Teilzeitbeschäftigung – und die Erhöhung der Arbeitszeit

§ 9 TzBfG verpflichtet den Arbeitgeber, einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen.

Teilzeitbeschäftigung – und die Erhöhung der Arbeitszeit

Die Vorschrift begründet – unter den näher geregelten Voraussetzungen – einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Verlängerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit1.

Ein angezeigter Verlängerungswunsch verpflichtet den Arbeitgeber nicht schon dazu, dem Arbeitnehmer bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einen Vertragsantrag iSv. § 145 BGB auf Abschluss eines Arbeitsvertrags mit erhöhter Arbeitszeit zu unterbreiten.

Vielmehr löst die Anzeige des Arbeitnehmers die in § 7 Abs. 2 TzBfG bestimmten Pflichten des Arbeitgebers aus. Er hat den Arbeitnehmer über den freien Arbeitsplatz zu informieren. Es ist dann der Entscheidung des Arbeitnehmers überlassen, ob er seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu dem vom Arbeitgeber vorgesehenen Termin und im entsprechenden Umfang erhöhen will. Ist das der Fall, so hat er ein hierauf bezogenes Vertragsangebot an den Arbeitgeber zu richten.

Aus dem Unterlassen einer an sich gebotenen Information durch den Arbeitgeber ergeben sich keine anderen Rechtsfolgen. Auch dann ist es Sache des Arbeitnehmers, ein Vertragsangebot zu unterbreiten und, soweit keine Einigung zustande kommt, den Anspruch gerichtlich zu verfolgen2.

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Der Anspruch nach § 9 TzBfG setzt voraus, dass ein „entsprechender freier Arbeitsplatz“ zu besetzen ist. Dazu muss zumindest ein freier und nach dem Willen des Arbeitgebers zu besetzender Arbeitsplatz vorhanden sein3.

Der Arbeitnehmer hat regelmäßig keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber einzurichtende und zu besetzende Arbeitsplätze nach den Arbeitszeitwünschen des Arbeitnehmers schafft, zuschneidet oder ihm die für einen anderen (Teilzeit-)Arbeitsplatz vorgesehene Arbeitszeit ganz oder teilweise zuteilt4.

Die Organisationsfreiheit des Arbeitgebers darf jedoch nicht zur Umgehung des § 9 TzBfG genutzt werden. Wenn der Arbeitgeber, anstatt die Arbeitszeiten der aufstockungswilligen Teilzeitbeschäftigten zu verlängern, weitere Teilzeitarbeitsplätze ohne höhere Arbeitszeit einrichtet, müssen für diese Entscheidung arbeitsplatzbezogene Sachgründe bestehen5.

§ 9 TzBfG begründet einen einklagbaren Rechtsanspruch des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers auf Verlängerung seiner Arbeitszeit durch Vertragsänderung, wenn sich keine besser geeigneten Konkurrenten bewerben6. Die Erfüllung dieses Anspruchs wird unmöglich, wenn der Arbeitgeber den entsprechenden freien Arbeitsplatz endgültig mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt. Dies begründet gegebenenfalls Schadensersatzansprüche des übergangenen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers7.

§ 9 TzBfG gewährt dem Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf Zuteilung weiterer, anderen Arbeitsplätzen zugewiesener Unterrichtsstunden zusätzlich zu dem ihm unbefristet übertragenen Teilzeitdeputat. Die Arbeitgeberin ist daher nach § 9 TzBfG grundsätzlich nicht verpflichtet, unter Verzicht auf Neueinstellungen von Lehrern mit anderen Fächerkombinationen als derjenigen des Arbeitnehmers Unterrichtsstunden bereits beschäftigter Lehrkräfte in einer Weise umzuverteilen, dass dem Arbeitnehmer Unterrichtsstunden seiner Fächerkombination zugewiesen werden können. Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin ihre Organisationsfreiheit zur Umgehung von § 9 TzBfG genutzt hätte, bestehen nicht. Das Landesarbeitsgericht hat weder festgestellt noch hat der Arbeitnehmer vorgetragen, dass die Arbeitgeberin weitere Teilzeitarbeitsplätze mit den Unterrichtsfächern des Arbeitnehmers eingerichtet hätte, anstatt die Arbeitszeit des Arbeitnehmers aufzustocken.

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§ 9 TzBfG begründete daher auch keinen Anspruch eines bei einer katholischen Heimschule angestellen Lehrers darauf, dass die Arbeitgeberin ihm die freigewordenen Biologiestunden aus dem Unterrichtsdeputat der vorübergehend erkrankten Lehrkraft an den S-Schulen in V zusätzlich zu seinem Teilzeitdeputat an der Heimschule K zuwies. Im Übrigen erscheint zweifelhaft, ob es sich bei der Stelle der erkrankten Lehrkraft an den S-Schulen in V um einen entsprechenden freien Arbeitsplatz iSv. § 9 TzBfG gehandelt hat. Die erkrankte Lehrkraft unterrichtet die Fächer Biologie und Deutsch. Da der Arbeitnehmer nicht über eine Lehrbefähigung für das Fach Deutsch verfügt, hätte er diesen Teil der Aufgaben der erkrankten Lehrkraft nicht übernehmen können. Zudem war die Stelle wegen der Erkrankung der Lehrkraft nur vorübergehend zu besetzen, der Arbeitnehmer hatte hingegen um die unbefristete Übertragung eines Vollzeitdeputats gebeten. Letztlich kann die Frage, ob es sich bei dieser Stelle um einen entsprechenden freien Arbeitsplatz iSv. § 9 TzBfG gehandelt hat, dahinstehen, weil die Erfüllung eines etwaigen Anspruchs des Arbeitnehmers nach § 9 TzBfG aufgrund der Besetzung der Stelle mit zwei anderen Arbeitnehmern durch die Arbeitgeberin unmöglich geworden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Stellenbesetzung vor oder nach der Bewerbung des Arbeitnehmers um die Stelle erfolgt ist. Hat der Arbeitgeber den entsprechenden freien Arbeitsplatz anderweitig besetzt, kann der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer bei der Besetzung der Stelle nicht mehr nach § 9 TzBfG bevorzugt berücksichtigt werden.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. März 2016 – 7 AZR 828/13

  1. vgl. BAG 15.08.2006 – 9 AZR 8/06, Rn. 18 ff., BAGE 119, 194[]
  2. vgl. BAG 1.06.2011 – 7 ABR 117/09, Rn. 29; 16.09.2008 – 9 AZR 781/07, Rn. 18 f., BAGE 127, 353; 15.08.2006 – 9 AZR 8/06, Rn. 21, aaO[]
  3. BAG 8.05.2007 – 9 AZR 874/06, Rn.20, BAGE 122, 235[]
  4. BAG 15.08.2006 – 9 AZR 8/06, Rn. 23, BAGE 119, 194[]
  5. BAG 1.06.2011 – 7 ABR 117/09, Rn. 30; 13.02.2007 – 9 AZR 575/05, Rn. 26, BAGE 121, 199[]
  6. BAG 16.09.2008 – 9 AZR 781/07, Rn. 41 mwN, BAGE 127, 353[]
  7. vgl. BAG 1.06.2011 – 7 ABR 117/09, Rn. 31; 16.09.2008 – 9 AZR 781/07, Rn. 14 aaO[]