Stufenaufstieg im öffentlichen Dienst – und die Zeiten einer Nichtbeschäftigung

Stufenlaufzeiten sind nach dem Regelungskonzept des TVöD mit Ausnahme der in § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT enumerativ aufgezählten Fälle ausschließlich Zeiten, in denen der Beschäftigte tatsächlich tätig ist. Zeiten der Nichtbeschäftigung während eines Streits um den Bestand des Arbeitsverhältnisses werden daher nicht auf die Stufenlaufzeit angerechnet. Sie können aber im Wege des Schadenersatzes als Zeiten tatsächlicher Beschäftigung nachzuzeichnen sein.

Stufenaufstieg im öffentlichen Dienst – und die Zeiten einer Nichtbeschäftigung

Mit den Regelungen zum Stufenaufstieg in § 16 (Bund), § 17 TVöD-AT soll die in der jeweiligen Entgeltgruppe gewonnene Berufserfahrung honoriert werden. Die Tarifvertragsparteien sind dabei davon ausgegangen, dass die Beschäftigten durch die Ausübung der ihnen übertragenen Tätigkeit laufend Kenntnisse und Erfahrungen sammeln, die die Arbeitsqualität und -quantität verbessern1. Ein Stufenaufstieg setzt damit grundsätzlich die ununterbrochene Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe und damit die tatsächliche Arbeit der Beschäftigten voraus2. Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis nur rechtlich besteht, in denen Beschäftigte aber keine Arbeitsleistung erbringen, sind daher nach der tariflichen Konzeption grundsätzlich nicht auf die Stufenlaufzeit anzurechnen und führen nicht zu einem früheren Stufenaufstieg3.

In Durchbrechung dieses Regelungskonzepts haben die Tarifvertragsparteien die in § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT genannten Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung im dort festgelegten Umfang einer tatsächlichen Beschäftigung gleichgestellt und insoweit den Erwerb weiterer Berufserfahrung fingiert. Diese Aufzählung ist nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut und nach dem vorstehend genannten tariflichen Regelungszweck abschließend4. Hätten die Tarifvertragsparteien die Aufzählung nur beispielhaft gemeint, hätten sie dies durch einen Zusatz wie „zB“, „insbesondere“ oder „etwa“ deutlich machen müssen5.

Nach diesem abschließenden tariflichen Regelungskonzept werden auch Zeiten, in denen Beschäftigte während der Dauer einer Bestandsschutzstreitigkeit nicht tatsächlich arbeiten, nicht auf die Stufenlaufzeit angerechnet. Eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT scheidet mangels Regelungslücke aus.

Danach sind auf tariflicher Grundlage für die Stufenlaufzeit des Arbeitnehmers in seiner Entgeltgruppe über die Zeiten seiner Tätigkeit (§ 16 Abs. 4 Satz 1 TVöD-AT (Bund) sowie des bezahlten Erholungsurlaubs (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. c TVöD-AT) hinaus nur noch die ersten 39 Wochen seiner Arbeitsunfähigkeit (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT) zu berücksichtigen. Unerheblich ist dabei, dass die Arbeitsunfähigkeit in eine Zeit „eingebettet“ war, in der der Arbeitnehmer bereits aus anderen Gründen, nämlich dem Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Befristung, nicht beschäftigt worden ist. Die Regelung gilt für jeden Fall der Arbeitsunfähigkeit6.

Der von § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT nicht erfasste, für einen Aufstieg des Arbeitnehmers in die Stufe 4 seiner Entgeltgruppe erforderliche Erwerb von Berufserfahrung wird für die Zeit seiner Nichtbeschäftigung nicht nach § 615 Satz 1, § 611 Abs. 1 BGB7 iVm. dem Arbeitsvertrag iVm. § 16 Abs. 4 TVöD-AT (Bund) fingiert.

