Stationsleitung in der Pflege – und die maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale

Für die Eingruppierung von Leitenden Beschäftigten in der Pflege (Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA) gehen die Tarifvertragsparteien von einem „regelmäßig“ mehrstufigen Organisations- und Leitungsmodell – Bereich/Abteilung, Station, Gruppe/Team – aus. Die Tätigkeitsmerkmale für die Leitenden Beschäftigten sind unabhängig davon anzuwenden, ob alle Hierarchieebenen vollständig vorgehalten werden. Ist dies nicht der Fall, ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Leitungsebenen im Betrieb vorhanden sind.

Stationsleitung in der Pflege – und die maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 TVöD/VKA richtet sich die Eingruppierung der Beschäftigten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Die Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen, § 12 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TVöD/VKA.

Dabei macht die gesamte durch die Arbeitnehmerin auszuübende Tätigkeit einen einheitlichen Arbeitsvorgang aus1. Letztlich dienen alle in der Stellenbeschreibung genannten Tätigkeiten, auch wenn es sich zum Teil um pflegerische handeln sollte, dem Arbeitsergebnis der Leitung des Wohnbereichs2.

Nach Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA sind die Tarifvertragsparteien hinsichtlich des Aufbaus der Tätigkeitsmerkmale für Leitungskräfte in der Pflege von einer bestimmten Organisationsstruktur ausgegangen. Unterste Leitungsebene ist danach die „Gruppen- bzw. Teamleitung“, während die Station die kleinste organisatorische Einheit darstellt. Der Begriff der Stationsleitung in den Entgeltgruppen P 12 und P 13 TVöD/VKA knüpft insoweit an der (kleinsten) organisatorischen Einheit „Station“ an. Aus dem Aufbau der Tätigkeitsmerkmale für die Leitenden Beschäftigten in der Pflege wird weiterhin deutlich, dass die Eingruppierung von einem mehrstufigen, hierarchischen Organisations- und Leitungsmodell ausgeht. Dieses besteht in den Entgeltgruppen P 9 bis P 14 TVöD/VKA aus den drei Ebenen Gruppe/Team, Station und Bereich/Abteilung3. Diese Struktur ist nicht nur für Krankenhäuser, sondern grundsätzlich auch für Pflegeheime maßgebend, da die Tarifvertragsparteien die Tätigkeitsmerkmale inhaltsgleich zum TVöD-B vereinbart haben4.

Weiterlesen:
Das während des Rechtsmittelverfahrens entfallene Rechtsschutzinteresse

Die Tätigkeit einer Stationsleiterin im Tarifsinn kann einer Arbeitnehmerin entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin auch dann übertragen sein, wenn in einer Einrichtung nicht alle Leitungsebenen vorhanden sind, welche die Tarifvertragsparteien der regelmäßigen Organisationsstruktur nach Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA zugrunde legen. Maßgebend ist, ob es sich bei der betreffenden Einheit um „die kleinste organisatorische“ handelt und diese von der Arbeitnehmerin mit den typischerweise einer Stationsleiterin obliegenden Aufgaben geleitet wird.

Die Anwendbarkeit der speziellen Tätigkeitsmerkmale für „Leitende Beschäftigte in der Pflege“ erfordert keine bestimmte Organisationsstruktur. Die Tarifvertragsparteien gehen nach dem Wortlaut der Vorbemerkung Nr. 1 Satz 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA lediglich von einer „regelmäßigen“ Organisationsstruktur aus. Bereits dieser deutet darauf hin, dass auch Leitungstätigkeiten in Einrichtungen, die nicht alle im Tarifvertrag genannten Organisationsebenen vorhalten, durch die tariflichen Merkmale erfasst werden sollen. Darüber hinaus umfasst nach Vorbemerkung Nr. 1 Buchst. c Satz 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA zwar ein Bereich/eine Abteilung „in der Regel“ mehrere Stationen. Im Verhältnis zwischen Team und Station besteht ein solches Erfordernis aber nicht5. Es bestehen keine Anhaltspunkte, die Tarifvertragsparteien hätten diese Tätigkeitsmerkmale ausschließlich für den Fall schaffen wollen, dass die tatsächliche Organisationsstruktur der im Tarifvertrag wiedergegebenen entspricht. Zudem sind nach Vorbemerkung Nr. 2 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA abweichende Bezeichnungen für vergleichbare organisatorische Einheiten ausdrücklich unbeachtlich.

Weiterlesen:
Arbeitslohn als Neumasseverbindlichkeit

Welche der von den Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag erwähnten Leitungsebenen in einem Betrieb vorhanden sind, ist durch einen Vergleich der tatsächlichen Gegebenheiten mit der als regelmäßig unterstellten Organisationsstruktur zu ermitteln6. Hierfür sind zum einen die organisatorische Verselbstständigung der jeweiligen Einheit und zum anderen die Aufgaben, welche der diese Einheit leitenden Person übertragen worden sind, zu berücksichtigen.

