Ist ein tariflicher Anspruchs auf einen Höhergruppierungsgewinn (hier: aus § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder) mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar? Mit dieser Frage hatte sich jetzt das Bundesarbeitsgericht zu befassen

In dem jetzt vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Rechtsstreit hatte die bei einer Staatsanwaltschaft des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen als Buchhalterin beschäftigte Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn aus § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder. Danach hat die Referenzperson einen tariflichen Anspruch auf den gezahlten Höhergruppierungsgewinn, ohne dass eine Kappungsgrenze für den Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder oder eine Anrechnung des durch den Stufenaufstieg nach § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder erlangten Vorteils zu beachten ist.
Anhaltspunkte für eine unbeabsichtigte Tariflücke oder ein Redaktionsversehen bestehen insoweit für das Bundesarbeitsgericht nicht.
Nichts anderes folgt aus dem Sinn und Zweck von § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder.
Die Regelung soll den Besitzstand von Beschäftigten wahren, die bei Fortgeltung des BAT aufgrund Bewährungsaufstiegs höhergruppiert worden wären, deren Aufstiegserwartung sich wegen der Einführung des TV-L aber nicht verwirklichte1.
Für die Referenzperson führt diese Besitzstandsregelung zu einer Besserstellung gegenüber den Beschäftigten, die den Bewährungsaufstieg bereits vor Überleitung in den TV-L vollzogen haben. Diese Besserstellung im Einzelfall ist vom Willen der Tarifvertragsparteien gedeckt. Das ergibt sich nicht nur aus dem erkennbaren Bestreben der Tarifvertragsparteien, eine pauschalierende und damit praxisgerechte Regelung zur Besitzstandswahrung zu schaffen, sondern auch aus der Tarifgeschichte. Die Tarifvertragsparteien haben sich nicht darauf beschränkt, Vorteile aus Bewährungsaufstiegen zu schützen, die bei Fortgeltung des BAT spätestens am 31.10.2008 erreicht worden wären. Der zeitliche Geltungsbereich des § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder wurde gegenüber der Ursprungsfassung vom 12.10.2006 wiederholt erweitert. Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 01.03.2009 wurde die Frist über den 31.10.2008 hinaus bis 31.12 2010 und durch den Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom 10.03.2011 erneut bis 31.10.2012 verlängert. Dadurch wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten vergrößert2.
Auch die tarifliche Systematik spricht dafür, dass der Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder, wie er sich aus seinem Wortlaut und Zweck sowie seiner Geschichte ergibt, dem Regelungswillen der Tarifvertragsparteien entspricht. So ist in § 8 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Länder vorgesehen, dass ein etwaiger Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Länder im Augenblick des fiktiven Bewährungsaufstiegs entfällt. Dem entspricht die Bestimmung des § 12 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder, wonach Höhergruppierungsgewinne auf einen Strukturausgleich anzurechnen sind. Da ein fiktiver Bewährungsaufstieg durch den Verlust des Strukturausgleichs mit Nachteilen für den Arbeitnehmer verbunden sein kann, sieht § 8 Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder seit dem Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 01.03.2009 ein Antragserfordernis vor und räumt dem Arbeitnehmer damit ein Wahlrecht ein. An dem tariflichen Gesamtzusammenhang zeigt sich, dass die Tarifvertragsparteien den Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 TVÜ-Länder im Einzelnen ausgestaltet und der Besitzstandswahrung bewusst Grenzen gesetzt haben. Angesichts dessen deutet nichts darauf hin, dass sie versehentlich keine Kappungsgrenze in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder aufgenommen haben.
Dieser Regelungswille der Tarifvertragsparteien steht der Annahme einer unbeabsichtigten Tariflücke entgegen. Die Arbeitsgerichte dürfen nicht gegen den erkennbar geäußerten Willen der Tarifvertragsparteien ergänzende tarifliche Regelungen „schaffen“. Das wäre ein unzulässiger Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie3.
Der Ausschluss von Arbeitnehmern, die den Bewährungsaufstieg bereits absolviert hatten, von der Begünstigung des Höhergruppierungsgewinns verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Arbeitnehmer, die den Bewährungsaufstieg schon unter Geltung des BAT vollzogen hatten, und Arbeitnehmer, deren Bewährungsaufstieg bei der Überleitung in den TV-L noch ausstand, sind nach dem Regelungskonzept der Tarifvertragsparteien nicht vergleichbar. Die Tarifvertragsparteien durften in dieser Weise unterscheiden.
Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die Einschätzungsprärogative bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden4.
GG untersagt zwar auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, mit dem ein Personenkreis begünstigt und ein anderer Personenkreis von der Begünstigung ausgenommen wird5. Verfassungsrechtlich erheblich ist aber nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln6.
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen7. Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten8. Bei der Gruppenbildung dürfen die Tarifvertragsparteien generalisieren und typisieren. Ihre Verallgemeinerungen müssen allerdings im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von derjenigen abweicht, die die Tarifvertragsparteien als typisch angenommen haben, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend sind und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären9.
