Was geschieht mit den Arbeitsverhältnissen, wenn sich eine Rechtsanwaltssozietät auflöst? Dieser Frage hatte jetzt das Bundesarbeitsgericht in dem Fall einer ursprünglich aus sechs Anwälten bestehenden Sozietät nachzugehen. Diese Sozietät hatte sich aufgelöst. Drei der sechs Ex-Sozien betrieben unter einem neuen Namen in anderen Räumlichkeiten wiederum eine Gemeinschaftssozietät, der Sozius, für den die klagende Mitarbeiterin überwiegend tätig war, war jetzt für eine andere Rechtsanwaltskanzlei tätig und hatte sich für seine Tätigkeit dort eine neue Mitarbeiterin gesucht, während der Klägerin durch die alte Sozietät betriebsbedingt wegen Betriebsaufgabe gekündigt wurde. Zurecht, wie jetzt auch in letzter Instanz das Bundesarbeitsgericht befand.

Die Sozietät als Arbeitgeber
Zunächst hielt das BAG fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts iSd. §§ 705 ff. BGB betriebenen Sozietät der Beklagten zu 1. bis 6. bestand, nicht zwischen der Klägerin und einzelnen Rechtsanwälten. Dies gilt auch dann, wenn die Sozietät nicht in Form einer Partnerschaft betrieben wird, sondern als Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Eine Anwaltskanzlei kann von mehreren Rechtsanwälten in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. BGB betrieben werden [1]. Diese Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, nicht jeder deren Gesellschafter, war Arbeitgeber der Klägerin. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hatte eine Anwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. BGB als Personengemeinschaft keine eigene Rechtsfähigkeit [2]. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht aufgegeben und sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeschlossen, der eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts als aktiv und passiv legitimiert ansieht [3]. Bereits in seiner Entscheidung vom 14. Juni 1989 [4] war der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass eine „BGB-Gesellschaft“ „Vertragspartner“ eines Arbeitnehmers sein kann.
Dieser Rechtsprechung steht nicht entgegen, dass die Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis als Gesamtschuldner haften [5]. Ob eine Gesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, hängt nicht davon ab, wer für deren Verbindlichkeiten haftet und in welcher Form bzw. welchem Umfange diese Haftung erfolgt. Dieses Ergebnis entspricht auch der einhelligen Meinung in der Literatur, welche annimmt, dass auch eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Arbeitgeberin sein kann [6].
Betriebsbedingte Kündigung wegen Sozietätsauflösung
Die beklagten Rechtsanwälte haben als Gesellschafter der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts die von ihnen betriebene Anwaltskanzlei, in welcher die Klägerin beschäftigt war, zum 31. Dezember 2004 stillgelegt. Die Stilllegung eines Betriebes gehört zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, welche eine Kündigung sozial rechtfertigen können, § 1 Abs. 1 KSchG [7].
Unter einer Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine der Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen [8]. Eine solche Stilllegungsabsicht liegt nicht vor, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, seinen Betrieb zu veräußern. Die Veräußerung des Betriebes allein ist – wie sich aus der Wertung des § 613a BGB ergibt – keine Stilllegung desselben, weil die Identität des Betriebes gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet. Deshalb schließen sich eine Betriebsstilllegung und eine Betriebsveräußerung gegenseitig systematisch aus. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist daher nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die geplante Maßnahme sich nicht als Betriebsveräußerung darstellt [9] . An einer Stilllegung des Betriebes fehlt es nicht nur dann, wenn der gesamte Betrieb veräußert wird, sondern auch, wenn organisatorisch abtrennbare Teile des Betriebes im Wege eines Betriebsteilüberganges (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB) veräußert werden. Dann liegt keine Betriebsstilllegung, sondern allenfalls eine Betriebsteilstilllegung vor.