Bei den im E-Heim gebildeten „Wohnbereichen“ handelt es sich um „Stationen“ iSd. Vorbemerkung Nr. 1 Buchst. b Satz 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA.

Eine Station ist nach Vorbemerkung Nr. 1 Buchst. b Satz 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA die kleinste organisatorische Einheit. Unter Station ist nach allgemeinem Verständnis eine Abteilung in einem Krankenhaus zu verstehen7. Eine „Station“ in einer anderen Einrichtung liegt vor, wenn diese vergleichbar wie eine Abteilung in einem Krankenhaus organisiert, dh. von anderen Einheiten organisatorisch abgegrenzt und in gewissem Maße verselbstständigt ist. Hierfür sprechen eine räumliche Trennung von anderen Einheiten, die feste Zuordnung der jeweiligen Mitarbeiter zu dieser Einheit und die Erstellung jeweils eigener Dienstpläne. Ein Indiz kann auch die separate Zuweisung von Pflegemitteln an diese Einheit sein8. Die Verselbstständigung muss zudem auf unbestimmte Dauer oder jedenfalls für einen nicht unerheblichen Zeitraum angelegt sein. Die bloße Aufgabenerfüllung mit wechselndem Personal genügt nicht9.

Weiterlesen:
Anfechtung der Betriebsratswahl im Gemeinschaftsbetrieb - und die Beteiligung der Tarifvertragsparteien

Die im E-Heim eingerichteten Wohnbereiche sind Stationen im Tarifsinn. Sie sind auf Dauer eingerichtet und räumlich von den anderen Wohnbereichen getrennt. Zudem sind ihnen nach den durch die Arbeitgeberin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des in der Vorinstanz hiermit befassten Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg10 Pflegekräfte fest zugeordnet und es werden jeweils separate Dienstpläne erstellt. Für die durch die Arbeitgeberin behauptete „Fluktuation der Arbeitskräfte zwischen den Wohnbereichen“ fehlt es an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Schließlich verfügen die Wohnbereiche über eigene Ausstattung und Sachmittel.

Nach diesen Grundsätzen übt die Arbeitnehmerin im hier entschiedenen Fall die Tätigkeit einer Stationsleiterin aus. Die ihr nach der Stellenbeschreibung übertragenen Aufgaben umfassen sowohl die erforderliche fachliche als auch organisatorische Leitung.

Die Arbeitnehmerin verfügt im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall über die fachliche Weisungsbefugnis gegenüber den im Pflegedienst des Wohnbereichs tätigen Mitarbeitern und koordiniert deren Einsatz. In diesem Zusammenhang hat sie sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Bewohner, Mitarbeiter und der Heimleitung in Einklang gebracht werden. Hierzu hat sie regelmäßige Besprechungen mit den Mitarbeitern des Wohnbereichs durchzuführen und deren Kommunikation untereinander zu fördern. Sie ist ferner für die Organisation und Durchführung der Einarbeitung und Anleitung neuer Mitarbeiter verantwortlich. Ihr obliegen zudem die Dienstaufsicht sowie die Personaleinsatzplanung einschließlich der Mithilfe bei der Erstellung von qualifizierten Arbeitszeugnissen sowie von Vorschlägen zu Dienst- und Urlaubsplänen in Abstimmung mit der Pflegedienstleitung. Der Tätigkeit als Stationsleiterin steht nicht entgegen, dass es sich bei den Dienstplänen lediglich um „Vorschläge“ handelt und die Letztentscheidungsbefugnis bei der Pflegedienstleitung verbleibt. Die (verbindliche) Dienstplanerstellung oder deren Überprüfung ist typisches Merkmal des der Stationsleitung übergeordneten Berufsbildes der Pflegedienstleitung11. Soweit die Arbeitgeberin darüber hinaus in der Rechtsbeschwerdebegründung vorträgt, die Pflegedienstleitung sei für die Erstellung, Kontrolle und Unterzeichnung der Dienstpläne zuständig und nehme im Regelfall umfangreiche Änderungen an den Vorschlägen der Wohnbereichsleitung vor, widerspricht dies den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und kann als neuer Sachvortrag keine Berücksichtigung finden (§ 92 Abs. 2 ArbGG iVm. § 559 ZPO)12.

Weiterlesen:
Der Streit um die Eingruppierung - und der Zustimmungsersetzungsantrag für zwischenzeitlich ausgeschiedene Beschäftigte

Darüber hinaus ist die Arbeitnehmerin für die Erfüllung der gemeinsamen Grundsätze zur Qualitätssicherung gemäß der Verordnung des Sozialministeriums Baden-Württemberg über personelle Anforderungen für stationäre Einrichtungen (Landespersonalverordnung – LPersVO) vom 07.12.201513 und § 75 SGB XI verantwortlich . Im Rahmen des Qualitätsmanagements hat sie in ihrem Arbeitsbereich insbesondere die Umsetzung und Weiterentwicklung des Pflegekonzeptes sicherzustellen sowie dessen Dokumentation durchzuführen und zu überwachen. Hierzu ist von ihr die Qualität aller durchgeführten Pflege, Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen gründlich zu überprüfen. Als weitere Aufgabe obliegt ihr die Gewährleistung der wirtschaftlichen Betriebsführung, ua. durch Sicherstellung einer optimalen Einstufung aller Bewohner und enge Kooperation mit den MDK-Gutachtern. Darüber hinaus ist die Arbeitnehmerin für die Überwachung der Betriebssicherheit von Apparaten und Einrichtungen sowie der fachgerechten Lagerung der Materialien und deren wirtschaftlicher Verwendung innerhalb des Wohnbereichs verantwortlich. Sie hat die Heimleitung über Mängel und Schäden zu informieren und für deren Beseitigung zu sorgen.

