Und welche Farbe hat ihr BH?

Darf ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Vorschriften über Fingernägel, Haare und die Farbe der Unterwäsche machen? Das Landesarbeitsgericht Köln meint jedenfalls: in weiten Bereichen ja.

Und welche Farbe hat ihr BH?

Der Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht Köln betraf eine im Jahr 2004 Gesamtbetriebsvereinbarung eines Unternehmens, das am Flughafen Köln/Bonn im Auftrag der Bundespolizei Fluggastkontrollen vornimmt. Einige Vorschriften gingen dem Landesarbeitsgericht Köln zu weit. So darf nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts den Mitarbeiterinnen nicht vorgeschrieben werden, die Fingernägel nur einfarbig zu tragen, und von männlichen Mitarbeitern darf nicht verlangt werden, bei Haarfärbungen nur natürlich wirkende Farben zu tragen.

Andere umstrittene Teile der Regelung über das Erscheinungsbild der Mitarbeiter hielt das Landesarbeitsgericht Köln dagegen für wirksam, so z.B. – wegen der Verletzungsgefahr für die Passagiere – die Anweisung, Fingernägel „ in maximaler Länge von 0,5 cm über der Fingerkuppe zu tragen“. Auch folgende Vorschriften über das Tragen von Unterwäsche sah das Gericht nicht als unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Mitarbeiterinnen an, weil sie dem Schutz der vom Arbeitgeber gestellten Dienstkleidung und einem ordentlichen Erscheinungsbild dienten:

  • „Das Tragen von BHs, Bustiers, bzw. eines Unterhemdes ist vorgeschrieben.“
  • „Diese Unterwäsche ist in weiß oder in Hautfarbe ohne Muster/Beschriftungen/Embleme, etc. zu tragen bzw. anders farbige Unterwäsche darf in keiner Form durchscheinen.“
  • „Feinstrumpfhosen sowie Socken dürfen keinerlei Muster, Nähte oder Laufmaschen aufweisen.“
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Ebenso billigte das Landesarbeitsgericht Köln folgende Anweisungen für männliche Mitarbeiter:

  • „Grundsätzlich sind Haare immer sauber, niemals ungewaschen oder fettig wirkend zu tragen.“
  • „Eine gründliche Komplettgesichtsrasur bei Dienstantritt ist Voraussetzung; alternativ ist ein gepflegter Bart gestattet.“

Der Betriebsrat hat grundsätzlich bei der Regelung einer einheitlichen Dienstkleidung der Mitarbeiter ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gilt nur für Maßnahmen, die das sog. Ordnungsverhalten der Mitarbeiter betreffen. Das sog. Arbeitsverhalten bleibt nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungsfrei.

Eine Betriebsvereinbarung, die das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter verletzt, ist unwirksam und darf nicht angewandt werden. Das zulässige Ausmaß einer Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Mitarbeiter bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die jeweilige Regelung muss geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Betriebsparteien – Arbeitgeber und Betriebsrat – gemäß § 75 Abs. 1, 2 Satz 1 BetrVG zur Wahrung der grundrechtlich gewährleisteten Freiheitsrechte verpflichtet. Sie haben damit auch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit zu beachten. Zwar wird diese, soweit sie über den Kernbereich der Persönlichkeit hinausgeht, ihrerseits durch die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt, zu der auch die von den Betriebsparteien im Rahmen ihrer Regelungskompetenz geschlossenen Betriebsvereinbarungen gehören. Zugleich sind jedoch die einzelnen Grundrechtsträger vor unverhältnismäßigen Grundrechtsbeschränkungen durch privatautonome Regelungen zu schützen. Das zulässige Ausmaß einer Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die getroffene Regelung muss geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung dann, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist sie, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber die Handlungsfreiheit weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Angemessen ist sie, wenn sie verhältnismäßig im engeren Sinn erscheint. Es bedarf hier einer Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe; die Grenze der Zumutbarkeit darf nicht überschritten werden1.

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Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, ist das Begehren des Betriebsrates teilweise begründet: Die Trageordnung greift in die Freiheit der Arbeitnehmer ein, sich während der Arbeit so zu kleiden, wie es den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen entspricht.

Hinsichtlich der in der Trageordnung enthaltenen Regelung für Mitarbeiterinnen, die Fingernägel einfarbig zu tragen, fehlt es bereits an der Geeignetheit dieses Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerinnen zur Erreichung des Regelungszwecks. Zwar kann die Gewährleistung eines einheitlichen Erscheinungsbildes durch eine einheitliche Dienstkleidung erreicht werden. Die Farbe der Fingernägel der Mitarbeiterinnen ist hierfür aber offensichtlich ohne Bedeutung. Erst recht ist diese Einschränkung der persönlichen Freiheit zur Erreichung des Regelungszwecks nicht erforderlich.

Von den Regelungender Trageordnung, die die männlichen Mitarbeiter betreffen, sind die oben genannten nach den oben genannten Maßstäben unwirksam. Diese Regelungen schreiben den Mitarbeitern vor, bei Haarfärbungen lediglich natürlich wirkende Farben zu verwenden und verbieten das Tragen von künstlichen Haaren oder Einflechtungen, wenn es die Natürlichkeit der Haarpracht beeinträchtigt. Auch insoweit hat die Kammer bereits Zweifel an der Geeignetheit dieser Eingriffe. Alle Mitarbeiter haben ohnehin unterschiedliche Haarfarben und Frisuren. Jedenfalls aber sind beide Verbote nicht verhältnismäßig im engeren Sinn. Die Arbeitgeberin greift mit diesen Vorschriften in die unmittelbare körperliche Integrität der Mitarbeiter ein, ohne dass dies durch den Zweck eines einheitlichen Erscheinungsbildes gerechtfertigt wäre. Das gilt insbesondere für das nach dieser Vorschrift weitestgehend verbotene Tragen eines Haarteils. Letzteres kann für das Selbstwertgefühl eines unter frühem Haarverlust leidenden Mitarbeiters von erheblicher Bedeutung sein und das Verbot kann in diesem Fall das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters entscheidend tangieren. Demgegenüber wird das von den Kunden wahrgenommene Erscheinungsbild der Mitarbeiter wesentlich durch deren einheitliche Kleidung geprägt. Haarfarbe und Frisur sind hierfür eher unbedeutend. Weitere Unwirksamkeitsgründe ergeben sich ferner aus der inhaltlichen Unbestimmtheit der Regelung im Hinblick auf die Merkmale der „natürlich wirkenden Farben“ und der „Natürlichkeit der Haarpracht“ sowie aufgrund des Verstoßes der vorgenannten Regelungen gegen das Benachteiligungsverbot der §§ 7 Abs. 1, 1 AGG. Die allein männliche Mitarbeiter betreffenden Regelungen stellen eine unmittelbare Geschlechtsdiskriminierung dar, da vergleichbare Regelungen für Mitarbeiterinnen nicht existieren.

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Die weitergehenden, vom Betriebsrat reklamierten Regelungen halten dagegen nach Einschätzung des Landesarbeitsgerichts einer Verhältnismäßigkeitskontrolle Stand. Das gilt zunächst für das in der Trageordnung für Mitarbeiterinnen vorgeschriebene Tragen von Unterwäsche. Die Arbeitgeberin weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die in ihrem Eigentum stehenden Blusen und Hemden durch das Tragen von Unterwäsche geschützt und weniger schnell abgenutzt werden. Die Eignung des Eingriffs steht damit außer Frage. Das Gleiche gilt für seine Erforderlichkeit, da ein milderes, das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterinnen weniger einschneidenderes Mittel nicht existiert. Das gilt umso mehr, als die Arbeitgeberin den Mitarbeiterinnen kein konkretes Wäschestück vorschreibt, sondern mehrere zur Wahl lässt. Schließlich ist der Eingriff auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Wägt man die mit dem verbindlichen Tragen von privater Unterwäsche verbundene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Mitarbeiterinnen gegen die betrieblichen Interessen an einem ordentlichen Erscheinungsbild und einer möglichst geringen Abnutzung der Dienstkleidung ab, so überwiegt das Interesse der Arbeitgeberin deutlich. Dabei ist aus Sicht des Landesarbeitsgerichts Köln auch unproblematisch, dass die Unterwäsche weiß oder in Hautfarbe sein muss und keine Embleme, Beschriftungen oder Muster enthalten darf. Eine erhebliche Einschränkung des Persönlichkeitsrechts stellt diese Vorgabe nicht dar. Das Gleiche gilt für die Verpflichtung zum Tragen von Feinstrumpfhosen oder Socken.

