Tarifvorrang – und die Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen

Nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht, wenn „ein Tarifvertrag“ den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulässt.

Tarifvorrang – und die Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen

Soweit die Betriebsvereinbarung regelt, dass Änderungen der GBV ERA-NDL der „Zustimmung“ der Tarifvertragsparteien bedürfen, begegnet dies keinen Bedenken. Im Rahmen von § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG haben die Tarifvertragsparteien darüber zu befinden, ob und inwieweit sie den Betriebsparteien die diesen durch § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entzogene Gestaltungsmacht zurückgeben. Dieser Schutzzweck erlaubt auch die Billigung einer tarifabweichenden Betriebsvereinbarung durch Zustimmungserklärungen der Tarifvertragsparteien.

Vor diesem Hintergrund ist es vorliegend ebenso unbedenklich, dass nach dem Entgelttarifvertrag bei zustimmungspflichtigen Betriebsvereinbarungen die Zustimmungserklärungen der tarifvertragschließenden Parteien eines anderen Tarifvertrages maßgeblich sein sollen.

Nach § 184 Abs. 1 BGB kann eine Zustimmung in Form einer Genehmigung auch nachträglich erfolgen. Die Genehmigung wirkt dann auf den Zeitpunkt der „Vornahme des Rechtsgeschäfts“ – mithin auf den Abschluss der Betriebsvereinbarung, zurück. Aus § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG folgt nichts anderes. So wie die Tarifvertragsparteien durch eine Öffnungsklausel iSv. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG auch nachträglich Betriebsvereinbarungen genehmigen können1, können sie einer im Hinblick auf die tarifliche Regelungssperre genehmigungsbedürftigen Änderung derselben auch rückwirkend zustimmen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Dezember 2020 – 1 AZR 499/18

  1. vgl. BAG 13.08.2019 – 1 AZR 213/18, Rn. 41 mwN, BAGE 167, 264[]
Weiterlesen:
Recht auf freie Meinungsäußerung - und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses

Bildnachweis: