Aufgrund eines „Honorarvertrages“ tätige Übersetzer sind nicht zwingend Arbeitnehmer sondern können auch als selbständige Unternehmer tätig sein.

Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Die Vorschrift des § 611a BGB spiegelt diese Rechtsgrundsätze wider [1].
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs sah das Bundesarbeitsgericht den aufgrund eines Honorarvertrages tätigen Übersetzer als selbständigen Unternehmer und nicht als Arbeitnehmer an:
Der „Honorarvertrag“ räumte der Dienstherrin keine fachlichen Weisungsrechte ein sondern bestimmte vielmehr, dass der Übersetzer die geschuldeten Übersetzungsleistungen in eigener Verantwortung erbringt. Der Honorarvertrag berechtigt die Dienstherrin dabei, die von dem Übersetzer zu erbringende Leistung zu konkretisieren, ohne dass hierdurch ein Weisungsrecht begründet wird (§ 3 Nr. 3 Satz 2 des Vertrags). Der Übersetzer sollte auch die Arbeitszeit und den Ort der Arbeitsleistung selbstständig bestimmen können. Soweit die Vertragsbestimmung diese Freiheit einschränkt, wenn „die Eigenart des Auftrags“ Arbeitszeit oder Arbeitsort vorgibt, liegt hierin kein Widerspruch. Denn auch in diesen Fällen wird der Dienstherrin nicht das Recht eingeräumt, dem Übersetzer in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht Weisungen zu erteilen.
Gegen die Annahme, der „Honorarvertrag“ habe einen arbeitsvertraglichen Inhalt, sprach im hier entschiedenen Fall zudem der Umstand, dass der Übersetzer nicht verpflichtet ist, die geschuldete Leistung in Person zu erbringen. Gemäß den Bestimmungen des Honorarvertrages ist der Übersetzer vielmehr unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen berechtigt, die Aufträge durch eigenes Personal bearbeiten zu lassen. Räumt eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei das Recht ein, Dritte in die Leistungserbringung einzubinden, weist dies auf eine selbstständige Tätigkeit hin [2].
Ein weiteres Indiz für einen Vertragswillen, der auf die Vereinbarung eines Rechtsverhältnisses als Selbstständiger gerichtet ist, findet sich in der vertraglichen Bestimmung, wonach der Übersetzer die Arbeitsgeräte/Arbeitsmittel grundsätzlich selbst stellt. Eine Ausnahme gilt nur für die Fälle, in denen „sicherheitliche Gründe“ Abweichendes erfordern.
Schließlich legt auch die weitere Regelungen des Honorarvertrags die Annahme eines freien Rechtsverhältnisses nahe, nach welcher der Übersetzer verpflichtet ist, „am Markt aufzutreten, um weitere Auftraggeber zu gewinnen“. Verständigen sich die Vertragsparteien darauf, dass eine Vertragspartei während der Laufzeit des Vertrags andere berufliche und gewerbliche Aktivitäten zu entfalten berechtigt – und im Streitfall sogar verpflichtet – ist, ist dies ein Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit [3].
Für den Status des Übersetzers sind die Bestimmungen des Honorarvertrages unerheblich, wonach der Übersetzer für seine Leistungen ein „Stundenhonorar“ erhält, das nach Rechnungsstellung fällig ist. Die Art der Vergütung spielt für die Abgrenzung verschiedener Vertragstypen keine Rolle, da sich die persönliche Abhängigkeit des Verpflichteten danach bestimmt, inwieweit die Ausführung der versprochenen Leistungen weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Entscheidend sind die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Vergütungszahlung [4].
Gleiches gilt für die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Abwicklung des Rechtsverhältnisses. Nach des Bestimmungen des streitgegenständlichen Honorarvertrags sollte die Dienstherrin nicht verpflichtet sein, Steuern und Sozialabgaben abzuführen. Die Behandlung der vereinbarten Vergütung ist für die Frage, welcher Natur das Rechtsverhältnis ist, ohne Belang. Dies folgt bereits daraus, dass das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis und das Arbeitsverhältnis nicht identisch sind [5].