Nach diesen Grundsätzen steht § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG.
§ 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ist – wie bereits ausgeführt – eine Besitzstandsregelung mit dem Zweck, die unter Geltung des BAT begründete und mit Einführung des TV-L zunichte gemachte Aussicht auf einen Bewährungsaufstieg auszugleichen. Diese Zielsetzung ist nicht zu beanstanden. Tarifvertragsparteien sind berechtigt, soziale Besitzstände und tatsächliche Aussichten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehen, durch tarifliche Besitzstandsregelungen zu schützen10. Die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ist geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Sie ist im Regelfall auch erforderlich und angemessen. Derjenige, der einen Bewährungsaufstieg wegen der Einführung des TV-L nicht mehr erreichen kann, erhält zum Ausgleich den individuellen Höhergruppierungsgewinn ab dem Zeitpunkt seines fiktiven Bewährungsaufstiegs zusätzlich zum Tabellenentgelt des TV-L. Der Arbeitnehmer wird zum Zweck der Eingliederung in das neue Entgeltsystem mit seinem neuen höheren Entgelt einer individuellen Zwischen- oder Endstufe zugeordnet, wobei die Stufenlaufzeit unberührt bleibt. Auf diese Weise bleibt dem Betroffenen sein individueller Höhergruppierungsgewinn mindestens so lange erhalten, bis er auch nach dem neuen Entgeltsystem das gleiche Vergütungsniveau erreicht.
Wie sich an der konkreten Referenzperson zeigt, kann die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder allerdings zu einer Überkompensation der durch die Einführung des TV-L entstandenen Nachteile führen. Arbeitnehmer mit fingiertem Bewährungsaufstieg können gegenüber Arbeitnehmern, deren Bewährungsaufstieg sich bereits unter Geltung des BAT vollzog, bessergestellt sein.
Zu einer solchen Überkompensation kommt es jedoch nur in Ausnahmefällen. Sie ist deswegen weder systemwidrig noch besonders schwerwiegend. Da sie nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre, ist sie insgesamt von der Generalisierungs- und Typisierungsbefugnis der Tarifvertragsparteien gedeckt.
§ 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder führt lediglich in bestimmten Fallgestaltungen zu einer Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg gegenüber Arbeitnehmern mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg. Diese Konstellationen sind dadurch gekennzeichnet, dass Arbeitnehmer mit fingiertem Bewährungsaufstieg schon durch die Überleitung in den TV-L nach § 4 Abs. 1 TVÜ-Länder iVm. Anlage 2 zum TVÜ-Länder in dieselbe Entgeltgruppe überführt werden wie Arbeitnehmer mit bereits vollzogenem Bewährungsaufstieg. Durch die zusammenfassende Überleitung mehrerer BAT-Vergütungsgruppen in dieselbe Entgeltgruppe des TV-L verlieren Arbeitnehmer mit schon absolviertem Bewährungsaufstieg ihren „Vergütungsgruppenvorsprung“ gegenüber Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg. Der durch den Bewährungsaufstieg erlangte Vorsprung wird hinsichtlich der Eingruppierung nivelliert und wirkt sich nur noch bei der Bildung des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Länder und der Stufenzuordnung nach § 6 TVÜ-Länder aus. Erfolgt der fiktive Bewährungsaufstieg des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder zeitlich nach dem Stufenaufstieg des § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder und steht dem Arbeitnehmer durch seine Altersstufe oder seinen Ortszuschlag ein entsprechend hohes Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Länder zu, kann es zu einer Besserstellung kommen. Der Arbeitnehmer erreicht durch den Höhergruppierungsgewinn eine neue individuelle Endstufe und erlangt dauerhaft eine höhere Vergütung als Arbeitnehmer, die ihren Bewährungsaufstieg bereits unter Geltung des BAT vollzogen haben11.
Die durch § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ausgelöste mögliche Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg gegenüber Arbeitnehmern mit bereits unter Geltung des BAT absolviertem Bewährungsaufstieg ist damit auf wenige Ausnahmefälle in einer Übergangszeit beschränkt. Daher handelt es sich weder um eine systemwidrige noch um eine besonders schwerwiegende Begünstigung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg.
Hinzu kommt, dass der fingierte Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder nicht ausschließlich mit Vorteilen für die betroffenen Arbeitnehmer verbunden ist. Der Höhergruppierungsgewinn wird bei Empfängern von Strukturausgleich angerechnet (§ 12 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder). Auch bei der Jahressonderzahlung (§ 20 TV-L) kann sich eine Höhergruppierung wegen der nach Entgeltgruppen gestaffelten Bemessungssätze nachteilig auswirken. Nachteilige Effekte können ferner eintreten, wenn der Beschäftigte bislang eine persönliche Zulage nach § 14 Abs. 3 TV-L erhält12.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch Arbeitnehmer mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg unter Wahrung des Besitzstands in den TV-L übergeleitet wurden. Der aus dem Bewährungsaufstieg erwachsene Vergütungsvorteil floss in das Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Länder ein und führte dazu, dass diese Arbeitnehmer einer höheren Entgeltstufe zugeordnet wurden als Arbeitnehmer mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg. Sie erlangten also zumindest für eine Übergangszeit einen Vorteil gegenüber Arbeitnehmern ohne absolvierten Bewährungsaufstieg.