Kein (Teil)Betriebsübergang auf die weiterhin tätigen Rechtsanwälte
Einen Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang hat das BAG vorliegend aber verneint, obwohl drei der ehemaligen Sozien sich wiederum zu einer neuen Rechtsanwaltssozietät zusammen geschlossen und dabei die gesamte Büroeinrichtung übernommen haben und ein anderer Ex-Sozius für seine weitere Tätigkeit in einer anderen Sozietät auch einige Mitarbeiter übernommen hat.
Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Der Begriff „wirtschaftliche Einheit“ bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit unter Wahrung ihrer Identität übergegangen ist, sind sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu berücksichtigen. Zu diesen Tatsachen zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, der Übergang materieller Betriebsmittel sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen sowie die Dauer der eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit.
Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Betriebsinhabers ein, also mit dem Wechsel der Person, die für den Betrieb der übertragenen Einheit als Inhaber verantwortlich ist. Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebes nicht. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen [10].
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat kein Betriebsübergang stattgefunden. Eine Rechtsanwaltskanzlei ist eine wirtschaftliche Einheit. Deren Zweck ist darauf gerichtet, für Mandanten juristische Dienstleistungen, insbesondere die Rechtsberatung sowie die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung zu erbringen. Damit die Beklagten zu 1. bis 6. ihre diesbezüglichen Anwaltstätigkeiten erbringen konnten, bedurfte es einer Organisation, welche diesem Betriebszweck diente. Erforderlich waren vor allem Mitarbeiter, welche nachgeordnete Personaldienstleistungen, wie Empfangs- und Telefondienst, Schreibarbeiten, Aktenführung oder nichtanwaltliche Sachbearbeitungen erledigten. Weiter gehörten dazu die zur Durchführung dieser Aufgaben erforderlichen Betriebsmittel (zB Büroeinrichtung, PC, Telefon- und Faxgeräte, Drucker, Fachliteratur uä.) . Trotz dieser materiellen Betriebsmittel, ohne welche eine Rechtsanwaltskanzlei nicht betrieben werden kann, steht die Mandantenbetreuung durch die Rechtsanwälte und die Mitarbeiter der Kanzlei im Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit. So ist die gesamte Organisation einer Anwaltskanzlei auf die Personen der dort tätigen Rechtsanwälte zugeschnitten, insbesondere auf deren individuelle Arbeitsweise. Hinzu kommt, dass Mandanten eine Anwaltskanzlei häufig deshalb beauftragen, weil dort ein oder mehrere Rechtsanwälte tätig sind, denen sie besonderes Vertrauen entgegenbringen oder deren Sachkunde und Fähigkeiten sie schätzen, und weil sie sich von den anwaltlichen und nichtanwaltlichen Mitarbeitern der Kanzlei gut betreut fühlen. Dies ist auch der Grund dafür, dass Anwaltskanzleien in der Regel die Namen der dort tätigen Rechtsanwälte bzw. zumindest der Gesellschafter einer Sozietät auf den Briefköpfen, Kanzleischildern oder in Telefonbucheintragungen kenntlich machen. Auch die Beklagten zu 1. bis 6. hatten die Namen der in ihrer Sozietät tätigen Rechtsanwälte auf dem Briefkopf der Kanzlei ausdrücklich aufgeführt. Neben den in der Kanzlei tätigen Rechtsanwälten steht für den Betrieb der Kanzlei die Arbeitsleistung der dort beschäftigten Mitarbeiter im Vordergrund. Ihre Zuarbeit ist für das ordnungsgemäße Funktionieren der Kanzlei ein unabdingbares Erfordernis. Damit wird die Arbeit einer Rechtsanwaltskanzlei durch die dort tätigen Personen, nicht durch die vorhandenen Betriebsmittel (wie Telefon, PC, Büroeinrichtung) , derer sie sich bedienen, geprägt.
