Die Betriebsparteien können sich grundsätzlich bei der Berücksichtigung von kinderbezogenen Leistungen im Sozialplan auf die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte beziehen.

Vereinfachungs- und Nachweisbarkeitsgründe rechtfertigen die Ungleichbehandlung von Mitarbeitern, deren Kinder nicht in der Lohnsteuerkarte eingetragen sind gegenüber solchen, deren Kinderzahl sich der Lohnsteuerkarte zum vereinbarten Stichtag entnehmen lässt.
Die genannten Gründe rechtfertigen es dagegen nicht, für ein Kind, das mit 0, 5 Kinderfreibeträgen in den Lohnunterlagen ausgewiesen ist, einen vollen Kinderzuschlag zu gewähren, zwei Kindern, die mit je 0, 5 Freibeträgen, insgesamt also mit 1, 0 Freibeträgen eingetragen sind, ebenfalls nur insgesamt einen Kinderzuschlag zuzusprechen, bzw. eines der beiden Kinder gänzlich unberücksichtigt zu lassen.
Dies gilt insbesondere, nachdem das Lohnsteuerkartensystem durch „ELSTAM“ abgelöst ist, die Finanzbehörden die Lohnsteuerunterlagen unmittelbar verwalten und Nachfragen nach dorthin erleichtert und verbindlich möglich sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wegen ihrer aus § 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ff. normativen Wirkung wie Tarifverträge auszulegen1. Die Auslegung von Tarifverträgen folgt wiederum nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts2 den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist ohne am Buchstaben haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.
Dass es eine Ungleichbehandlung im Sinne des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellt, wenn das erste oder dritte Kind eines Arbeitnehmers, das mit einem Kinderfreibetrag von 0, 5 in den Lohnsteuerunterlagen eingetragen ist, den Zusatzbetrag von EUR 4.000, 00 brutto erhält, während ein zweites oder viertes Kind, das ebenfalls mit einem Freibetrag von 0, 5 in den Lohnsteuerunterlagen erscheint, nur weil ein oder mehrere weitere Kinder vorhanden sind und entsprechend steuerrechtlich berücksichtigt werden, leer ausgeht, kann nicht ernsthaft bestritten werden. Diese Ungleichbehandlung ist nicht sachlich gerechtfertigt.
Die Ungleichbehandlung rechtfertigt insbesondere nicht ein Bestreben, im Interesse einer möglichst praktikablen Handhabung den Verwaltungsaufwand eventuell erforderlich werdender weiterer Nachforschungen zu vermeiden. Dieses Anliegen erscheint gerechtfertigt wenn es darum geht, nur die Kinder berücksichtigen zu wollen, die überhaupt, durch Eintrag in die Lohnsteuerunterlagen nachweisbar und steuerlich belegt, unterhaltsberechtigt sind und andere auszuschließen, deren Unterhaltsberechtigung erst außerhalb steuerrechtlicher, zum Zeitpunkt des Sozialplanabschlusses festgestellter Belege erforscht und nachgewiesen werden muss. Insoweit bestehen keine Bedenken dagegen, mit der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts3 davon auszugehen, dass ein Sozialplan nur für solche Mitarbeiter eine erhöhte Abfindung vorsehen kann, deren unterhaltspflichtige Kinder in der Lohnsteuerkarte eingetragen sind. Hat ein Arbeitnehmer für Kinder keinen Unterhaltsfreibetrag in die Lohnsteuerunterlagen eintragen lassen, so kann dem unabhängig von anderen steuerrechtlichen Motiven zugrundeliegen, dass er keine Unterhaltsverpflichtung trägt, dieser nicht nachkommt oder Streit darüber besteht. Enthalten die Lohnsteuerunterlagen jedoch Einträge für ein Kind, sei es auch nur mit einem halben Kinderfreibetrag, so ist davon prima facie nicht auszugehen.
Eine weitergehende Verfahrenserleichterung aber rechtfertigt die Ungleichbehandlung unterhaltsberechtigter Kinder nicht. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass es eine Lohnsteuerkarte seit dem Jahr 2011 nicht mehr gibt, vielmehr noch die Lohnsteuerkarte 2010 Anwendung findet und seit 2011 im Zuge der Einführung des ELSTAM-Verfahrens die Finanzämter allein zuständig sind für die Feststellung und Vermittlung lohnsteuerrechtlich relevanter Daten. Jedenfalls seither und in Zukunft hat das Finanzamt dem Arbeitgeber die persönlichen steuerrelevanten Daten der Arbeitnehmer verbindlich mitzuteilen, der Arbeitgeber hat die erforderlichen Auskünfte dort ohnehin einzuholen, in diesem Zuge kann der Arbeitgeber auch die Anzahl der Kinder, die den Kinderfreibeträgen zugrundeliegen, erfragen, dies ist ihm auch zumutbar.
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ist nicht der Auffassung, dass das Bestreben der Betriebsparteien, das Sozialplanvolumen einzuhalten, die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes rechtfertigt. Ein Überschreiten des Sozialplanvolumens im Einzelfall macht diesen nicht hinfällig, bei dem angegebenen Sozialplanvolumen von 3, 75 Mio. dürften die in Betracht kommenden Zusatzbeträge auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Willensentscheidung der Betriebspartner gehabt haben.
Landesarbeitsgericht Baden ‑Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2013 – 11 Sa 130/12
- vgl. BAG 22.03.2005 – 1 AZR 3/04 – NZA 2005, 831[↩]
- vgl. nur BAG 16.06.2004 – AP TVG § 4 – Effektivklausel Nr. 24[↩]
- BAG 12.03.1997 – NZA 1997, 1058[↩]
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