Ist die Ehefrau des Arbeitnehmers nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO bei der Berechnung der pfändungsfreien Entgeltbestandteile zu berücksichtigen, kann der Anspruch schuldbefreiend nur durch Zahlung an den Arbeitnehmer erfüllt werden, für die materiellrechtliche Prüfung ist der Arbeitnehmer aktivlegitimiert. Die Auffassung, das Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers unterfalle „vollumfänglich“ der Pfändung, der Arbeitgeber habe daher an den Pfändungsgläubiger schuldbefreiend leisten können und es bestehe allenfalls ein (hier: vom Insolvenzbeschlag umfasster) Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Nichtberücksichtigung von Unterhaltspflichten, findet im Gesetz keine Stütze. „Unpfändbares“ Arbeitseinkommen kann nicht gepfändet werden. Es steht dem Arbeitnehmer zu.

Nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO erhöht sich der Betrag, bis zu dessen Höhe das Arbeitseinkommen unpfändbar ist, wenn der Schuldner aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung ua. seinem Ehegatten Unterhalt gewährt. Der Schuldner muss den Unterhalt – freiwillig oder durch Beitreibung – tatsächlich leisten [1].
Im Verhältnis zwischen Ehegatten kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner tatsächlich einen Geldbetrag für den Unterhalt des Ehegatten abzweigt; dieser ist schon dann zu berücksichtigen, wenn der Schuldner aufgrund beiderseitiger Verständigung angemessen zum Familienunterhalt beiträgt (§§ 1360, 1360a BGB); bei Ehegatten, die in häuslicher Gemeinschaft leben, ist grundsätzlich von gegenseitigen Unterhaltsleistungen, durch die die Kosten des Familienunterhalts gemeinsam bestritten werden, auszugehen [2].
Der getrennt lebende Ehegatte hat nach § 1361 Abs. 1 BGB Anspruch auf angemessenen Unterhalt, der im Unterschied zum Familienunterhalt grundsätzlich als monatliche Geldrente zu leisten ist (§ 1361 Abs. 4 BGB). Der getrennt lebende Ehegatte wird bei der Bemessung des unpfändbaren Einkommens des Schuldners nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO nur berücksichtigt, wenn der Schuldner diesen Unterhalt auch tatsächlich leistet [3]. Die Vermutung wechselseitiger Erbringung von Unterhaltsleistungen durch Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft greift nicht.
Unerheblich ist, ob der Ehegatte eigene Einkünfte hat. Er wird bei der Berechnung des pfändungsfreien Entgelts trotz eigener Einkünfte berücksichtigt, wenn der Schuldner tatsächlich Unterhalt nach §§ 1360, 1361 BGB leistet. Der Gläubiger hat in diesem Falle nach § 850c Abs. 4 ZPO allerdings die Möglichkeit, einen Beschluss des Vollstreckungsgerichts zu erwirken, dass die unterhaltsberechtigte Person ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt.
Solange der Arbeitnehmer mit seiner früheren Ehefrau in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, ist davon auszugehen, dass die Ehegatten nach §§ 1360, 1360a BGB einander Naturalunterhalt geleistet haben und die Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person im Rahmen von § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO zu berücksichtigen war [4]. Mit der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft war die getrennt lebende Ehefrau nur dann als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer ihr tatsächlich Unterhalt geleistet hat.
Es kommt nicht allein darauf an, dass daas Vollstreckungsgericht keinen Beschluss nach § 850c Abs. 4 ZPO getroffen hat. Die Ehefrau des Arbeitnehmers ist auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer ihr tatsächlich keinen Unterhalt gewährt hat.
Die Geltendmachung des Anspruchs ist im vorliegenden Fall auch nicht verwirkt. Es fehlt jedenfalls am erforderlichen Umstandsmoment. Der Arbeitnehmer hat durch die Wahl der Lohnsteuerklasse III dokumentiert, mit seiner Ehefrau zusammenzuleben; nach § 38b Abs. 1 Nr. 3 EStG ist die Wahl dieser Steuerklasse u.a. nur möglich, wenn die Ehepartner nicht dauernd getrennt leben. Die Arbeitgeberin konnte bereits deshalb nicht davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer die Nichtberücksichtigung seiner Ehefrau bei der Berechnung der pfändungsfreien Beträge akzeptieren würde.
Der Arbeitnehmer ist wegen dieser Gehaltsbestandteile auch klagebefugt, selbst wenn zwischenzeitlich über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, der Anspruch ist nicht Bestandteil der Insolvenzmasse.
Nach § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das Gesamtvermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse, nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO gilt ua. § 850c ZPO entsprechend. Unpfändbare Forderungen gehören demnach nicht zur Insolvenzmasse, sie sind dem Insolvenzverwalter nicht nach § 148 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen [5].
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. August 2013 – 10 AZR 323/12
- allgemeine Meinung, BAG 21.01.1975 – 5 AZR 200/74, BAGE 27, 4; 9.12.1965 – 5 AZR 272/65; Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rn. 1047; Stein/Jonas/Brehm ZPO 22. Aufl. § 850c Rn. 16 mwN[↩]
- BGH 3.11.2011 – IX ZR 45/11, Rn. 9; BAG 21.01.1975 – 5 AZR 200/74, BAGE 27, 4[↩]
- Stöber Forderungspfändung Rn. 1051[↩]
- vgl. BGH 3.11.2011 – IX ZR 45/11, Rn. 9[↩]
- BGH 03.11.2011 – IX ZR 45/11, Rn. 7; FK-InsO/Bornemann § 36 Rn. 14 ff.[↩]