Zur Erreichung des Betriebszweckes kam es deshalb bei der von den Beklagten zu 1. bis 6. betriebenen Anwaltskanzlei im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an. Die materiellen und immateriellen Betriebsmittel spielten nur eine untergeordnete Rolle. Es handelte sich demnach um einen sog. betriebsmittelarmen Betrieb, bei dem es auf ein „eingespieltes Mitarbeiterteam“ und die Fachkenntnisse dieser Mitarbeiter ankommt. Ein solcher Betrieb kann zwangsläufig unter Aufrechterhaltung seiner Identität nur dann von einem Betriebserwerber fortgeführt werden, wenn dieses Mitarbeiterteam übernommen wird, da dieses bei betriebsmittelarmen Betrieben identitätsbildend ist [11].
An dieser für die Annahme eines Betriebsüberganges erforderlichen Übernahme des Personals der Anwaltskanzlei fehlt es. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass lediglich eine von drei Auszubildenden und „allenfalls“ eine Angestellte von ursprünglich 13 Mitarbeitern durch den Beklagten zu 2. bei seinem Wechsel zur Beklagten zu 7. übernommen worden sind. Diese Übernahme von höchstens zwei Mitarbeitern, darunter eine Auszubildende, stellt keine Übernahme des identitätsbildenden Mitarbeiterstammes der Kanzlei dar.
Auch die Übernahme der gesamten Büroeinrichtung durch die Beklagten zu 4., 5. und 6. zwecks Weiterverwendung in deren neu gegründeter Anwaltskanzlei führt nicht zur Annahme eines Betriebsüberganges. Der Erwerb von materiellen Betriebsmitteln führt dann nicht zur Fortführung der Identität des Betriebes, wenn nicht gleichzeitig die betriebliche Organisation, der die Betriebsmittel gedient haben, mitübernommen wird. Daran fehlt es im Streitfalle, weil die Organisation der Kanzlei der Beklagten zu 1. bis 6. nicht durch die Büroeinrichtung geprägt war, sondern durch die mit dieser Büroeinrichtung arbeitenden Mitarbeiter. Diese wurden jedoch nicht übernommen. Hinzu kommt, dass die Beklagten zu 4., 5. und 6. ihre neu gegründete Kanzlei unter einer neuen Bezeichnung führen (B), die keinen Bezug zur bisherigen Kanzleibezeichnung (R Rechtsanwälte) erkennen lässt.
Die Übernahme des Mandantenstammes durch die ehemaligen Gesellschafter der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts in der Gestalt, dass jeder von ihnen seine bisher betreuten Mandanten auch nach der Auflösung der Gesellschaft weiterbetreut, begründet nicht die Annahme eines Betriebsüberganges. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei der Beurteilung der Frage, ob ein Betriebsübergang vorliegt, auch darauf abzustellen ist, ob der Kundenstamm eines Betriebes auf einen Erwerber übergegangen ist [12] . Der Übergang des Kundenstammes allein führt aber noch nicht zu einem Betriebsübergang. Vielmehr ist dieser nur ein zu bewertendes Kriterium bei der Gesamtwürdigung der Umstände des konkreten Einzelfalles. Dadurch, dass die Anwälte einer aufgelösten Rechtsanwaltskanzlei ihre bisherigen Mandanten weiterbetreuen, ohne das bisher zu dieser Betreuung eingesetzte Personal der Kanzlei zu übernehmen, erwerben sie nicht die Kanzlei als Ganzes oder einen Teil von dieser im Wege eines Betriebs(teil)überganges nach § 613a BGB. Dies gilt insbesondere deshalb, weil diese Mandate nunmehr im Rahmen neuer Organisationsstrukturen, in welche der aus der Anwaltssozietät ausgeschiedene Anwalt eintritt oder die er ggf. mit anderen Rechtsanwälten neu errichtet, und insbesondere unter Inanspruchnahme neuen Büropersonals betreut werden. Die Anwaltskanzlei ist damit nicht als Ganzes gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf einen der Beklagten übergegangen.
