Unterrichtung des Betriebsrats über Arbeitsunfälle Dritter

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, über Arbeitsunfälle unterrichtet zu werden, welche Beschäftigte eines anderen Unternehmens im Zusammenhang mit der Nutzung der betrieblichen Infrastruktur des Arbeitgebers erleiden.

Unterrichtung des Betriebsrats über Arbeitsunfälle Dritter

Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Anspruchsvoraussetzung ist zum einen, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist, und zum anderen, dass die begehrte Information zur Wahrnehmung dieser Aufgabe im Einzelfall erforderlich ist. Dies hat der Betriebsrat darzulegen1.

Allerdings kann der Betriebsrat sein Begehren nicht mit Erfolg aus dem von ihm herangezogenen § 8 Abs. 1 und Abs. 2 ArbSchG – der die Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber bei der Durchführung von Sicherheits- und Gesundheitsbestimmungen betrifft – ableiten. Zwar gehören zu seinen Aufgaben die in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG aufgezeigten Überwachungspflichten2, die sich auf die Durchführung ua. der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze iSv. konkreten Ge- oder Verboten beziehen. Ob es sich bei dieser Vorschrift um solche handelt, bedarf keiner Entscheidung. Die vom Betriebsrat von der Arbeitgeberin geforderten Angaben zu Arbeitsunfällen des Fremdpersonals lassen keinen Rückschluss auf eine Einhaltung sich ggf. aus § 8 Abs. 1 und Abs. 2 ArbSchG ergebender Pflichten der Arbeitgeberin zu.

ingegen hat der Betriebsrat zutreffend auf seine ua. Maßnahmen des Arbeitsschutzes betreffende Förderpflicht des § 80 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG sowie seine – diese Aufgabe verstärkende3 – besondere Pflicht gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, sich für die Durchführung ua. der Vorschriften über die Unfallverhütung im Betrieb einzusetzen, verwiesen. Außerdem kommt ihm nach § 89 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eine – mit der dort geregelten Verpflichtung des Arbeitgebers korrespondierende – Berechtigung zu, bei allen im Zusammenhang mit der Unfallverhütung stehenden Fragen hinzugezogen zu werden.

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Diese Aufgaben stellen sich für den Betriebsrat nicht (auch) in Bezug auf die Arbeitnehmer der Servicepartnerunternehmen. Etwas anders folgt – entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde – nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BetrVG, wonach die Unterrichtung des Arbeitgebers sich auf die Beschäftigung von Personen erstreckt, die nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen, und diesbezüglich „insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen“ umfasst.

§ 80 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BetrVG erfasst zwar jegliches Fremdpersonal, also auch im Betrieb eingesetzte Erfüllungsgehilfen von Werk- und Dienstleistungsunternehmen4. Die Vorschrift dient aber allein der Klarstellung des Personenkreises, auf den sich die Unterrichtungsverpflichtung bezieht. Mit ihr werden weder die Voraussetzungen für den allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG relativiert noch die Zuständigkeit des Betriebsrats auf das im Betrieb eingesetzte Fremdpersonal erweitert. Das folgt nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus der Gesetzesbegründung. Sie stellt ausdrücklich klar, dass sich lediglich die Unterrichtungspflicht des Betriebsarbeitgebers auf das im Betrieb eingesetzte Fremdpersonal erstrecken soll. Dazu wird auf die st. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts5 verwiesen, wonach ein Betriebsrat im Stande sein muss zu prüfen, ob die in Bezug auf Fremdpersonal zu erteilenden Auskünfte erforderlich sind, um betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte hinsichtlich der von ihm repräsentierten betriebszugehörigen Arbeitnehmer ausüben zu können6. Damit verlangt auch der auf Fremdpersonal bezogene Unterrichtungsanspruch, dass ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der betriebszugehörigen Arbeitnehmer in Betracht kommt.

Für die betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben des Betriebsrats im Bereich des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung gilt nichts anderes7. Diese Aufgaben beziehen sich auf die betriebszugehörigen Arbeitnehmer. Damit erstrecken sie sich zwar regelmäßig auch auf in den Betrieb eingegliederte Leiharbeitnehmer. So obliegt etwa die Wahrnehmung allgemeiner arbeitsplatzbezogener Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dem Betriebsrat des Entleiherbetriebs8. Ähnliches gilt für den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG9. Für einen nicht auf Arbeitnehmerüberlassung gründenden Drittpersonaleinsatz gilt das aber nicht. Für diesen greift gerade nicht die explizit geregelte Verantwortlichkeit hinsichtlich des Arbeitsschutzes gemäß § 11 Abs. 6 AÜG, nach dessen Satz 1 die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher den für den Betrieb des Entleihers geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts unterliegt und die sich hieraus ergebenden Pflichten für den Arbeitgeber dem Entleiher unbeschadet der Pflichten des Verleihers obliegen.

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Die auf die Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12.06.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit gestützten unionsrechtlichen Erwägungen des Betriebsrats tragen keine andere Sichtweise. Für die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kommt es nicht auf den Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 89/391/EWG an. Entscheidend ist der Bezug zu Aufgaben des Betriebsrats. Dessen spezifische Unfallverhütungsaufgaben sind auf den Betrieb und die von ihm repräsentierten Beschäftigten begrenzt.