Auch ist die Annahme unzutreffend, ein Rahmenvertrag, der die Umstände der zu erbringenden Leistung nicht im Einzelnen festlege, setze ein Weisungsrecht der einen Partei gegenüber der anderen Partei voraus, das typischerweise für ein Arbeitsverhältnis kennzeichnend sei. Gerade das Recht der selbstständigen Leistungserbringung kennt Rahmenverträge, in denen die Vertragsparteien lediglich die grundsätzliche Ausgestaltung ihrer Geschäftsbeziehung regeln. Das Bundesarbeitsgericht hat in der Vergangenheit mehrfach Rahmenverträge als Verträge mit einem Selbstständigen gewertet [6]. Für die rechtliche Einordnung des Vertrags kommt es darauf an, ob der Rahmenvertrag der einen Partei das Recht zubilligt, frei über die Annahme der künftigen Einzelverträge zu entscheiden, oder ob einer Partei ein Weisungsrecht zustehen soll, infolge dessen sie die zu erbringende Leistung einseitig und für die andere Partei verbindlich festzulegen berechtigt ist.
Räumt ein Vertrag einer Vertragspartei das Recht ein, andere Aufgaben zuzuteilen, dh. zuzuweisen, ohne dass der anderen Partei ein Mitspracherecht zusteht, indiziert dies zwar ein für Arbeitsverträge typisches Weisungsrecht. Davon kann nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht ausgegangen werden, wenn das Gericht auf der anderen Seite annimmt, die Dienstherrin habe „dem Übersetzer Aufgaben zur Erledigung angeboten“. Räumt ein Vertrag einer Vertragspartei lediglich die Befugnis ein, der anderen Vertragspartei ein Angebot zu unterbreiten, das diese nicht anzunehmen verpflichtet ist, spricht dies gegen die Annahme eines Weisungsrechts.
Im vorliegenden Streitfall muss nunmehr das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung der zu treffenden Feststellungen sowie sämtlicher Umstände erneut prüfen, ob das Rechtsverhältnis aufgrund seiner tatsächlichen Handhabung als Arbeitsverhältnis oder als freies Dienstverhältnis zu qualifizieren ist. Nach den bisher getroffenen Feststellungen sind die folgenden Gesichtspunkte zu beachten:
Nach den bisherigen Feststellungen stand es dem Übersetzer frei, Übersetzungsaufträge der Dienstherrin anzunehmen und das ihm von der Dienstherrin zur Verfügung gestellte Büro nicht zu nutzen. Dies spricht für ein freies Dienstverhältnis. Weder machte die Dienstherrin dem Übersetzer Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeit noch teilte sie ihn in die Dienstpläne ein. Soweit der Übersetzer eingewandt hat, die Dienstherrin habe erwartet, dass er die ihm angetragenen Übersetzungsleistungen erbringe, übersieht er, dass die Äußerung von Erwartungen mit der Erteilung von Weisungen nicht identisch ist [7].
Der Umstand, dass der Übersetzer die Übersetzungsleistungen ausschließlich in der Dienststelle der Dienstherrin in R erbrachte, lässt für sich genommen demgegenüber nicht den Schluss zu, die Dienstherrin habe ein arbeitsvertragliches Weisungsrecht für sich in Anspruch genommen. Für Personen, die im Geschäftsbereich von Sicherheitsbehörden sicherheitsrelevante Büroarbeiten erledigen, ist es typisch, dass diese ihre Tätigkeit in den ihnen zur Verfügung gestellten Räumen verrichten und damit an einen bestimmten Ort gebunden sind. Eine solche Bindung besagt nichts über eine persönliche Abhängigkeit einer Vertragspartei [8].
Der Arbeitszeitsouveränität des Übersetzers, die regelmäßig ein freies Dienstverhältnis kennzeichnet, steht es nicht automatisch entgegen, dass er die von ihm angenommenen Aufträge während der allgemeinen Bürozeiten erledigte. Die organisatorische Bindung an die Öffnungszeiten der Räumlichkeiten des Auftraggebers begründet für sich genommen kein eindeutiges arbeitsvertragliches Weisungsrecht des Auftraggebers. Es ist auch für Selbstständige nicht unüblich, dass sie die vertraglichen Leistungen im Rahmen der organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers zu erbringen haben [9]. Zwar kann in der Anordnung, eine Tätigkeit nur in bestimmten Räumlichkeiten zu verrichten, und einer nur zeitlich beschränkten Zurverfügungstellung dieser Räumlichkeiten eine zeitliche Weisungsgebundenheit liegen. Der Übersetzer hat allerdings nicht geltend gemacht, es sei ihm deshalb in zeitlicher Hinsicht kein wesentlicher Spielraum verblieben [10]. Vielmehr hat er eingeräumt, er habe über „ein bestimmtes Zeitfenster“ verfügt.