Es lag nach Ansicht des BAG aber auch kein Betriebsteilübergang vor.
Der Übergang eines Betriebsteiles steht für dessen Arbeitnehmer dem Betriebsübergang gleich. Betriebsteile sind Teileinheiten (Teilorganisationen) des Betriebes. Es muss sich um eine selbständige, abtrennbare organisatorische Einheit handeln, die innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks einen Teilzweck erfüllt. Das Merkmal des Teilzwecks dient dabei zur Abgrenzung der organisatorischen Einheit. Im Teilbetrieb müssen nicht andersartige Zwecke als im übrigen Betrieb verfolgt werden. Bei den übertragenen sächlichen und immateriellen Betriebsmitteln muss es sich um eine organisatorische Untergliederung handeln, mit welcher innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird, auch wenn es sich nur um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt. § 613a BGB setzt für den Betriebsteilübergang voraus, dass die übernommenen Betriebsmittel bereits bei dem früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten [13].
Voraussetzung für den Übergang eines Arbeitsverhältnisses gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf einen Betriebserwerber ist, dass der Arbeitnehmer, der sich auf den Betriebsteilübergang beruft, einem organisatorisch abtrennbaren Betriebsteil zugeordnet war, der vom Erwerber übernommen worden ist [14].
Die Klägerin macht geltend, sie habe überwiegend dem Beklagten zu 2. zugearbeitet, der nunmehr für die Beklagte zu 7. (eine gänzliche andere Sozietät) tätig sei. Dadurch sei ihr Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 7. im Wege eines Betriebsüberganges nach § 613a Abs. 1 BGB übergegangen. Dieser von der Klägerin behauptete Betriebsteilübergang scheitert bereits daran, dass diese nicht einer organisatorisch abgrenzbaren Untergliederung der Kanzlei zugeordnet war, welche hätte übergehen können. Der Umstand, dass sie infolge organisatorischer Arbeitszuteilung überwiegend für den Beklagten zu 2. tätig war, führt nicht dazu, dass diese Tätigkeit einen organisatorisch abtrennbaren Betriebsteil gebildet hat. Eine Anwaltskanzlei stellt grundsätzlich eine einheitliche Organisation dar. So geht auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 4. Februar 1988 [15] davon aus, dass ein Mandant, der bei einer bestehenden Anwaltssozietät einen der Sozien beauftragt, den Anwaltsvertrag nicht nur mit diesem Rechtsanwalt, sondern mit allen der Sozietät angehörenden Anwälten abschließt. Mit dieser Rechtsprechung wäre es nicht vereinbar, jeden Anwalt mit dem ihm (aufgrund konkreter Arbeitsanweisung) zugeordneten Kanzleipersonal als organisatorisch abtrennbaren Betriebsteil der Kanzlei zu betrachten.
Da somit weder ein Betriebsübergang noch ein Betriebsteilübergang stattgefunden hat, stellt die Einstellung der Tätigkeit der Anwaltskanzlei zum 31. Dezember 2004 eine Betriebsstilllegung dar. Diese war auch mit der Absicht erfolgt, den Kanzleibetrieb auf Dauer nicht mehr weiterzubetreiben. Diese hat sich dadurch dokumentiert, dass die Beklagten zu 1. bis 6. durch Gesellschafterbeschluss vom 22. Oktober 2004 die für den Betrieb der Anwaltskanzlei gegründete Gesellschaft des bürgerlichen Rechts aufgelöst haben.
Gegen die Zulässigkeit der Stilllegung der Anwaltskanzlei sprechen auch keine standes- oder gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkte.