Ebenfalls rechtlich unbedenklich ist die für Mitarbeiterinnen in der Trageordnung vorgeschriebene maximale Länge der Fingernägel von 0,5 cm über der Fingerkuppe. Auch dieser Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterinnen ist insgesamt verhältnismäßig. Ziel der Regelung ist es, eine Verletzungsgefahr bei der Kontrolle von Passagieren möglichst zu vermeiden. Hierfür ist die gemachte Vorgabe offensichtlich geeignet und auch erforderlich, da ein milderes Mittel nicht besteht. Schließlich ist die Vorgabe auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Die Arbeitgeberin hat ein erhebliches und berechtigtes betriebliches Interesse daran, dass eine von ihren Mitarbeiterinnen ausgehende Verletzungsgefahr im Umgang mit den Passagieren so weit wie möglich ausgeschlossen wird. Demgegenüber muss das modische Interesse der Mitarbeiterinnen an dem Tragen längerer Fingernägel zurücktreten. Zwar stellt die Vorgabe in der Trageordnung einen unmittelbaren Eingriff in die körperliche Integrität der Mitarbeiterinnen dar. Dieser ist jedoch zwingend durch die Tätigkeit geboten.

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Auch die weiteren Tragevorschriften der Trageordnung für die männlichen Mitarbeiter sind verhältnismäßig. Dabei gilt zunächst bezüglich des vorgeschriebenen Tragens von Unterwäsche das oben zu den Mitarbeiterinnen Gesagte entsprechend. Gegen die darüber hinaus vom Betriebsrat beanstandeten Bestimmungen zu „Frisur, Bart und Make-up“ bestehen schließlich ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Die Trageordnung verlangt von den Mitarbeitern, dass die Haare grundsätzlich sauber, niemals ungewaschen oder fettig zu tragen sind und vor Dienstbeginn eine Komplettrasur erfolgt ist oder ein gepflegter Bart getragen wird. Diese Vorgaben sind geeignet, ein vernünftiges, angemessenes Erscheinungsbild der Mitarbeiter zu gewährleisten. Sie sind auch erforderlich, da eine weniger einschneidendere Maßnahme nicht ersichtlich ist. Das gilt unabhängig davon, dass die große Mehrzahl der Mitarbeiter auch ohne eine entsprechende Vorgabe selbständig Wert auf ein entsprechendes Äußeres legen dürfte. Letztlich kann nur mit einer entsprechenden Vorgabe die Erreichung des Ziels im Ergebnis wirklich sichergestellt werden. Schließlich ist auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn zu bejahen. Zwar geht es auch hier wiederum um unmittelbar das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter betreffende Regelungen. Da diese jedoch inhaltlich von den Mitarbeitern keine außergewöhnlichen Maßnahmen verlangen, sondern letztlich das widerspiegeln, was den normalen und allgemein üblichen Umgangsformen jedenfalls solcher Menschen entspricht, die beruflich im engen Kundenkontakt stehen, überwiegt auch insoweit das betriebliche Interesse.

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Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 18.08.2010 – 3 TaBV 15/10

  1. vgl. BAG, Beschlüsse vom 29.06.2004 – 1 ABR 21/03, BAGE 111, 173 = AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, vom 12.12.2006 – 1 AZR 96/06, NZA 2007, 453; und vom 13.02.2007 – 1 ABR 18/06, NZA 2007, 640[]