Hingegen bedingen die auf die betriebszugehörigen Arbeitnehmer bezogenen gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats zum Unfallschutz und zur Unfallverhütung nach § 80 Abs. 1 Nr. 9, § 89 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BetrVG vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit der Arbeitgeberin mit den Servicepartnerunternehmen dessen Unterrichtung über Arbeitsunfälle von auf dem Betriebsgelände und im Betriebsgebäude tätigen Arbeitnehmern, welche weder bei der Arbeitgeberin angestellt noch ihr zur Arbeitsleistung überlassen sind.

Der Betriebsrat hat sich ua. für die Durchführung der Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb „einzusetzen“ (§ 89 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Entsprechend ist sein Hinzuziehungsrecht nach § 89 Abs. 2 Satz 1 BetrVG umfassend ausgestaltet; es bezieht sich – neben den Unfalluntersuchungen – auf „allen im Zusammenhang mit … der Unfallverhütung“ stehende „Besichtigungen“ und „Fragen“. Die letztgenannte Formulierung zeigt, dass unabhängig von konkreten Besichtigungen und Unfalluntersuchungen die Beteiligung des Betriebsrats im Bereich der Unfallverhütung weitreichend gewährleistet sein soll.

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Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben einschließlich des spezifischen Konsultationsrechts sind in Anbetracht der vorliegenden Gegebenheiten Informationen des Betriebsrats über Arbeitsunfälle des Fremdpersonals auf dem Betriebsgelände oder in der Betriebshalle unerlässlich. Hieraus können unfallverhütungsrelevante Erkenntnisse für die betriebszugehörigen Arbeitnehmer gewonnen werden. Die bei Servicepartnerunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer nutzen mit der Betriebshalle und dem Betriebsgelände dieselbe betriebliche Infrastruktur, innerhalb derer sich Unfallgefahren verwirklichen können und bereits verwirklicht haben. Sie setzen überdies dieselben sächlichen Betriebsmittel (etwa Überladebleche) ein wie die vom Betriebsrat repräsentierten betriebszugehörigen Arbeitnehmer. Auf deren Zusammenarbeit oder Zusammenwirken mit dem Fremdpersonal kommt es nicht an. Die von der Rechtsbeschwerde gegen die entsprechenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erhobenen Rügen sind deshalb nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist, dass die Arbeitnehmer der Servicepartner ihre Arbeitsleistung in den Räumlichkeiten und mit den Arbeitsmitteln erbringen wie auch die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Kommt es dabei zu Arbeitsunfällen, sind das Unfallgeschehen und die Ursachensuche Angelegenheiten der Unfallverhütung („Lernen aus dem Unfall“) auch für die „eigenen“ Arbeitnehmer der Arbeitgeberin.

Zur Aufgabenwahrnehmung sind aber nur bestimmte beanspruchte Angaben erforderlich:

Die verlangten sachbezogenen Daten (Angabe des Datums, der Uhrzeit des Unfalls, der Unfallstelle, des Unfallhergangs sowie über erlittene Verletzungen) lassen ohne weiteres unfallverhütungsrelevante Rückschlüsse zu. So vermögen Unfallzeitpunkt und Unfallstelle besondere Gefahrenquellen – wie etwa Lichtverhältnisse oder Witterungseinflüsse – erkennen zu lassen. Der Unfallhergang kann ebenso wie erlittene Verletzungen Aufschlüsse über technische, organisatorische und verhaltensbedingte Unfallursachen geben, die für die Unfallverhütung von Belang sind.

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Das gilt aber nicht für die weitergehend verlangten Daten (Name des betroffenen Arbeitnehmers und der Servicepartnerfirma, bei der er beschäftigt ist, sowie deren Anschrift; Eintritt von Arbeitsunfähigkeit und Namen von Unfallzeugen). Anhand des Vorbringens des Betriebsrats sind deren Erforderlichkeit für die Aufgabenwahrnehmung nicht ersichtlich. Soweit er annimmt, er müsse auch eigenständige Aufklärungsmaßnahmen wie die Befragung der verunfallten Arbeitnehmer sowie von Zeugen ergreifen, verkennt er, dass er nach § 89 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bei Unfalluntersuchungen „hinzuzuziehen“ ist. Das betrifft zwar die Konsultation bei allen – vom Betriebsrat ggf. auch anzuregenden – Aufklärungsmaßnahmen, also etwa bei der Befragung des Verunfallten, bei Zeugenvernehmungen, bei der Anhörung von Sachverständigen und bei einer Begehung des Unfallorts10. Die Hinzuziehungsberechtigung begründet aber – ebenso wenig wie § 80 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 9 und § 89 Abs. 1 Satz 1 BetrVG – keine autarke und separierte Ermittlungsobliegenheit des Betriebsrats.