Sowohl die BRAO als auch die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) dienen dem Interesse einer funktionsfähigen Rechtspflege. So soll insbesondere durch die Verpflichtung des Rechtsanwalts, eine Kanzlei zu unterhalten (§ 27 BRAO), sowohl für die Rechtssuchenden als auch für die Gerichte und Behörden gewährleistet sein, dass es eine räumlich eindeutig definierbare Stelle gibt, an welche alle für den Rechtsanwalt bestimmten Zustellungen, Mitteilungen und sonstigen Nachrichten wirksam gerichtet werden können. Die Kanzleipflicht dient damit der Gewährleistung einer zweckentsprechenden und sachgerechten Rechtsberatung und Vertretung [16] . Auch die BORA regelt im Rahmen der Vorschriften der BRAO das Nähere zu den anwaltlichen Rechten und Pflichten, soweit dies im Interesse der Rechtspflege und der Allgemeinheit geboten ist. Die BORA erfüllt damit die Aufgabe, das Verhalten des Rechtsanwalts gegenüber Mandanten, Kollegen, der Berufsorganisation, anderen Einrichtungen der Rechtspflege und in der Öffentlichkeit so festzulegen, dass das Vertrauen des Mandanten zu seinem Rechtsanwalt, in das Ansehen der anwaltlichen Berufsgruppe und der anwaltlichen Leistung sichergestellt ist (Henssler/Prütting BRAO 2. Aufl. Einleitung 2 zu BORA) .
Damit dienen diese Regelungen letztlich nur dem Interesse der Rechtspflege, nicht jedoch dem Schutz der in Anwaltskanzleien beschäftigten Mitarbeiter. Verletzt ein Rechtsanwalt seine anwaltlichen Verpflichtungen aus der BRAO oder der BORA, so hat dies ggf. anwaltsgerichtliche Maßnahmen nach §§ 113 ff. BRAO zur Folge. Eine solche Pflichtverletzung zeitigt jedoch keine Auswirkungen auf von dem Rechtsanwalt getroffene arbeitsrechtliche Maßnahmen, wie zB Kündigungen. Ob die Auflösung der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und die damit verbundene Schließung der Kanzlei durch die Beklagten zu 1. bis 6. gegen Vorschriften der BRAO oder der BORA verstoßen hat, wie die Klägerin meint, ist daher nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen ist auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 7. April 2008 [17] ohne nähere Begründung als selbstverständlich davon ausgegangen, dass Rechtsanwälte, die sich zur gemeinsamen Berufsausübung und zur Betreibung einer Anwaltskanzlei in einer Sozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts verbunden haben, diese Gesellschaft durch Kündigung des Gesellschaftsvertrages auflösen dürfen [18].
Die neue Kanzlei und der Grundsatz von Treu und Glauben
Die Kündigung ist, wie das BAG ausdrücklich feststellt, nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nichtig.
Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, wobei eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung als unzulässig anzusehen ist. Die Vorschrift des § 242 BGB ist auf Kündigungen neben § 1 KSchG allerdings nur in beschränktem Umfange anwendbar. Das KSchG hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht, abschließend geregelt. Umstände, welche im Rahmen des § 1 KSchG zu würdigen sind und die Kündigung als sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen, kommen als Verstöße gegen Treu und Glauben grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Kündigung verstößt dann gegen § 242 BGB und ist nichtig, wenn sie aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind, Treu und Glauben verletzt [19].
Damit verstößt eine Kündigung nur dann gegen Treu und Glauben, wenn Gründe vorliegen, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Solche Gründe sind im Streitfalle jedoch nicht ersichtlich. Der von der Klägerin angeführte Umstand, dass die Beklagten zu 1. bis 6. ihre Tätigkeit als Freiberufler weiterführen und dafür weiterer Arbeitskräfte bedürfen, nachdem sie ihre bisherige Anwaltskanzlei aufgelöst haben, ist Bestandteil der im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vorzunehmenden Prüfung, ob die von den Beklagten zu 1. bis 6. behauptete Betriebsstilllegung tatsächlich erfolgt ist und ob dadurch die Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin entfallen ist oder ob eine Betriebsstilllegung deshalb ausscheidet, weil ein Betriebs(teil)übergang stattgefunden hat. Nachdem eine solche die Kündigung sozial rechtfertigende Betriebsstilllegung vorgelegen hat, sind darüber hinaus keine weiteren Gründe ersichtlich, welche zu einer Nichtigkeit der ausgesprochenen Kündigung wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) führen könnten.
