Die Forderung nach sehr guten Englisch- und Deutschkenntnissen als Voraussetzung für die Einstellung eines Softwareentwicklers oder einer Softwareentwicklerin in einem international agierenden Unternehmen ist im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG sachlich gerechtfertigt.

Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG voraus. Zwar enthält § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG nur eine Rechtsfolgenregelung; aus dem systematischen Zusammenhang ergibt sich aber, dass auf die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG zurückzugreifen ist1.
Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Eine Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die nachteilige Maßnahme muss unmittelbar an das verbotene Merkmal anknüpfen2.
Eine Benachteiligung der Stellenbewerberin lag vor, denn sie erfuhr eine wenig günstigere Behandlung als diejenigen Bewerber und Bewerberinnen, die zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sind. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung bei der Einstellung liegt bereits dann vor, wenn Bewerber oder Bewerberinnen nicht in die Auswahl mit einbezogen wurden sondern vorab ausgeschieden sind. Hier liegt die Benachteiligung in der Versagung einer Chance3. Ob die Beklagte auf die ausgeschriebenen Stellen letztlich jemanden eingestellt hat oder nicht, kommt es daher nicht an4.
as Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Bewerber oder die Bewerberin objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen5.
Für die Beurteilung der objektiven Eignung ist nicht nur auf das formelle und bekannt gegebene Anforderungsprofil abzustellen. Maßgeblich sind vielmehr die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Bewerber in redlicher Weise stellen durfte. Zwar darf der Arbeitgeber über den einer Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers grundsätzlich frei entscheiden. Durch überzogene Anforderungen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des Allgemeinen Diskriminierungsschutzes de facto beseitigen5. Grundsätzlich zulässig ist es, in einem Stellenprofil eine bestimmte Mindestnote oder sonstige besondere Qualifikationen zu fordern6.
Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem durch § 1 AGG verbotenen Anknüpfungsmerkmal muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Nach § 22 Halbsatz 1 AGG genügt eine Person, die sich wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe für benachteiligt hält, ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien vorträgt, die diese Benachteiligung vermuten lassen7. Bei der Prüfung eines solchen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen8. Die vorgetragenen Tatsachen müssen darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung zumindest auch wegen jenes Merkmals erfolgt ist. Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt es, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber gleichwohl die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist9. Dies ist nur dann der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist10. Auf ein schuldhaftes Handeln oder eine Benachteiligungsabsicht kommt es demgegenüber nicht an9. Ist eine solche Vermutung für eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu bejahen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat.
Für die Vermutungswirkung des § 22 Halbsatz 1 AGG ist es ausreichend, dass ein in § 1 AGG genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat. Es ist nicht erforderlich, dass der als Anknüpfungspunkt verbotene Grund ausschließliches oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist11.
Bei der Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, sind die innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder -gepflogenheiten maßgebend12. Die Gerichte haben dabei darüber zu wachen, dass im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, die Verwirklichung des mit der RL 2006/54/EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird13.
Insbesondere der Verstoß gegen die Verpflichtung, einen Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG auszuschreiben, kann die Vermutung begründen, die Benachteiligung sei wegen verbotener Merkmale erfolgt14.
Ausgehend hiervon fehlt es vorliegend an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem durch § 1 AGG verbotenen Anknüpfungsmerkmal. Die von der Stellenbewerberin vorgetragenen Umstände lassen weder jeweils für sich betrachtet noch in einer Gesamtschau mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass ein in § 1 AGG genannter Grund mitursächlich für die Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch gewesen ist. Weder verstößt die von der Beklagten veröffentlichte Stellenausschreibung gegen § 11 AGG i.V.m. § 7 Abs. 1 AGG, noch liegen sonstige Tatsachen vor, die die Benachteiligung der Stellenbewerberin wegen eines verbotenen Merkmals indizieren.
Die Stellenausschreibung lässt auch keine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft der Stellenbewerberin vermuten, weil die Beklagte in der Anzeige aufgenommen hat, dem Bewerber oder der Bewerberin müssten „sehr gute Englisch- und Deutschkenntnisse […] selbstverständlich [sein]“.
Es kann dabei offen bleiben, ob die russische Herkunft der Stellenbewerberin überhaupt als Ethnie – ein Begriff, der weder in Art.19 AEUV noch im AGG oder der zugrunde liegenden Richtlinie15 definiert wird – im Sinne des § 1 AGG zu verstehen ist. Die Staatsangehörigkeit selbst ist jedenfalls nicht dem Begriff der ethnischen Herkunft zuzurechnen16. Eine unmittelbare Benachteiligung scheidet aber schon deshalb aus, weil die sehr gute Beherrschung einer Sprache – hier sogar zweier Sprachen – von einer Ethnie unabhängig ist17.
Eine mittelbare Benachteiligung liegt ebenfalls nicht vor, denn die Forderung der Beklagten nach sehr guten Englisch- und Deutschkenntnissen ist im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG sachlich gerechtfertigt. Die Forderung ist geeignet zur Erreichung eines legitimen Ziels, erforderlich und angemessen.
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber über den der Stelle zuzuordnenden Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stellenbewerbers frei entscheiden. Allerdings darf er keine Anforderungen an Bewerber und Bewerberinnen stellen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind18.
Vorbehaltlich der Tatsache, dass die Differenzierung zwischen guten und sehr guten Sprachkenntnissen mangels objektiver Vorgaben im Einzelfall nach subjektiven Kriterien erfolgt, sind die von der Beklagten verlangten Sprachkenntnisse nachvollziehbar19. Es ist deshalb unerheblich, ob – wie die Stellenbewerberin meint – gute Englisch- und Deutschkenntnisse ausreichen würden. Für die deutsche Sprache ergibt sich dies aus der beabsichtigten Besetzung eines Arbeitsplatzes in Deutschland, was den Kontakt mit deutschsprachigen Kunden mit sich bringt. Ausweislich der Stellenanzeige ist die Kommunikation mit den Kunden ein wichtiger Bestandteil der Tätigkeit. Es handelt sich also nicht um eine Tätigkeit, bei der ausschließlich technische Herausforderungen zu bewältigen sind; vielmehr sind sehr gute Sprachkenntnisse arbeitsnotwendig. Die Anforderung nach sehr guten Englischkenntnissen kann nachvollziehbar daraus abgeleitet werden, dass der IT-Sektor in besonderer Weise durch die Kommunikation in englischer Sprache geprägt ist. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte sowohl auf ihrem Internetauftritt als auch in der konkreten Stellenausschreibung ein besonderes Augenmerk darauf gelegt hat, dass sie global agierende Kunden betreut und auch hier die Kommunikation mit diesen Kunden besondere Bedeutung hat.
Mangels Benachteiligung wegen eines nach § 1 AGG verbotenen Merkmals scheiden auch Schadensersatzansprüche gemäß § 15 Abs. 1 AGG aus.
Es bestehen keine Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 1 BGB, denn es liegt keine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor. Insofern fehlt auch jeder Anhaltspunkt für einen von der Stellenbewerberin behaupteten Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB.
Es ist offensichtlich, dass die Auffassung der Beklagten, die russische Staatsangehörigkeit erfülle nicht das Merkmal der ethnischen Herkunft, die aus Sicht der Stellenbewerberin unzutreffende Bewertung ihrer Qualifikation durch die Beklagte und der Umstand, dass sich die Beklagte angesichts einer langjährigen Arbeitslosigkeit auf die fehlende Berufserfahrung der Stellenbewerberin beruft, zulässige Argumente innerhalb einer rechtlichen Auseinandersetzung darstellen. Dies gilt auch, soweit die Beklagte die Stellenbewerberin als AGG-Hopperin bezeichnet. Eine dadurch hervorgerufene Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts hat die Stellenbewerberin ebenso hinzunehmen, denn das im Rahmen der erforderlichen Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Interesse der Beklagten überwiegt das Interesse der Stellenbewerberin am Schutz ihrer Persönlichkeit20.
Landesarbeitsgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 15. Januar 2016 – 19 Sa 27/15
- BAG, Urteil vom 14.11.2013 – 8 AZR 997/12, Rn. 23[↩]
- BAG, Urteil vom 14.11.2013 – 8 AZR 997/12, Rn. 25[↩]
- BAG, Urteil vom 18.09.2014 – 8 AZR 759/13, Rn. 23[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 23.08.2012 – 8 AZR 285/11, Rn.20[↩]
- BAG, Urteil vom 14.11.2013 – 8 AZR 997/12, Rn. 30[↩][↩]
- BAG 24.01.2013 – 8 AZR 429/11, Rn. 36[↩]
- BAG, Urteil vom 18.09.2014 – 8 AZR 753/13, Rn. 21, juris; EuGH, Urteil vom 19.04.2012 – C-415/10 – [M.] Rn. 34 ff., juris; vgl. auch Art.19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 05.07.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen[↩]
- EuGH, Urteil vom 25.04.2013 – C-81/12 – [Asociatia ACCEPT], Rn. 50, juris; BAG, Urteil vom 18.09.2014 – 8 AZR 753/13 21[↩]
- BAG, Urteil vom 18.09.2014 – 8 AZR 753/13, Rn. 21[↩][↩]
- BAG, Urteil vom 25.04.2013 – 8 AZR 287/18, Rn. 38[↩]
- BAG, Urteil vom 18.09.2014 – 8 AZR 753/13, Rn. 22[↩]
- RL 2006/54/EG, 30. Erwägungsgrund[↩]
- EuGH, Urteil vom 19.04.2012 – C-415/10 – [M.], Rn. 42, juris; BAG, Urteil vom 18.09.2014 – 8 AZR 753/13, Rn. 23[↩]
- BAG, Urteil vom 19.08.2010 – 8 AZR 530/09, Rn. 59[↩]
- Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29.06.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft[↩]
- BAG, Urteil vom 21.06.2012 – 8 AZR 364/11, Rn. 31, juris; juris; Hey, in: Jey/Forst, AGG, 2. Aufl.2015, § 1, Rn. 18[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 28.01.2010 – 2 AZR 764/08, Rn. 16[↩]
- BAG, Urteil vom 23.08.2012 – 8 AZR 285/11, Rn. 27[↩]
- vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 19.05.2015 – 5 Sa 79/14, Rn. 6[↩]
- vgl. BVerfGE 114, 339, Rn. 29 f., juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 11.04.2013 – 2 U 111/12, Rn. 57 ff., juris; LAG Hamburg, Urteil vom 23.06.2010 – 5 Sa 14/10, Rn. 65 ff.[↩]