Unerheblich ist, wenn die Arbeitnehmerin im Rahmen ihrer Leitungstätigkeiten ggf. auch selbst pflegerische Tätigkeiten übernimmt. Diese gehören als Zusammenhangsarbeiten zur einheitlich zu bewertenden Leitungstätigkeit14.

Die Anzahl der der Arbeitnehmerin unterstellten Beschäftigten spricht nicht gegen die Annahme, diese leite eine Station.

Die in der Vorbemerkung Nr. 1 Buchst. a Satz 2 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA genannte Anzahl von neun unterstellten Beschäftigten kann nicht herangezogen werden, um ein Team und eine Station voneinander abzugrenzen. Sie dient, zudem nur regelmäßig und nicht als starre Grenze – der Unterscheidung zwischen einem „Team“ und einem „großen Team“15. Bei neun unterstellten Vollzeitäquivalenten liegt in der Regel die Obergrenze für das Vorliegen eines „Teams“ iSd. Entgeltgruppe P 10 Fallgruppe 1 TVöD/VKA und bei zwölf diejenige für eine „Station“ iSd. Entgeltgruppe P 12 Fallgruppe 1 TVöD/VKA. Die Unterscheidung einer Station von einem Team beruht nicht auf der Anzahl der unterstellten Beschäftigten, sondern auf der Organisation und den der Leiterin jeweils übertragenen Aufgaben. Eine Station kann auch dann vorliegen, wenn die Zahl der unterstellten Beschäftigten geringer als neun ist16.

Weiterlesen:
Berichtigung einer Arbeitsbescheinigung - und der Rechtsweg

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. April 2022 – 4 ABR 25/21

  1. vgl. zum Arbeitsvorgang ausf. BAG 9.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn. 27 ff., BAGE 172, 130; 9.09.2020 – 4 AZR 161/20, Rn.20 f.[]
  2. vgl. zum einheitlichen Arbeitsvorgang bei Leitungstätigkeiten: BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn.19 mwN, BAGE 170, 214; 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn. 31 mwN[]
  3. BAG 24.02.2021 – 4 AZR 309/20, Rn. 23; 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 26, BAGE 170, 214; 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn. 25[]
  4. vgl. hierzu Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand März 2022 Teil IIIb EntgO VKA – B XI – Gesundheitsberufe Rn. 1, 462[]
  5. BAG 17.11.2021 – 4 ABR 1/21, Rn. 21, 25, zu den insoweit inhaltsgleichen AVR Caritas[]
  6. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand März 2022 Teil IIIb EntgO VKA – B XI – Gesundheitsberufe Rn. 495[]
  7. BAG 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn.19[]
  8. BAG 17.11.2021 – 4 ABR 1/21, Rn. 30[]
  9. zur „vergleichbaren sonstigen Organisationseinheit“ iSd. Entgeltgruppe Ä5 Buchst. a TV-Ärzte Hessen: BAG 16.05.2012 – 4 AZR 300/10, Rn. 27; 17.11.2010 – 4 AZR 63/09, Rn. 41; ähnlich zum „Teilbereich einer Klinik oder Abteilung“ iSd. Entgeltgruppe Ä3 TV-Ärzte/TdL BAG 20.06.2012 – 4 AZR 464/10, Rn. 14; 9.12.2009 – 4 AZR 495/08, Rn. 35 ff., BAGE 132, 365; 9.12.2009 – 4 AZR 568/08, Rn. 29 ff.[]
  10. LAG Baden-Württemberg 13.07.2021 – 19 TaBV 6/20[]
  11. BAG 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn. 42, 43[]
  12. vgl. BAG 25.01.2017 – 10 ABR 78/16 (F), Rn. 3; 18.07.2012 – 7 ABR 21/11, Rn. 38[]
  13. GBl.2015 S. 1253, zuletzt geändert durch Art. 43 des Gesetzes zum Abbau verzichtbarer Formerfordernisse vom 11.02.2020, GBl.2020 S. 37, 43[]
  14. vgl. BAG 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn. 31[]
  15. vgl. zur Abgrenzung Station/große Station BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 23, 27, BAGE 170, 214[]
  16. vgl. zur Abteilung/zum Bereich BAG 17.11.2021 – 4 ABR 1/21, Rn. 23[]
Weiterlesen:
Eingruppierung eines Wachpolizisten im Objektschutz