Tarifliche Ausschlussfristen im öffentlichen Dienst – und der Überleitungsantrag

Tarifliche Ausschlussfristen (wie die des § 37 Abs. 1 TVöD/VKA) dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Der Anspruchsgegner soll sich auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offene Forderung rechtzeitig einstellen, Beweise sichern und ggf. Rücklagen bilden können. Er soll vor der Verfolgung von Ansprüchen, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht rechnen muss, geschützt werden1.

Tarifliche Ausschlussfristen im öffentlichen Dienst – und der Überleitungsantrag

Ausgehend von ihrem Sinn und Zweck ist die Ausschlussfrist nur gewahrt, wenn der Anspruchsteller unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass er Inhaber einer nach Grund und Höhe spezifizierten Forderung ist und auf der Erfüllung dieser Forderung besteht2. Einer ausdrücklichen Zahlungsaufforderung bedarf es zur Geltendmachung nicht.

Die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD/VKA wird für Ansprüche, die im Zusammenhang mit einer Überleitung in die neue Entgeltordnung nach § 29b TVÜ-VKA stehen, nicht von der in § 29b Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA genannten Ausschlussfrist als einer Spezialregelung verdrängt. Die Wirkung der Ausschlussfrist nach § 29b Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA ist vielmehr auf das Antragsrecht nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA beschränkt3.

Ob ein Antrag nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA zugleich eine – ausreichende – Geltendmachung iSv. § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD/VKA enthält, hängt von dessen Inhalt ab und ist deshalb in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen4.

Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung ist in der Revisionsinstanz ebenso wie die Auslegung nichttypischer Vertragserklärungen nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt und ob sie rechtlich möglich ist5. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall die Würdigung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg6, der Arbeitnehmer habe mit seinem Schreiben vom 13.04.2017 nur einen Höhergruppierungsantrag gestellt, nicht stand. Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung den Wortlaut des Schreibens nicht hinreichend beachtet. Der Arbeitnehmer hat seine „Höhergruppierung und Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 rückwirkend zum 1.01.2017 geltend“ gemacht. Damit hat er nicht nur einen Höhergruppierungsantrag gestellt, sondern zusätzlich („und“) zum Ausdruck gebracht, dass er ab dem genannten Datum Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 TVöD/VKA verlangt. Für einen Höhergruppierungsantrag allein hätte es der Angabe der Entgeltgruppe nicht bedurft. Diesem Verständnis steht weder die Angabe im Betreff des Schreibens noch die dortige Bezugnahme auf § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA entgegen. Für den Arbeitgeber ist die Auffassung des Arbeitnehmers hinreichend deutlich geworden, Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 TVöD/VKA ab dem 1.01.2017 beanspruchen zu können. Die Höhe der sich daraus ergebenden Differenzvergütung war für den Arbeitgeber damit erkennbar.

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Beleidigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Februar 2022 – 4 AZR 354/21

  1. BAG 11.04.2019 – 6 AZR 104/18, Rn. 32, BAGE 166, 285; 28.02.2018 – 4 AZR 816/16, Rn. 50, BAGE 162, 81[]
  2. BAG 17.11.2021 – 4 AZR 77/21, Rn. 34 mwN[]
  3. ausf. BAG 18.09.2019 – 4 AZR 42/19, Rn. 26 ff., BAGE 168, 13[]
  4. BAG 18.09.2019 – 4 AZR 42/19, Rn. 32, BAGE 168, 13[]
  5. vgl. BAG 17.11.2021 – 4 AZR 77/21, Rn. 35[]
  6. LAG Berlin-Brandenburg 13.04.2021 – 7 Sa 7/20[]