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Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer im Falle des Annahmeverzugs des Arbeitgebers die vereinbarte Vergütung (§ 611 Abs. 1 BGB bzw. ab 1.04.2017 § 611a Abs. 2 BGB) für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Die Norm weist dem Arbeitgeber die Substratsgefahr zu, dh. die Gefahr, die angebotene Arbeitsleistung wegen einer Störung des Arbeitssubstrats nicht annehmen zu können, gleichwohl aber die geschuldete Vergütung zahlen zu müssen8. Sie gewährt aber keinen eigenständigen Anspruch, sondern hält lediglich den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht9. Für die Höhe des Anspruchs gilt das Lohnausfallprinzip10.

Nach diesen Grundsätzen hat § 615 Satz 1 BGB zwar den bestehenden Entgeltanspruch aus der Stufe 3 der Entgeltgruppe 14 TVöD (Bund) aufrechterhalten11, nicht aber den für eine Anrechnung der nicht von § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT erfassten Zeiten auf die Stufenlaufzeit erforderlichen Erwerb von Berufserfahrung als weitere Tatbestandsvoraussetzung des Stufenaufstiegs. Der Annahmeverzug hat insoweit keine Perpetuierungsfunktion.

Der erforderliche Erwerb von Berufserfahrung wird auch nicht durch § 611 Abs. 1 BGB7, § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag iVm. § 16 Abs. 4 TVöD-AT (Bund) fingiert. Zwar ist der Anwendungsbereich dieser Gefahrtragungsregelung des allgemeinen Schuldrechts jedenfalls deshalb eröffnet, weil umgekehrt der Anwendungsbereich des § 615 Satz 1 BGB, wie ausgeführt, verschlossen ist12. Auch § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB ist jedoch keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern erhält nur bereits bestehende Ansprüche aufrecht13 und führt daher ebenso wenig wie § 615 Satz 1 BGB zum Weiterlauf der Stufenlaufzeit.

Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ist der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin jedoch im Wege des Schadenersatzes (§ 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB iVm. dem vertraglichen Beschäftigungsanspruch) so zu stellen, als sei er vom 01.01.bis zum 1.12.2013 sowie vom 30.01.bis einschließlich 7.04.2015 ununterbrochen in der Entgeltgruppe 14 TVöD (Bund) tätig gewesen und habe dadurch die für das Zurücklegen der Stufenlaufzeit in der Stufe 3 des § 16 Abs. 4 TVöD-AT (Bund) erforderliche Berufserfahrung erworben. Dagegen ist die von der Fiktion des § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT nicht erfasste Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vom 02.09.2014 bis zum 29.01.2015 auch nicht im Wege des Schadenersatzes für die Stufenlaufzeit zu berücksichtigen.

Die Arbeitgeberin hat schuldhaft ihre in der Zeit vom 01.01.bis zum 1.12.2013 sowie vom 30.01.bis einschließlich 7.04.2015 bestehende Beschäftigungspflicht verletzt.

Zwar folgt eine Beschäftigungspflicht der Arbeitgeberin nicht schon aus den tarifvertraglichen Regelungen des TVöD-AT zum Stufenaufstieg. § 16 (Bund), § 17 TVöD-AT setzen die tatsächliche Beschäftigung voraus und verknüpfen diese mit bestimmten Rechtsfolgen, geben dem Arbeitnehmer aber nicht selbst einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung.

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Die Arbeitgeberin war jedoch aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags verpflichtet, den Arbeitnehmer während des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses mit den vereinbarten Tätigkeiten zu beschäftigen. Diesen allgemeinen vertraglichen Beschäftigungsanspruch14 hat die Arbeitgeberin seit dem 1.01.2013 nicht mehr erfüllt, weil sie das Arbeitsverhältnis nach dem Befristungsablauf für beendet hielt. Der Anspruch bestand jedoch weiterhin, weil die Befristung, wie zwischenzeitlich rechtskräftig festgestellt ist, rechtsunwirksam war. Die Arbeitgeberin hat deshalb den grundsätzlich durchgehend bestehenden vertraglichen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers und damit zumindest eine vertragliche Nebenpflicht15 verletzt, indem sie den Arbeitnehmer vertragswidrig ab dem 1.01.2013 nicht beschäftigte.