Soweit der Übersetzer geltend macht, er habe von der ihm unter § 3 Nr. 4 des Vertrags eingeräumten Befugnis, die Übersetzungsaufträge von Dritten erledigen zu lassen, niemals Gebrauch gemacht, weil die erforderliche Sicherheitsüberprüfung geraume Zeit in Anspruch genommen hätte, beruft er sich auf tatsächliche Schwierigkeiten. Das Landesarbeitsgericht wird zu würdigen haben, ob diese Schwierigkeiten ein Maß erreichten, das ihm die Ausübung des vertraglichen Übertragungsrechts unmöglich machte, und die tatsächliche Handhabung des Auftragsverhältnisses daher für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht.
Soweit der Übersetzer darauf verweist, die Dienstherrin beschäftige Arbeitnehmer, die sie mit ähnlichen Übersetzungsaufträgen betraut habe wie ihn, übersieht er, dass es für die Einordnung der Rechtsbeziehung der Parteien allein auf deren Rechtsverhältnis, nicht aber auf das anderer Mitarbeiter ankommt [11]. Denn aus der Rechtsnatur des einen kann nicht ohne Weiteres auf die Rechtsnatur des anderen Rechtsverhältnisses geschlossen werden.
Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, mit wessen Arbeitsmitteln der Übersetzer die übernommenen Aufträge ausgeführt hat. Dass die Dienstherrin dem Übersetzer Wörterbücher zur Verfügung stellte, die er im Rahmen seiner Übersetzungstätigkeit heranzog, lässt nicht den Schluss zu, dass er als Arbeitnehmer in die betriebliche Sphäre der Dienstherrin eingebunden war. Ein Unternehmer muss einen Vertrag nicht notwendig mit eigenen Arbeitsmitteln erfüllen [12].
Die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses hängt auch nicht entscheidend vom Umfang der Übersetzungstätigkeit ab. Dieser gibt regelmäßig nur Auskunft darüber, ob ein Teilzeit- oder ein Vollzeitrechtsverhältnis vorliegt. Der Umfang, in dem der Übersetzer tätig war, lässt im Streitfall auf ein Vollzeitrechtsverhältnis schließen. Aber auch die aus einem Vollzeitrechtsverhältnis und einer langen Zeit der Zusammenarbeit resultierende wirtschaftliche Abhängigkeit vermag ein Arbeitsverhältnis nicht zu begründen [13].
Sollte das Landesarbeitsgericht im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung aller Umstände des Streitfalls nicht zu einem eindeutigen Ergebnis gelangen, hat es zu beachten, dass die Parteien den Vertrag als „Honorarvertrag“ bezeichnet haben. Der Vorrang der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen vor der formalen Vertragstypenwahl durch die Parteien bedeutet nicht, dass die Entscheidung der Parteien für eine bestimmte Art von Vertrag irrelevant wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit – wie im Streitfall – typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch im Rahmen eines Rechtsverhältnisses, das einen Selbstständigen verpflichtet, geleistet werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus zu berücksichtigen [14].
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Mai 2019 – 9 AZR 295/18
- BAG 21.11.2017 – 9 AZR 117/17, Rn. 23 mwN[↩]
- vgl. BAG 11.08.2015 – 9 AZR 98/14, Rn. 25[↩]
- BAG 11.08.2015 – 9 AZR 98/14, Rn. 26[↩]
- vgl. BAG 27.06.2017 – 9 AZR 851/16, Rn. 29[↩]
- vgl. BAG 8.05.2018 – 9 AZR 531/17, Rn.20[↩]
- vgl. BAG 21.11.2017 – 9 AZR 117/17; 17.10.2017 – 9 AZR 792/16; 27.06.2017 – 9 AZR 851/16[↩]
- vgl. BAG 17.10.2017 – 9 AZR 792/16, Rn. 27[↩]
- vgl. zu Lehrkräften BAG 21.11.2017 – 9 AZR 117/17, Rn. 40[↩]
- vgl. BAG 21.07.2015 – 9 AZR 484/14, Rn. 25[↩]
- vgl. hierzu BAG 21.11.2017 – 9 AZR 117/17, Rn. 36[↩]
- vgl. BAG 21.11.2017 – 9 AZR 117/17, Rn. 42[↩]
- vgl. BAG 27.06.2017 – 9 AZR 133/16, Rn. 50[↩]
- vgl. BAG 21.11.2017 – 9 AZR 117/17, Rn. 41[↩]
- vgl. BAG 21.11.2017 – 9 AZR 117/17, Rn. 44[↩]