Eine Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder gegenüber Arbeitnehmern mit schon unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg ließe sich auch nur unter erheblichen Schwierigkeiten vollständig ausschließen. Eine solche Besserstellung hängt nicht nur vom Zusammenspiel der Regelungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder ab, sondern insbesondere auch von der Höhe des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Länder, das an die Altersstufe und den Ortszuschlag des betroffenen Arbeitnehmers anknüpft. Da die Überleitung in den TV-L vom System der Besitzstandswahrung ausgeht, müsste eine Anrechnungs- oder Abschmelzungsregelung nach der Ursache der Überkompensation unterscheiden, damit Arbeitnehmer, die von einem fingierten Bewährungsaufstieg profitieren, nicht wiederum gegenüber den von § 5 TVÜ-Länder begünstigten Arbeitnehmern benachteiligt würden.
Ansprüche der Klägerin auf Höhergruppierungsgewinn ergeben sich schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG.
Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Um eine unmittelbare Benachteiligung handelt es sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 AGG gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Anderes gilt dann, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, handelt es sich schon tatbestandlich nicht um eine Benachteiligung iSv. § 7 Abs. 1 AGG((vgl. zB BAG 19.12 2013 – 6 AZR 94/12, Rn. 49; 23.04.2013 – 1 AZR 916/11, Rn. 15)).
§ 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder knüpft nicht unmittelbar an das Lebensalter, sondern an den Umstand eines noch ausstehenden Bewährungsaufstiegs an. Damit handelt es sich nicht um eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters.
Das Bundesarbeitsgericht kann offenlassen, ob die von § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder getroffene Unterscheidung danach, ob ein Beschäftigter bereits unter Geltung des BAT seinen Bewährungsaufstieg absolviert hat oder ob der Bewährungsaufstieg noch aussteht, regelmäßig zu einer mittelbaren Benachteiligung älterer Arbeitnehmer führt. Eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer wäre jedenfalls sachlich gerechtfertigt.
Eine mittelbare Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals kann nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG durch ein legitimes Ziel und die Wahl verhältnismäßiger Mittel zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden. Rechtmäßige Ziele iSv. § 3 Abs. 2 AGG können alle nicht diskriminierenden und auch im Übrigen legalen Ziele sein. Die differenzierende Maßnahme muss geeignet und erforderlich sein, um das legitime Ziel zu erreichen, und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte des Benachteiligten darstellen13. Letztlich ist § 3 Abs. 2 AGG eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG14.
Daran gemessen wäre eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer durch § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen der ihnen zukommenden Generalisierungs- und Typisierungsbefugnis eine Regelung getroffen, die den sozialen Besitzstand von Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg sichern soll. Sie haben damit ein legitimes Ziel mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt, wie sich aus den Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG ergibt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. Januar 2014 – 6 AZR 943/11
- vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 1; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 255[↩]
- vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 2 f.; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 258[↩]
- vgl. nur BAG 19.12 2013 – 6 AZR 94/12, Rn. 38[↩]
- vgl. BAG 19.12 2013 – 6 AZR 94/12, Rn. 43; 21.11.2013 – 6 AZR 23/12, Rn. 58[↩]
- vgl. BVerfG 10.07.2012 – 1 BvL 2/10, 1 BvL 3/10, 1 BvL 4/10, 1 BvL 3/11, Rn. 21, BVerfGE 132, 72; 21.07.2010 – 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, Rn. 78, BVerfGE 126, 400; BAG 20.09.2012 – 6 AZR 211/11, Rn. 16; 16.12 2010 – 6 AZR 437/09, Rn.19[↩]
- vgl. BAG 19.12 2013 – 6 AZR 94/12, Rn. 44; 21.11.2013 – 6 AZR 23/12, Rn. 59[↩]
- vgl. BVerfG 21.07.2010 – 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, Rn. 79, BVerfGE 126, 400; BAG 16.12 2010 – 6 AZR 437/09, Rn.19[↩]
- vgl. BAG 19.12 2013 – 6 AZR 94/12, Rn. 45; 21.11.2013 – 6 AZR 23/12, Rn. 60[↩]
- vgl. BAG 16.12 2010 – 6 AZR 437/09, Rn. 23; 22.04.2010 – 6 AZR 966/08, Rn. 28, BAGE 134, 160[↩]
- vgl. BAG 17.04.2013 – 4 AZR 770/11, Rn. 31 mwN[↩]
- vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand September 2012 Teil B 3 § 8 TVÜ-Länder Rn. 66[↩]
- vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand April 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 275a[↩]
- vgl. BAG 15.11.2012 – 6 AZR 359/11, Rn. 42 mwN[↩]
- vgl. BAG 8.12 2011 – 6 AZR 319/09, Rn. 27, BAGE 140, 83[↩]