Die neue Sozietät eines der Ex-Sozien
Auch der Anschluss eines der Ex-Sozien an eine neue, andere Rechsanwaltssozietät (die Beklagte zu 7) bringt der entlassenen Klägerin keinen Vorteil, wie das BAG kurz und knapp feststellt: Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist durch die von den Beklagten zu 1. bis 6. ausgesprochene ordentliche Kündigung fristgemäß zum 31. März 2005 beendet worden und nicht ab 1. April 2005 im Wege eines Betriebs(teil)überganges auf die Beklagte zu 7. übergegangen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. Oktober 2008 – 8 AZR 397/07
- vgl. BAG, Urteil vom 28. November 2007 – 6 AZR 1108/06 – AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 7[↩]
- BAG, Urteil vom 16. Oktober 1974 – 4 AZR 29/74 – BAGE 26, 320 = AP BGB § 705 Nr. 1 = EzA BGB § 705 Nr. 1[↩]
- BAG, Urteil vom 1. Dezember 2004 – 5 AZR 597/03 – BAGE 113, 50 = AP ZPO § 50 Nr. 14 = EzA ZPO 2002 § 50 Nr. 3[↩]
- - 5 AZR 330/88 -[↩]
- BAG, Urteile vom 9. März 1995 – 2 AZR 552/94 – RzK I 13b Nr. 25; und vom 5. Februar 2004 – 8 AZR 112/03 – BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3[↩]
- ErfK/Preis 8. Aufl. § 611 BGB Rn. 184; Palandt/Weidenkaff 66. Aufl. § 611 Einführung Nr. 6; KfA-ArbR/Kamanabrou § 611 BGB Rn. 23; Schaub/Vogelsang 11. Aufl. Arbeitsrechtshandbuch § 17 Rn. 2; Kittner/Zwanziger ArbR 4. Aufl. § 6 Rn. 13; KR/Friedrich 8. Aufl. § 4 KSchG Rn. 94; Diller NZA 2003, 401[↩]
- allgemeine Meinung; vgl. BAG, Urteil vom 26. April 2007 – 8 AZR 695/05 – AP InsO § 125 Nr. 4[↩]
- BAG, Urteil vom 26. April 2007 – 8 AZR 695/05 – AP InsO § 125 Nr. 4[↩]
- BAG, Urteil vom 26. April 2007 – 8 AZR 695/05 – aaO[↩]
- BAG, Urteil vom 21. Februar 2008 – 8 AZR 77/07 – AP BGB § 613a Nr. 343 mwN[↩]
- BAG, Urteil vom 22. Juli 2004 – 8 AZR 350/03 – BAGE 111, 283 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 8 AZR 84/07 – NZA 2008, 753[↩]
- BAG, Urteil vom 16. Mai 2002 – 8 AZR 319/01 – AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210[↩]
- BAG, Urteil vom 24. August 2006 – 8 AZR 556/05 – AP BGB § 613a Nr. 315 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 59[↩]
- - IX ZR 20/87 – NJW 1988, 1973[↩]
- Henssler/Prütting BRAO 2. Aufl. § 27 Rn. 3[↩]
- - II ZR 3/06 – NJW 2008, 1943[↩]
- so auch: OLG Hamm vom 22. August 2005 – 8 U 189/04 – MDR 2006, 360[↩]
- BAG, Urteil vom 21. Februar 2001 – 2 AZR 15/00 – BAGE 97, 92 = AP BGB § 242 Kündigung Nr. 12 = EzA BGB § 242 Kündigung Nr. 1[↩]