Der Anspruch der Arbeitnehmerin auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses ist mit einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung zu bewerten.

Der Argumentationsansatz, ein auf erstmalige Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses gerichteter Antrag sei regelmäßig mit einem Streitwert in Höhe von 500, 00 € zu bewerten, da der Arbeitgeber diesen grundsätzlich durch ein kurz gehaltenes Schreiben erfüllen könne, erst ein etwaiger Streit über eine Berichtigung eines bereits erteilten Zeugnisses sei regelmäßig mit einem Bruttomonatsgehalt zu bewerten, ist nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg verfehlt.
Maßgeblicher Ausgangspunkt für die Bemessung des für die Gerichtsgebühren relevanten Wertes für einen Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses ist nicht etwa der zur Erfüllung des Anspruchs erforderliche Aufwand oder das Abwehrinteresses des Anspruchsgegners, wie das Arbeitsgericht meint, sondern – im Hinblick auf das vermögensrechtlich zu begreifende Arbeitsverhältnis – welche wirtschaftliche Bedeutung ein Zwischenzeugnis für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Klagerhebung (§ 40 GKG) hat1. Dabei ist im Regelfall zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer in den Fällen eines Streits um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon wegen der Ungewissheit über den Ausgang des Rechtsstreits gehalten ist, im eigenen Interesse sich baldmöglichst vorsorglich um eine neue Stelle zu bemühen, um seine wirtschaftliche Existenzsicherung zu gewährleisten. Für die hierzu erforderlichen Bewerbungen bedarf er eines Zeugnisses, wobei dessen Vorlage für einzelne Tätigkeitsgruppen und Berufszweige von unterschiedlicher Bedeutung sein mag. Jedenfalls trägt die Vorlage eines Zeugnisses in der Regel dazu bei, die Bewerbung zu fördern und wenigstens ein Einstellungsgespräch zu erreichen. Dies ist auch im Tätigkeitsbereich der Arbeitnehmerin als Grafikdesignerin der Fall. Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitnehmers an dem Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses wird demnach davon geprägt, alsbald und in kürzester Zeit wieder Arbeitseinkünfte zu erzielen. Unter diesen Gesichtspunkt erscheint es nicht sachgerecht, den Wert eines solchen Zwischenzeugnisses lediglich pauschal mit 500, 00 EUR zu bemessen.
Die These, der Arbeitgeber könne den Zeugnisanspruch „grundsätzlich durch ein kurz gehaltenes Schreiben erfüllen“, steht im Übrigen auch nicht im Einklang mit den – von der Kammer geteilten – Grundsätzen des BAG2 und der überwiegenden Meinung in der Literatur3 zur Erfüllung des Zeugnisanspruchs.
Das Zwischenzeugnis selbst ist gesetzlich nicht geregelt. § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO gewährt nur „bei Beendigung“ einen Anspruch auf ein (Abschluss)zeugnis. Es ist allerdings anerkannt, dass nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch während eines laufenden Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis bestehen kann, wenn zugunsten des Arbeitnehmers ein triftiger Grund für dessen Erteilung besteht, etwa bei einem Vorgesetztenwechsel, bei einer Versetzung des Arbeitnehmers oder nach dem Ausspruch einer Kündigung mit längerer Kündigungsfrist4. Für den Inhalt des Zwischenzeugnisses gelten die gleichen Grundsätze wie für das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszustellende Zeugnis5.
Danach obliegt dem sich auf den Erfüllungseinwand gem. § 362 BGB berufenden Arbeitgeber die Darlegung, das erteilte Zeugnis sei formell ordnungsgemäß und inhaltlich vollständig (enthalte also hinreichende Angaben zu Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses und zur Führung und Leistung des Arbeitnehmers) und in der Bewertung von mittlerer Art und Güte6.
Auch diese dogmatischen Überlegungen lassen die generelle Bewertung eines Zeugnisanspruchs mit 500, 00 EUR als ermessensfehlerhaft erscheinen.
Zwar hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg grundsätzlich nicht ihre eigenen Wertvorstellungen durchzusetzen, sondern die Ausübung des Ermessens durch das Arbeitsgericht zu überprüfen7. Da das Arbeitsgericht im Streitfall jedoch nicht von sachgerechten Bewertungskriterien ausgegangen ist und sein Ermessen nicht fehlerfrei betätigt hat, kann die fallgerechte Bewertung durch das Beschwerdegericht vorgenommen werden, nachdem die hierfür erforderlichen Umstände aus der Akte ersichtlich sind. Aufgrund der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung, die dem Zwischenzeugnis aufgrund der oben unter II 3 a genannten Umstände zukommt, sowie des Verdienstes der Arbeitnehmerin, ihrem Lebensalter, der Dauer des Arbeitsverhältnisses bis zur Kündigung und der Bedeutung des Zeugnisses für künftige Arbeitsverhältnisse, erscheint es angemessen, den auf dessen Erteilung gerichteten Antrag mit einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung der Arbeitnehmerin zu bemessen8.
In Anlehnung an die vorstehenden Ausführungen unter II. 3 betreffend den Antrag für die Erteilung eines Zwischenzeugnisses ist auch derjenige bezüglich des Endzeugnisses mit einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung der Arbeitnehmerin zu bemessen9.
Landesarbeitsgericht Baden -Württemberg, Beschluss vom 17. Mai 2011 – 5 Ta 22/11
- LAG Baden-Württemberg 29.07.2009 – 5 Ta 30/09[↩]
- 14.10.2003 – 9 AZR 12/03 – AP BGB § 630 Nr. 28[↩]
- vgl. die Darstellung des Meinungsstandes bei ErfK/Müller-Glöge § 109 GewO Rn. 81 ff. mwN.[↩]
- allgemeine Auffassung, vgl. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 109 GewO Rn 50 mwN.[↩]
- allgemeine Auffassung, vgl. ErfK/Müller-Glöge § 109 GewO Rn. 51 mwN.[↩]
- BAG 14.10.2003 – 9 AZR 12/03 – AP BGB § 630 Nr. 28; ErfK/Müller-Glöge § 109 GewO Rn. 85[↩]
- vgl. LAG Baden-Württemberg 22.06.2009 – 5 Ta 13/09 – zitiert nach juris[↩]
- zur Zulässigkeit der Anknüpfung an den Monatsverdienst als Bemessungsgröße vgl. LAG Baden-Württemberg 29.07.2009 – 5 Ta 30/09[↩]
- vgl. dazu LAG Baden-Württemberg 4.08.2009 – 5 Ta 42/09[↩]