Diese Pflichtverletzung hat die Arbeitgeberin auch zu vertreten (§§ 276, 278 BGB). Sie hat sich hinsichtlich ihres Verschuldens nicht entlastet, was ihr als Anspruchsgegnerin oblegen hätte (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB)16. Insbesondere hat die Arbeitgeberin die Voraussetzungen eines unverschuldeten Rechtsirrtums nicht dargelegt. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

Grundsätzlich erfordert der Geltungsanspruch des Rechts, dass der Schuldner das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage selbst trägt und dieses nicht dem Gläubiger zuschieben kann. Daher stellt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs strenge Anforderungen an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums.

Entscheidet sich der Arbeitgeber dafür, die von ihm geschuldete Leistung nicht zu erbringen oder die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht anzunehmen, geht er regelmäßig das Risiko, dass sich seine dieser Entscheidung zugrundeliegende rechtliche Einschätzung als unzutreffend erweist, fahrlässig ein und muss dann seine Nichtleistung vertreten17. Ihn trifft damit das Risiko, die Rechtslage zu verkennen18. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt daher nur vor, wenn der Arbeitgeber die Rechtslage unter Einbeziehung höchstrichterlicher Rechtsprechung sorgfältig geprüft, dafür, soweit erforderlich, Rechtsrat eingeholt hat und gleichwohl mit einer anderen Beurteilung der Rechtslage durch die Gerichte nicht rechnen musste19. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur dann, wenn die Rechtslage besonders zweifelhaft und schwierig ist und sich eine einheitliche Rechtsprechung noch nicht gebildet hat. Das Risiko einer gänzlich ungeklärten Rechtslage fällt dem Arbeitgeber nicht zur Last20. Ein normales Prozessrisiko entlastet ihn dagegen nicht21. Der Arbeitgeber handelt deshalb grundsätzlich fahrlässig, wenn er sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt und eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss.

Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht eine Haftung der Arbeitgeberin wegen Fahrlässigkeit rechtsfehlerfrei bejaht22. Es hat angenommen, die Arbeitgeberin habe weder vorgetragen, dass und wie sie die Wirksamkeit der Befristung mit der gebotenen Sorgfalt geprüft habe, noch sei ersichtlich, dass dies geschehen sei. Diese zutreffende Würdigung greift die Revision auch nicht an, sondern macht nur geltend, das Landesarbeitsgericht habe sich mit der Frage, ob die falsche Prognose über die Wirksamkeit der Befristung eine zu vertretende Pflichtverletzung darstelle, nicht auseinandergesetzt, sondern lediglich die Rechtsprechung zur Haftung bei Unwirksamkeit einer Kündigung herangezogen. Diese Rüge geht ins Leere, weil die Haftung des Arbeitgebers nicht davon abhängt, ob die seiner unzutreffenden Beurteilung der Rechtslage zugrundeliegende Bestandsschutzstreitigkeit die Wirksamkeit einer Kündigung oder einer Befristung betrifft, sondern allein davon, ob er den Rechtsirrtum über die bestehende Rechtslage verschuldet hat.

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Die Arbeitgeberin hat den Arbeitnehmer gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis – hier die Verletzung der Beschäftigungspflicht – stünde. Wäre der Arbeitnehmer vom 01.01.bis zum 1.12.2013 sowie vom 30.01.bis einschließlich 7.04.2015 von ihr tatsächlich beschäftigt worden, hätte er in dieser Zeit Berufserfahrung in der Stufe 3 der Entgeltgruppe 14 TVöD (Bund) gewonnen, was bei der Berechnung der Stufenlaufzeit zu berücksichtigen gewesen wäre.

Der Arbeitnehmer muss sich kein anspruchsminderndes Mitverschulden iSv. § 254 BGB anrechnen lassen.

Die Einwendung des Mitverschuldens ist von Amts wegen zu berücksichtigen, sofern eine Partei die entsprechenden Tatsachen vorträgt oder diese unstreitig sind23. Das gilt auch noch in der Revisionsinstanz24.

Nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Schadenersatzanspruch unter anderem dann zu kürzen, wenn der Geschädigte Maßnahmen unterlassen hat, die ein gewissenhafter und verständiger Mensch zur Verhinderung oder Begrenzung des Schadens ergriffen hätte. Dabei ist in Abwägung der Interessen im Einzelfall unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu beurteilen, welche Maßnahmen dem Geschädigten zumutbar sind. Die Schadensabwendungs- und Schadensminderungspflicht kann dem Geschädigten auch das Beschreiten des Rechtswegs gebieten25.

Durch die Erhebung der Befristungskontrollklage hat der Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitgeberin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er auf der Durchführung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Befristung hinaus besteht. Dies schloss das Begehren seiner tatsächlichen Beschäftigung ein. Deren gerichtliche Geltendmachung in einer gesonderten Klage war darüber hinaus nicht erforderlich und zudem dem Arbeitnehmer aufgrund der ihn gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG unabhängig vom Prozessausgang in erster Instanz treffenden Kostenlast nicht zumutbar.

Dagegen haftet die Arbeitgeberin nicht für die Nachteile beim Stufenaufstieg, die dem Arbeitnehmer dadurch entstanden sind, dass er über das Ende der Fiktion des Erwerbs von Berufserfahrung durch § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT hinaus weiterhin arbeitsunfähig war und bereits deshalb nicht beschäftigt werden konnte. Dieser Schaden liegt außerhalb des Schutzzwecks der Haftung für die Verletzung der Beschäftigungspflicht. 

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Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat in der Vorinstanz insoweit unter Bezug auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts, an die es sich gebunden gesehen hat, angenommen, die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers sei durch die lange Zeit der Bestandsschutzstreitigkeit und die damit einhergehenden Problematiken verursacht worden26. Es hat darum das Bestreiten der Krankheitsursache durch die Arbeitgeberin in ihrer Berufungsbegründung für unbeachtlich gehalten. Dies verletzt§ 67 ArbGG.

 Das Landesarbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, dass es (auch) Tatsachengericht ist und darum das angefochtene Urteil im Berufungsverfahren nicht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen hatte. Vielmehr dient das Berufungsverfahren auch der Kontrolle und Korrektur fehlerhafter Tatsachenfeststellungen. Darum gehört es zu den Aufgaben des Berufungsgerichts, das Urteil der Vorinstanz auf konkrete Anhaltspunkte für Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen zu prüfen und etwaige Fehler zu beseitigen27.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich insoweit auch nicht aus einem anderen Grund als richtig dar (§ 561 ZPO). Dieses hätte das erstmalige Bestreiten der Krankheitsursache durch die Arbeitgeberin in deren Berufungsbegründung auch nicht nach § 67 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 ArbGG zurückweisen können. Die Nichtberücksichtigung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nach diesen Bestimmungen setzt voraus, dass eine Verzögerung des Berufungsverfahrens bei Zulassung des Vorbringens und kumulativ grobe Nachlässigkeit im vorangegangenen Rechtszug vorliegt28. Da die Arbeitgeberin die Krankheitsursache in der Berufungsbegründung bestritten hat, konnte dieses neue Verteidigungsmittel das Berufungsverfahren nicht verzögern und deshalb selbst dann, wenn das Bestreiten in erster Instanz unter Verstoß gegen § 282 Abs. 1 ZPO unterblieben wäre, nicht zurückgewiesen werden.

Einer Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht zur Aufklärung der Ursache der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bedarf es nicht, weil der Rechtsstreit insoweit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auch wenn das diesbezügliche Vorbringen des Arbeitnehmers zu seinen Gunsten als wahr unterstellt wird, begründet es keine Schadenersatzpflicht der Arbeitgeberin für die Zeit vom 02.09.2014 bis einschließlich 29.01.2015. Der durch die 39 Wochen übersteigende Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers entstandene Schaden wird nicht mehr vom Schutzzweck der Haftung für die Verletzung der Beschäftigungspflicht gedeckt, sondern ist Teil des vom Arbeitnehmer zu tragenden allgemeinen Lebensrisikos.