Einen weitergehenden Informationsanspruch vermag der Betriebsrat nicht auf die von ihm herangezogene Aufgabe der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG oder auf die BV Gesundheitsschutz zu stützen. Der Betriebsrat übersieht, dass allgemeine Verweise auf Mitbestimmungsrechte oder auf gesetzliche bzw. aus einer Betriebsvereinbarung folgende Aufgaben und Rechte untauglich sind, die Erforderlichkeit der beanspruchten Auskünfte zu begründen. Es muss sich aus seinem Vorbringen vielmehr ergeben, aus welchen Gründen er die verlangten Angaben und Daten zur Erfüllung einer sich stellenden Aufgabe benötigt11.

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Auch ein auf „ggf.“ erstellte Unterlagen und „insbesondere“ die Dokumentation iSv. § 6 Abs. 2 ArbSchG bezogener Vorlageanspruch besteht nicht. Der Betriebsrat kann nicht „ins Blaue hinein“ eine Vorlage von Unterlagen beanspruchen, von denen er selbst nicht behauptet, dass sie die Arbeitgeberin erstellt. Außerdem lässt er jeglichen Vortrag dahingehend vermissen, inwieweit es sich – neben der geltend gemachten Unterrichtung – um ein auf erforderliche Unterlagen gerichtetes Verlangen handeln soll12.

Der auf Kopien der Unfallanzeigen nach § 193 SGB VII bezogene Antrag ist gleichfalls unbegründet. Der Aushändigungsanspruch nach § 89 Abs. 6 BetrVG besteht für von der Arbeitgeberin und nicht für von deren Servicepartnerunternehmen erstatte Unfallanzeigen. Für einen auf § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG gestützten Vorlageanspruch fehlt es an Vorbringen zur Erforderlichkeit der begehrten Kopien für die Aufgabendurchführung. Ungeachtet dessen hat der Betriebsrat nicht einmal behauptet, die Servicepartnerunternehmen würden die von ihnen gefertigten Unfallanzeigen der Arbeitgeberin im Abdruck überlassen oder zur Verfügung stellen.

Schließlich ist kann der Betriebsrat auch nicht für alle bei der zuständigen Berufsgenossenschaft meldepflichtigen Arbeitsunfälle des Fremdpersonals im Betriebsgebäude oder auf dem näher bezeichneten Betriebsgelände die Vorlage einer Unfallanzeige zur Überprüfung, Kenntnisnahme und Mitunterzeichnung verlangen. Ein solcher Anspruch käme allein nach § 193 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VII in Betracht, wonach eine Unfallanzeige vom Betriebsrat mit zu unterzeichnen ist. Das gilt aber nur für Anzeigen, die nach § 193 Abs. 1 bis Abs. 3 SGB VII erstattet werden. Die Arbeitgeberin zeigt Unfälle des Fremdpersonals in ihrem Betriebsgebäude oder auf dem Betriebsgelände nicht an. Entsprechend kann und muss sie auch dem Betriebsrat keine Unfallanzeige „zur Überprüfung, Kenntnisnahme und Mitunterzeichnung“ vorlegen. Sollte sie in Verkennung einer unfallversicherungsrechtlichen Pflichtenlage die Unfallanzeigen unterlassen, handelte sie ggf. ordnungswidrig. Der Betriebsrat vermag die Arbeitgeberin aber nicht durch die Geltendmachung einer Unterzeichnungsberechtigung bei der Unfallanzeige zur Erstellung einer solchen anzuhalten.

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Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 12. März 2019 – 1 ABR 48/17

  1. vgl. BAG 8.11.2016 – 1 ABR 64/14, Rn.19[]
  2. BAG 20.03.2018 – 1 ABR 15/17, Rn. 16 mwN[]
  3. vgl. BAG 3.06.2003 – 1 ABR 19/02, zu B II 2 a aa der Gründe, BAGE 106, 188[]
  4. Fitting 29. Aufl. § 80 Rn. 49 mwN[]
  5. BAG 15.12 1998 – 1 ABR 9/98[]
  6. BT-Drs. 14/5741 S. 46[]
  7. aA Julius Arbeitsschutz und Fremdfirmenbeschäftigung Diss. S. 174; diff. Karthaus/Klebe NZA 2012, 417 ff.; Schulze-Doll/Paschke Arbeitsschutz für Fremdpersonal im Rahmen von Werkverträgen und unter besonderer Berücksichtigung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in: Gesellschaftliche Bewegungen – Recht unter Beobachtung und in Aktion, S. 506 ff.; DKKW-Buschmann 16. Aufl. § 80 Rn. 7[]
  8. dazu BAG 15.10.2014 – 7 ABR 74/12, Rn. 29, BAGE 149, 286[]
  9. dazu BAG 7.06.2016 – 1 ABR 25/14, Rn. 10 ff., BAGE 155, 215[]
  10. ErfK/Kania 19. Aufl. § 89 BetrVG Rn. 7[]
  11. vgl. dazu auch BAG 20.03.2018 – 1 ABR 11/17, Rn. 39, BAGE 162, 115[]
  12. vgl. zu diesem Erfordernis etwa BAG 20.03.2018 – 1 ABR 74/16, Rn. 30[]

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