Urlaubsabgeltung und das Ruhen des Arbeitslosengelds

Hat der Arbeitnehmer wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen, ruht sein Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 143 Abs. 2 SGB III auch dann bereits ab dem Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn er Krankengeld nach § 44 SGB V bezieht. Der Ruhenszeitraum verschiebt sich nicht auf die Zeit nach Beendigung der Erkrankung.

Urlaubsabgeltung und das Ruhen des Arbeitslosengelds

Nach § 143 Abs. 2 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs, wenn der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hat. Ein Übergang des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung auf die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 115 Abs. 1 SGB X findet dann statt, wenn der Arbeitslose während des Ruhenszeitraums Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III erhält (Gleichwohlgewährung). Der Forderungsübergang wird zeitlich durch den Ruhenszeitraum und der Höhe nach durch das in diesem Zeitraum gezahlte Arbeitslosengeld begrenzt1.

Gemäß § 143 Abs. 2 Satz 2 SGB III beginnt der Ruhenszeitraum mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses, mithin mit dem ersten Tag, der auf das Ende des Arbeitsverhältnisses folgt. Der Ruhenszeitraum läuft kalendermäßig ab2. Er endet deshalb mit dem Ende des letzten (fiktiven) Urlaubstags.

Während des Ruhenszeitraums gemäß § 143 Abs. 2 SGB III hat die Beklagte in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall kein Arbeitslosengeld, sondern Krankengeld bezogen. Ihr Arbeitsverhältnis endete am 31. Dezember 2005. Der Ruhenszeitraum begann gemäß § 143 Abs. 2 Satz 2 SGB III am 1. Januar 2006. Die Beklagte bezog bis zum 31. März ausschließlich Krankengeld (§ 44 SGB V) und erst ab dem 1. April 2006 Arbeitslosengeld. Zu diesem Zeitpunkt war der sich aus der Abgeltung von 28 Urlaubstagen errechnende Ruhenszeitraum abgelaufen. Durch die Zahlung des Arbeitslosengelds ab 1. April 2006 wurde deshalb kein Forderungsübergang nach § 115 Abs. 1 SGB X, § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III bewirkt.

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Eine Verschiebung des Ruhenszeitraums auf die Zeit nach Beendigung der Erkrankung erfolgt im Rahmen von § 143 Abs. 2 SGB III nicht3. Dies sieht § 143 Abs. 2 Satz 2 SGB III nicht vor. Die Norm enthält nach Wortlaut, Systematik und Zweck eine eindeutige und abschließende Regelung.

§ 143 Abs. 2 Satz 2 SGB III bestimmt seinem Wortlaut nach zweifelsfrei, an welchem Tag der Ruhenszeitraum beginnt. Er sieht eine Verschiebung dieses Zeitraums bei Zahlung von Krankengeld nicht vor. Systematisch wird dies dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber in § 143a Abs. 1 Satz 5 SGB III ausdrücklich einen Fall der Verlängerung des Ruhenszeitraums bei Erhalt einer oder Anspruch auf eine Urlaubsabgeltung geregelt hat. Auch nach dem Zweck der Norm ist ein anderes Verständnis nicht geboten. Die Vorschrift dient einerseits der Existenzsicherung und will andererseits Doppelleistungen von Arbeitslosengeld und Arbeits- bzw. Urlaubsvergütung ausschließen4. Im Verhältnis zur Bundesagentur für Arbeit liegt eine Doppelleistung aber nicht vor, wenn kein Arbeitslosengeld gezahlt wird. Im Verhältnis zur Krankenkasse bewirkt eine für die Zeit nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährte Urlaubsabgeltung nicht das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld nach § 44 SGB V5. Gegen eine Verschiebung des Ruhenszeitraums spricht schließlich, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht und nicht mehr von einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit abhängig ist6. Der Urlaubsabgeltungsanspruch kann deshalb nur im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. November 2010 – 10 AZR 649/09

  1. vgl. BAG 28.04.1983 – 2 AZR 446/81, AP AFG § 117 Nr. 3 = EzA AFG § 117 Nr. 3; Winkler in Gagel SGB II/SGB III Stand Juli 2010 § 143 SGB III Rn. 61[]
  2. BSG 07.02.2002 – B 7 AL 28/01 R; 02.11.2000 – B 11 AL 25/00 R, BuW 2001, 351; vgl. Winkler in Gagel § 143 SGB III Rn. 49[]
  3. LSG Berlin-Brandenburg 30.03.2010 – L 18 AL 212/09 NZB; Winkler in Gagel § 143 SGB III Rn. 49; vgl. Henke in Eicher/Schlegel SGB III Stand September 2010 § 143 Rn. 96[]
  4. Winkler in Gagel § 143 SGB III Rn. 3[]
  5. BSG 30.05.2006 – B 1 KR 26/05 R, SozR 4-2500 § 49 Nr. 4[]
  6. BAG 24.03.2009 – 9 AZR 983/07, BAGE 130, 119[]