzeiten im Einzelfall eine Beendigung der Tätigkeit als SAP rechtfertigen. Dies kann der Fall sein, wenn dadurch nicht sichergestellt ist, dass den Beschäftigten der jeweiligen Behörde SAP in einem Umfang, wie er in Ziff. II Nr. 5.1 und Nr. 6.1 SAP-Erlass vorgesehen ist, zur Verfügung stehen und damit ratsuchende Beschäftigte nicht mehr zeitnah und kontinuierlich beraten und betreut werden können. Gleiches gilt, wenn durch die Fehlzeiten die Belastung anderer SAP längerfristig über das im SAP-Erlass vorgesehene Maß von 10 % ihrer Jahresarbeitszeit steigt und diese dadurch in der Ausübung ihrer Haupttätigkeit beeinträchtigt werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Ziff. II Nr. 6.4.1 Abs. 2 SAP-Erlass die Möglichkeit des Ruhens der Tätigkeit vorsieht, wobei die Initiative hierzu von der/dem SAP selbst ausgehen muss.
Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beendigung der Tätigkeit als SAP und insbesondere für das Bestehen wichtiger Gründe iSv. Ziff. II Nr. 6.4.2 SAP-Erlass ist das Land NRW, das sich auf die Wirksamkeit der Maßnahme beruft (vgl. zu § 106 GewO BAG 10.07.2013 – 10 AZR 915/12, Rn. 30, BAGE 145, 341; zu § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG BAG 23.03.2011 – 10 AZR 562/09, Rn. 22, 25). Entgegen der Auffassung des Landes NRW genügt dabei der Vortrag bloß subjektiver Einschätzungen oder Werturteile einer Behördenleitung ohne näheren Tatsachenkern nicht, um das Vorliegen wichtiger Gründe iSv. Ziff. II Nr. 6.4.2 SAP-Erlass zu begründen. Zwar ist ein Vertrauensverlust zwischen einer Behördenleitung und einer/eines SAP nicht rein objektiv feststellbar, sondern beinhaltet notwendigerweise eine subjektive Komponente. Dies entbindet das Land NRW aber nicht, im Rahmen des Möglichen die Tatsachen zu benennen, aus denen sich eine solche Einschätzung ergibt. Dies gebietet schon der Schutz der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der SAP, der nicht von der bloßen Befindlichkeit beteiligter Personen abhängen kann. Auch wenn das Land NRW wegen der umfassenden Verschwiegenheitspflicht (vgl. Ziff. II Nr. 3.2.1 und Nr. 9.1 Abs. 4 SAP-Erlass) nur begrenzt Einblick in die unmittelbare Tätigkeit einer/eines SAP hat, kann und muss es die Anknüpfungstatsachen benennen, die es zum Anlass für die Beendigung nimmt [9].
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. September 2015 – 10 AZR 251/14
- Runderlass des Innenministeriums vom 01.06.2010, MBl. NRW S. 586[↩]
- vgl. zur Rechtslage bei Beamten VG Aachen 24.10.2013 – 1 K 1718/12[↩][↩]
- vgl. zur Bestellung: eines Datenschutzbeauftragten BAG 29.09.2010 – 10 AZR 588/09, Rn. 12, BAGE 135, 327; einer Fachkraft für Arbeitssicherheit 15.12 2009 – 9 AZR 769/08, Rn. 51, BAGE 133, 1; eines Betriebsbeauftragten für Abfall 26.03.2009 – 2 AZR 633/07, Rn.20, BAGE 130, 166[↩]
- vgl. zur Inhaltsbestimmung der Tätigkeit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit unmittelbar durch das ASiG: BAG 15.12 2009 – 9 AZR 769/08, Rn. 51, BAGE 133, 1[↩]
- vgl. zum Widerruf der Bestellung als Datenschutzbeauftragter BAG 29.09.2010 – 10 AZR 588/09, Rn. 15 f., BAGE 135, 327[↩]
- vgl. dazu zB BAG 19.02.2003 – 7 AZR 67/02, zu III 2 c aa der Gründe, BAGE 105, 161[↩]
- dazu BAG 25.09.2013 – 10 AZR 850/12, Rn. 14 mwN[↩]
- vgl. zuletzt zB BAG 20.11.2014 – 2 AZR 651/13, Rn.20 ff.[↩]
- vgl. ähnlich zur Leistungsbeurteilung im Rahmen einer Zielvereinbarung BAG 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, Rn. 52, BAGE 143, 292; zu dienstlichen Beurteilungen BAG 18.08.2009 – 9 AZR 617/08, Rn. 33, BAGE 131, 367[↩]