Selbst wenn zugunsten des Arbeitnehmers die erforderliche adäquate Kausalität29 unterstellt wird, ist zu berücksichtigen, dass die Haftung auch für die Verletzung von Vertragspflichten nur besteht, wenn die verletzte Vertragsbestimmung den Eintritt gerade des eingetretenen Schadens verhindern soll, also gerade die insoweit geschützten Interessen betroffen sind. Der Schädiger haftet nur für die Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwehr die verletzte Vertragspflicht übernommen worden ist. Es muss ein innerer Zusammenhang zwischen dem Schaden und der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage bestehen30. Das Vorliegen eines solchen Zurechnungszusammenhangs ist insbesondere bei den Folgen geltend gemachter psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen erforderlich. Eine Haftung für normale Belastungen aus einer Rechtsbeziehung und für das allgemeine Lebensrisiko besteht insoweit nicht. Diese Risiken sind allein dem Bereich des Geschädigten zuzurechnen31.

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Unter Zugrundelegung der gebotenen wertenden Betrachtung32 fehlt es vorliegend am erforderlichen Schutzzweckzusammenhang. Es ist dem allgemeinen Lebensrisiko und damit der Risikosphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen, wenn dieser die zwischen den Parteien geführte Bestandsschutzstreitigkeit, deren Dauer nicht unüblich war und die sachlich geführt worden ist, als so belastend empfunden hat, dass er deswegen nach seinem Vortrag erkrankt ist.

Auf die unter Berücksichtigung der einmonatigen Elternzeit des Arbeitnehmers im Jahr 2010 am 15.12.2012 begonnene dreijährige Laufzeit der Stufe 3 der Entgeltgruppe 14 TVöD (Bund) sind damit nicht nur die 17 Tage bis zum 31.12.2012 als dem Tag des Ablaufs der ursprünglichen Befristung, sondern darüber hinaus aufgrund der Fiktion des § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT 273 Tage der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und schließlich im Wege des Schadenersatzes weitere 403 Tage vom 01.01.bis zum 1.12.2013 sowie vom 30.01.bis zum 7.04.2015 anzurechnen. Unter Berücksichtigung dieser Zeiten sowie des Urlaubs des Arbeitnehmers seit dem 8.04.2015 und seiner sich daran anschließenden Beschäftigung bei der Arbeitgeberin ist der Arbeitnehmer deshalb am 14.05.2016 in die Stufe 4 seiner Entgeltgruppe aufgestiegen. Auf eine leistungsbedingte Verlängerung oder Verkürzung der Stufenlaufzeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 bzw. Satz 2 TVöD-AT hat sich keine der Parteien berufen. Ist es zu keinen weiteren schädlichen Unterbrechungen oder Hemmungen der Stufenlaufzeit gekommen und lagen weiterhin die Voraussetzungen für Änderungen der Laufzeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 bzw. Satz 2 TVöD-AT nicht vor, ist der Arbeitnehmer zwischenzeitlich am 14.05.2020 in die Stufe 5 seiner Entgeltgruppe aufgestiegen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. September 2022 – 6 AZR 261/21

