Einem vollständigen Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs aufgrund einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel steht § 3 Satz 1 MiLoG nicht entgegen.

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch Ausschlussfristen unterliegen. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene und für das Bundesarbeitsgericht nach Art. 267 AEUV verbindliche Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG entgegen [1].
Eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Verfallklausel
- Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Erfolgt dies nicht, verfallen diese Ansprüche.
- Lehnt der Leistungspflichtige den Anspruch schriftlich ab oder erklärt er sich hierzu nicht innerhalb eines Monats nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder nach dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
- Die Haftung für vorsätzliches Verhalten bleibt von dieser Ausschluss- und Verfallklausel unberührt.
erfasst den Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Die Ausschlussfristenregelung bezieht sich auf „alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ und damit auf alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben [2]. Hiervon ausgenommen sind allein Ansprüche, die auf der Haftung für vorsätzliches Verhalten beruhen.
Einem vollständigen Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs aufgrund einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel steht § 3 Satz 1 MiLoG nicht entgegen. Die Bestimmungen des MiLoG finden auf den Abgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG keine Anwendung. Es handelt sich nicht um Entgelt iSv. § 3 Satz 1 MiLoG [3]. Auch aus dem Schutzzweck von § 3 Satz 1 MiLoG [4] folgt nicht, dass der Anspruch teilweise einem Verfall entzogen wäre. Die Regelungen des Mindestlohngesetzes MiLoG gewährleisten die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), die letztlich auch die sozialen Sicherungssysteme entlasten soll [5]. Anders als der Mindestlohn dient die Urlaubsabgeltung nicht der Existenzsicherung. Zweck der Verpflichtung des Arbeitgebers, Urlaub abzugelten, ist die Schaffung eines finanziellen Ausgleichs für den Verlust des Anspruchs auf bezahlten Erholungsurlaub, der infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als solcher nicht mehr zu realisieren ist [6].
Eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedurfte es insoweit nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht. Die Frage, ob der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung den Regelungen des MiLoG unterfallen, ist allein nach nationalem Recht zu entscheiden.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Oktober 2019 – 9 AZR 532/18
- vgl. zu tarifvertraglichen Ausschlussfristen BAG 22.01.2019 – 9 AZR 149/17, Rn. 33; zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18, BAGE 163, 282[↩]
- vgl. BAG 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, Rn. 12[↩]
- zum Entgeltbegriff des Mindestlohngesetzes und zur Abgrenzung zu sonstigen Zahlungen: vgl. BAG 6.12 2017 – 5 AZR 699/16, Rn. 23; 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, Rn. 32, BAGE 155, 202[↩]
- vgl. hierzu BAG 30.01.2019 – 5 AZR 43/18, Rn. 40, BAGE 165, 205[↩]
- BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, Rn. 30, BAGE 155, 202[↩]
- vgl. EuGH 6.11.2018 – C‑569/16 und – C‑570/16 – [Bauer] Rn. 43[↩]
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