  1. ausführlich BAG 27.01.2011 – 6 AZR 526/09, Rn. 35, BAGE 137, 80[]
  2. vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 17 Stand September 2009 Rn. 27[]
  3. vgl. Bredemeier/Neffke/Bernheine 6. Aufl. TVöD § 17 Rn. 10; HK-TVöD/TV-L 4. Aufl. § 17 Rn.19; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD § 16 (Bund) Stand Juli 2019 Rn. 139[]
  4. vgl. BAG 17.03.2016 – 6 AZR 96/15, Rn. 13 zur inhaltsgleichen Regelung in § 19 Abs. 6 TV-BA; vgl. Bredemeier/Neffke/Bernheine 6. Aufl. TVöD § 17 Rn. 11[]
  5. vgl. BAG 22.09.2016 – 6 AZR 432/15, Rn. 18 mwN[]
  6. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 17 Stand März 2008 Rn. 32[]
  7. bzw. ab 1.04.2017 § 611a Abs. 2 BGB[][]
  8. BAG 13.10.2021 – 5 AZR 211/21, Rn. 17[]
  9. BAG 27.01.2016 – 5 AZR 9/15, Rn. 16, BAGE 154, 100[]
  10. BAG 19.03.2008 – 5 AZR 429/07, Rn. 13, BAGE 126, 198[]
  11. vgl. BAG 24.06.2015 – 5 AZR 462/14 ua., Rn. 35, BAGE 152, 65[]
  12. vgl. Staudinger/Schwarze (2020) § 326 Rn. C 40[]
  13. Staudinger/Schwarze aaO Rn. C 86[]
  14. zu dessen Herleitung BAG Großer Bundesarbeitsgericht 27.02.1985 – GS 1/84, zu C I 2 der Gründe, BAGE 48, 122; Schaub ArbR-HdB/Ahrendt 19. Aufl. § 109 Rn. 5; ErfK/Preis 22. Aufl. BGB § 611a Rn. 563[]
  15. zum Meinungsstreit, ob der vertragliche Beschäftigungsanspruch eine Haupt- oder Nebenpflicht darstellt, Schaub aaO Rn. 1; MünchKomm-BGB/Spinner 8. Aufl. § 611a Rn. 887[]
  16. vgl. BAG 21.05.2015 – 6 AZR 349/14, Rn. 29; BGH 5.04.2017 – IV ZR 437/15, Rn.19[]
  17. vgl. BGH 11.06.2014 – VIII ZR 349/13, Rn. 34 ff.[]
  18. BGH 15.01.2013 – II ZR 45/12, Rn. 12[]
  19. BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 63, BAGE 167, 196[]
  20. vgl. BGH 15.07.2014 – XI ZR 418/13, Rn. 15 mwN[]
  21. BAG 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn. 51, BAGE 161, 198; vgl. auch BAG 24.06.2021 – 5 AZR 385/20, Rn. 21; auf einen „vertretbaren Rechtsstandpunkt“ abstellend BAG 15.09.2011 – 8 AZR 846/09, Rn. 42[]
  22. zur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung des Rechtsbegriffs des Verschuldens vgl. BAG 24.06.2021 – 5 AZR 385/20, Rn.19[]
  23. BAG 26.07.2007 – 8 AZR 707/06, Rn. 44 mwN[]
  24. BAG 28.06.2018 – 8 AZR 141/16, Rn. 32; 16.05.2007 – 8 AZR 772/06, Rn. 31, BAGE 122, 337[]
  25. st. Rspr. BAG 26.07.2007 – 8 AZR 707/06, Rn. 44 mwN[]
  26. LAG Sachsen-Anhalt 15.02.2021 – 6 Sa 478/17[]
  27. ausführlich BAG 12.09.2013 – 6 AZR 121/12, Rn. 11 ff. mwN[]
  28. vgl. BAG 18.02.2003 – 1 ABR 17/02, zu B I 3 b der Gründe, BAGE 105, 19; vgl. zu dem mit § 67 Abs. 3 ArbGG inhaltsgleichen § 528 Abs. 2 ZPO aF: BVerfG 22.02.1999 – 1 BvR 2486/97, zu II 1 b der Gründe; BGH 8.03.1991 – V ZR 339/89, zu II 2 a der Gründe[]
  29. dazu BAG 24.04.2008 – 8 AZR 347/07, Rn. 53[]
  30. BGH 22.09.2016 – VII ZR 14/16, Rn. 14, BGHZ 211, 375; MünchKomm-BGB/Oetker 9. Aufl. § 249 Rn. 123[]
  31. vgl. BGH 8.12.2020 – VI ZR 19/20, Rn. 11, BGHZ 228, 264[]
  32. BGH 22.09.2016 – VII ZR 14/16, Rn. 14, BGHZ 211, 375[]
Weiterlesen:
Die unterbliebene Anmeldung bei der VBL

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